Kundgebung vor dem Rathaus

Warnstreik in Giengen: IG Metall fordert sieben Prozent mehr Lohn und warnt vor tausend gefährdeten Arbeitsplätzen

Mehrere Hundert Beschäftige von BSH und Gardena haben am Donnerstag in Giengen mit einem Warnstreik ihre Forderungen nach mehr Lohn untermauert. Wie sich die Streikenden für die jungen Kolleginnen und Kollegen stark machten:

Tobias Bucher ist heiser, als er am Donnerstagvormittag von der zur Streikbühne umfunktionierten Lkw-Ladefläche heruntersteigt. Es ist der zweite Tag einer Reihe von Warnstreiks im Landkreis. Gerade hat der Heidenheimer IG-Metall-Bevollmächtigte etwa 350 bis 400 Kolleginnen und Kollegen vor dem Giengener Rathaus auf die Ziele der laufen Tarifverhandlungen eingeschworen. Dabei wirkt er, als bräuchte er gar kein Mikrophon. Das Ziel ist klar: Sieben Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie, 170 Euro mehr im Monat für die Auszubildenden.

Die Reaktionen an diesem kalten Novembermorgen sind erwartungsgemäß. Die Streikenden schwenken Fahnen, blasen in die verteilten Trillerpfeifen, wiederholen lautstark die Forderungen. Niedergelegt wurde die Arbeit in der Kältefabrik und im Logistikbereich der BSH, die Azubis haben sich dem Zug vom Werk vors Rathaus angeschlossen. Von Gardena in Niederstotzingen sind Mitarbeitende mit dem Bus nach Giengen gekommen, einige Beschäftigte von Ziegler gesellen sich, obwohl nicht zum Streik aufgerufen, solidarisch hinzu.

Unter zwei Prozent: Kritik am Angebot der Arbeitgeber

Solche Warnstreiks folgen einer längst bekannten Choreografie. Es sind Nadelstiche, die den Arbeitgebern die Entschlossenheit der organisierten Beschäftigten verdeutlichen sollen. Im Vorfeld gibt es Angebote der Arbeitgeber, die man seitens der Gewerkschaft zurückweist, und jeder der Streikenden wird wissen, dass man sich am Ende irgendwie zwischen den geforderten sieben Prozent und den gebotenen 1,7 Prozent treffen wird. Dennoch gab es am Donnerstag auch Zwischentöne zu hören.

„Ich weiß, ich sage es zu den Falschen, aber wir sind auch träge geworden“, rief Bucher den Streikenden zu. Etliche Beschäftigte hätten zwar die Arbeit niedergelegt, sich aber nicht dem Zug in Richtung Rathaus angeschlossen. Beim letzten Warnstreik vor zwei Jahren seien dem Aufruf noch mehr Menschen gefolgt. Die Gewerkschaftsvertreter warben eindringlich für mehr Engagement, mehr Bereitschaft, auch Kolleginnen und Kollegen vom Eintritt in die Gewerkschaft zu überzeugen. Es gehe nicht nur um mehr Geld, sondern immer mehr um Arbeitsplatzsicherung. Mehr als tausend Arbeitsplätze seien in Heidenheim im Moment akut gefährdet, durch Stellenabbau und mögliche Insolvenzen. Dennoch: „Die Produktion steht, das Werk ist leer“, so Bucher zufrieden mit Blick auf die BSH.

Gewerkschaft fordert Konjunkturpakete

Angesichts der jüngsten Eruptionen in der Bundes- und Weltpolitik forderte Bucher schnelle Konjunkturpakete, um die Wirtschaft zu unterstützen und Beschäftigung zu sichern. Bislang sei Finanzminister Christian Lindner (FDP) „liebevoll auf dem Geldbeutel gehockt“, nach der Trump-Wiederwahl in den USA zu erwartenden Einfuhrzöllen in die USA allerdings mit noch mehr Problemen für die deutsche Wirtschaft zu rechnen.

Ausbildung in der Industrie muss wieder attraktiver werden, forderte Vertrauensfrau Alexa Makidon - auch über mehr Geld. Rudi Penk

Aber auch die Beschäftigten brauchen nach Lesart der Gewerkschaften zeitnah mehr Geld, um zumindest ihre Kaufkraft zu erhalten. Das bisherige Angebot der Arbeitnehmerseite habe diesen Namen nicht verdient, sagte der stellvertretende BSH-Betriebsratsvorsitzende Steffen Wagner. „Bescheidenheit hat noch nie Arbeitsplätze gesichert, sondern immer nur den Profit erhöht“, so Wagner. Als Vertreterin der Ausbildenden bei BSH sagte Vertrauensfrau Alexa Makidon, Azubis könnten oftmals nicht mehr alleine leben oder sich über ihr Ausbildungsgehalt den Führerschein finanzieren. Die klassische Berufsausbildung müsse auch durch höhere Vergütung wieder attraktiver werden, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, forderte Makidon. Als Vertreter Beschäftigten der BSH-Logistik rief Gerhard Würth die Streikenden dazu auf, in ihrem Umfeld für die Gewerkschaften zu werben. Sie würden als starke Verhandlungspartner gebraucht.

Mehr als 100.000 Menschen streikten bereits

Stand Mittwochabend hatten in Baden-Württemberg nach Angaben der IG Metall bereits 110.000 Beschäftigte an Warnstreiks teilgenommen. In der laufenden dritten Tarifverhandlungsrunde halten die Arbeitgeber an ihrem Angebot von 1,7 Prozent mehr Geld ab Juli 2025 und weiteren 1,9 Prozent ab Juli 2026 fest. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie sieben Prozent, dazu pauschal 170 Euro mehr pro Monat für die Auszubildenden.