Dass sich ein Angeklagter vor Gericht für unschuldig hält, ist keine Seltenheit. Oft beschleicht den Beobachter dann das Gefühl, einer nur mäßig gelungenen Theatervorstellung beizuwohnen: Die Gesten werden ausladend, die Stimme lauter, das Gesicht ist eine einzige Empörung.
Vor dem Heidenheimer Amtsgericht war es dieser Tage anders. Dort saß ein Giengener, angeklagt wegen Diebstahls, und fragte sich offensichtlich, warum ausgerechnet er in diese Lage geraten war. Laientheater spielte er jedoch nicht, sondern versuchte ruhig und gelassen, die Situation zu beleuchten. Und die ist kompliziert.
Handwerker im Visier der Justiz
Der Mann hatte einen Vertrag mit einem Elektriker abgeschlossen. Der Handwerker sollte umfangreiche Arbeiten an einem Bauvorhaben des Giengeners erledigen. Dafür bestellte der Elektriker Material, er und seine Mitarbeiter begannen auf der Baustelle Schlitze zu stemmen und Kabel zu verlegen. Der Auftraggeber wiederum leistete zwei Anzahlungen, insgesamt mehr als 16.000 Euro.
Dann jedoch stockte das Vorhaben. Der Elektriker war nämlich ins Visier der Justiz geraten. Den Briefkasten seines Vermieters hatte er gesprengt, Strom gestohlen, unerlaubt Waffen besessen und einiges mehr. Einem Gerichtsverfahren entzog er sich jedoch zunächst, bevor er festgenommen und im Herbst 2023 zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt wurde.
Auf der Baustelle bewegte sich jedoch schon weit vor der Verurteilung nicht mehr viel, die Kommunikation kam laut Angeklagtem weitgehend zum Erliegen. Als sich abzeichnete, dass der Handwerker sich mit anderen Problemen zu befassen hatte, versuchte sein Auftraggeber, zumindest an das bereits bezahlte Material zu gelangen, um womöglich mit einem anderen Elektriker weiterzuarbeiten. Die Lebensgefährtin des Elektrikers sagte ihm demnach am Telefon zu, er könne die Bauteile im Herbrechtinger Lager abholen.
Material abgeholt - dann angezeigt worden
Zum vereinbarten Termin im März 2023 kam allerdings lediglich ein Lehrling, der ihm aufschloss. Im Nachgang fertigte der Giengener sogar noch eine Liste aller Teile an, die er abgeholt hatte. Der damalige Lehrling sagte vor Gericht aus, ihm sei an der Sache nichts ungewöhnlich vorgekommen.
Dennoch wurde der Giengener später vom Handwerker angezeigt, der offenbar nach einer polizeilichen Durchsuchung umfangreiches Material als gestohlen gemeldet hatte. Ein Polizeibeamter bestätigte vor dem Amtsgericht, dass es nach ähnlichen Anzeigen zahlreiche Ermittlungen gegeben habe.
Als Zeugin geladen war auch die Lebensgefährtin des Handwerkers. Sie hätte womöglich bestätigen können, dass sie der Abholung zugestimmt hatte. Allerdings blieb sie der Verhandlung kommentarlos fern. Richter Dr. Christoph Edler vertagte die Sitzung daher und verhängte ein Ordnungsgeld gegen die Frau. Zum nächsten Termin soll sie vorgeführt werden.
Zeugen vor Gericht: Pflicht zur Aussage
Zeuginnen oder Zeugen, die zur Aussage in einer Gerichtsverhandlung geladen werden, sind zum Erscheinen verpflichtet. Diese Pflicht besteht auch, wenn die Personen bereits bei der Polizei ausgesagt haben oder der Ansicht sind, nichts Wesentliches beitragen zu können. Wer bei einer Verhandlung unentschuldigt fehlt, kann mit einem Ordnungsgeld bestraft werden. Zudem können der Zeugin oder dem Zeugen entstehende Zusatzkosten in Rechnung gestellt werden.