Umstrittene Entscheidung

Warum der Kreistag die Schließung der Giengener Rehaklinik für unvermeidlich hält

Gut ein Viertel der anwesenden Kreistagsmitglieder stimmten am Montag gegen die Schließung. Dennoch ist das Aus der Giengener Rehaklink besiegelt. Das soll quasi einem höheren Zweck dienen.

Im Fußball nennt man das wohl einen Arbeitssieg: Nach einer rau geführten Diskussion samt lautstarkem Unmut etlicher Zuhörender stand eine Entscheidung, die mit einem ungewohnt hohen Anteil an Neinstimmen einherging. Der Vorschlag der Kreisverwaltung, die Geriatrische Rehaklinik in Giengen zu schließen, war damit angenommen, das sprichwörtliche Spielfeld war aber ramponiert.

29 Kreisrätinnen und Kreisräte votierten am Montag in der sechsten und letzten Kreistagssitzung des Jahres für die Schließung der Rehaklinik, zehn stimmten dagegen. Damit steht fest, dass die seit 25 Jahren bestehende Einrichtung zum 31. März 2024 geschlossen wird. Den rund zwei Dutzend Mitarbeitenden werden ihren Qualifikationen entsprechende neue Stellen im Klinikum Heidenheim angeboten, zu dem die Rehaklinik gehört.

Protestrufe in der Sitzung

Es waren wohl Mitarbeitende, aber auch andere Interessierte, die sich schon vor Beginn der Sitzung vor der Nattheimer Gemeindehalle versammelten. „Reha-Klinik muss bleiben“ hatte ein Mann auf ein Plakat geschrieben. Nach und nach summierte sich die Zahl der Sitzungsbesucher auf rund zwei Dutzend. Auch das ein ungewöhnlicher Anblick in diesem Gremium.

Ihr Protest blieb nicht stumm, sie quittierten manche Ausführung mit Protest, Jubel gab es für Giengens Oberbürgermeister Dieter Henle, der sich erneut gegen die Schließung aussprach. Landrat Peter Polta ermahnte die Besucher mehrmals zur Ruhe. Einige von ihnen brachen nach dem Beschluss in Tränen aus.

Die Fakten sprechen eindeutig für eine Schließung.

Peter Polta, Landrat

„Die Fakten sprechen eindeutig für eine Schließung“, stellte Polta zu Beginn der Diskussion fest. An der in Heidenheim ansässigen Klinik für Akutgeriatrie werde man festhalten. Anschließende Rehamaßnahmen sollen künftig außerhalb des Landkreises stattfinden. „Die heutige Entscheidung ist keine gegen die ältere Generation“, betonte der Landrat und fügte hinzu, das Klinikum stehe als Ganzes vor „Herausforderungen in Zeiten unzureichender Finanzierung durch Bund und Land“. Polta räumte ein, „die Sache hätte schon vor Jahren entscheiden werden müssen“. Ans Personal gewandt, sagte er: „Alle Mitarbeitenden aus Giengen werden auf dem Schlossberg gebraucht.“ Zugleich bezweifelte er, dass sich ein Investor für den Betrieb in dem sanierungsbedürftigen Gebäude finden lasse.

OB Henles Antrag auf Aufschub wurde abgelehnt

Giengens OB Henle, zugleich Kreisrat der Freien Wähler, hielt in seinem Wortbeitrag an der Überzeugung fest, dass sich die Einrichtung „mit all ihrem Potenzial weiterentwickeln“ ließe und privat betreiben lasse. Henle beantragte daher, die Entscheidung zurückzustellen, „bis gegebenenfalls durch einen privaten Betreiber eine Alternative für den Landkreis erarbeitet ist“.

Schon in der Annahme, dass der Antrag keine Mehrheit finden würde (er wurde mit 24 Gegenstimmen und zehn Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt), ergänzte Henle, er bitte „alle eindringlich, die Entscheidung über eine Schließung zu einer persönlichen Gewissensentscheidung zu machen. Wirtschaftliche Überlegungen sind wichtig, aber nicht hinreichend“. Die Stadt Giengen habe bereits „erfolgreich Gespräche mit Investoren aufgenommen“, die eine private Rehaklinik betreiben könnten. Dies bekräftigte Henle am Dienstag auch in der jährlichen Pressekonferenz zum Jahresabschluss in Giengen.

Dann muss man die Hosen runterlassen.

Bernhard Ilg, CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag

CDU-Fraktionschef Bernhard Ilg war von solchen Aussagen nicht begeistert. „Wenn private Investoren da sind, dann muss man die Hosen runterlassen“, sagte Ilg und betonte, potenzielle Investoren würden im Landkreis auf „faire Gesprächspartner“ treffen. Die Giengener Rehaklinik sei mit ihren 30 Plätzen auf Dauer zu klein, das bedeute aber nicht, dass man den Patienten nicht gerecht werde.

Reha-Einsparung soll helfen, das Klinikum Heidenheim zu sichern

„Eine Schließung ist nie populär“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Margit Stumpp und erwiderte in Henles Richtung: „So zu tun, als ob wir unser Gewissen ablegen, ist unangemessen.“ Die Schließung der Giengener Einrichtung sei „der einzige Weg, der die Versorgung der gesamten Kreisbevölkerung sichert“, sagte Stumpp mit Blick auf die Finanzen des Klinikums Heidenheim, das in diesem Jahr ein millionenschweres Defizit erwirtschaften wird. Diesen Punkt verdeutlichte die Kreisrätin noch: „Ohne unsere Beiträge aus dem Kreishaushalt wäre das Klinikum in kürzester Zeit pleite.“ Im Vordergrund stehe daher, das Klinikum stabil zu halten. „Ich hoffe, dass wir in Zukunft nicht noch schwierigere Entscheidungen zu treffen haben“, schloss Stumpp.

Gaby Streicher von der SPD-Fraktion im Kreistag wies darauf hin, es gebe im Klinikum „auch andere defizitäre Abteilungen“, der Rehaklinik werde das Minus nun aber angekreidet. Ihren Fraktionskollegen Rudi Neidlein trieb die Sorge um, es werde nun erstmals eine Hürde übersprungen: „Was ist beim nächsten Mal, wenn wir wieder ein Defizit haben? Was hindert uns dann, dort auch zu schließen?“ Der „Heidenheimer Weg“ eines kommunal finanzierten Klinikums sei dann Makulatur. Walter Macher, ebenfalls SPD, erklärte, seine Fraktion sei sich uneins. Für ihn stehe das Klinikum an oberster Stelle, „und das sehe ich in Gefahr“. Und weiter: „Wir kommen um diese schwere Entscheidung nicht herum.“

Was geschieht mit der Immobilie?

Nach dem beschlossenen Aus für die Giengener Rehaklinik wird sich die Frage nach der künftigen Nutzung des Gebäudes stellen, das zur Klinikgesellschaft gehört. Die Gerüchteküche in Giengen mutmaßt bereits, die Immobilie solle zur Unterbringung Geflüchteter dienen. Das wiederum schließt OB Dieter Henle zum aktuellen Zeitpunkt aus und führt an, es gebe auch in dieser Hinsicht bereits Gespräche. Spruchreif sei aber noch nichts.

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