Vor der Entscheidung

Warum die Giengener Rehaklinik in den roten Zahlen steckt

Das Defizit ist hoch, es gibt einen Investitionsstau: Die wirtschaftliche Situation der Giengener Rehaklinik hat sich verschlechtert. Eine Schließung würde eine Patientengruppe hart treffen.

Warum die Giengener Rehaklinik in den roten Zahlen steckt

Am Montag berät der Verwaltungsausschuss des Kreistages über die Schließung der Rehaklinik in Giengen. Der Fahrplan ist gemäß Drucksache 190/2023 klar: Ziel ist die „Reduktion des Defizits der Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH“, der Kreistag möge die Schließung der Rehaklinik bis zum 31. März 2024 beschließen. Final wird sich das Gremium am 18. Dezember damit befassen.

In dem sechsseitigen Dokument werden vor allem die wirtschaftlichen Gründe dargelegt, die vor gut einer Woche den Aufsichtsrat der Klinikgesellschaft dazu bewogen haben, die Schließung zu empfehlen. Das Gebäude am Fuße des Schießbergs, in dem die 30 Betten und die Therapieräume untergebracht sind, entspreche nicht mehr den Anforderungen, „die heute für den Betrieb einer solchen Einrichtung“ gelten.

Vier Millionen Euro müssten in die Rehaklinik investiert werden

Den Investitionsbedarf beziffert die Landkreisverwaltung in ihrer Vorlage auf rund vier Millionen Euro in den nächsten Jahren. Die baulichen Schwachpunkte betreffen offenbar Punkte wie Brandschutz, Feuchtigkeit im Untergeschoss, aber auch die Tatsache, dass die Rehaklinik keinen barrierefreien Hauptzugang besitzt.

Einer aktuellen Hochrechnung zufolge wird die Rehaklinik dieses Jahr außerdem ein Defizit von 730.000 Euro einfahren. Das Minus ist nicht neu. Die Rehaklinik hat in der Vergangenheit immer wieder rote Zahlen geschrieben. Die Geriatrische Rehaklinik in Giengen sei „viel zu klein, um wirtschaftlich zu sein“, sagt Dr. Dennis Göbel, Geschäftsführer der Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH. Als vergleichsweise kleine Einrichtung bringe sie nicht die Erlöse, die sie für einen rentablen Betrieb erwirtschaften müsste.

Dabei wurde noch vor Jahresfrist auch öffentlich über eine Erweiterung nachgedacht. „Wir haben das geprüft“, bestätigt Göbel. Eine Erweiterung des früheren Krankenhauses habe sich aber nicht gerechnet. Ähnlich verlief es mit weiteren Optionen: Man habe einen Neubau „auf der grünen Wiese“ in Heidenheim kalkuliert und sich auch Angebote von Investoren erstellen lassen, von denen man eine neugebaute, größere Rehaklinik hätte mieten können. Nichts davon erwies sich als profitabel. Den Modellrechnungen zufolge, die der Sitzungsvorlage beiliegen, sind diese Lösungen noch verlustreicher als der aktuelle Betrieb in Giengen.

Giengens OB Dieter Henle sieht Nachteile für die Patienten

Als praktisch umsetzbar erschien Göbel zufolge, die Rehaklinik räumlich ins Heidenheimer Klinikum zu integrieren. Im Zuge des ohnehin laufenden Umbaus wäre dafür ausreichend Platz entstanden. Kalkuliert wurde demnach eine Erweiterung auf 60 Betten, diese Maßnahme wäre aber nicht förderfähig und würde zu weiterem Defizit führen.

Der Wegfall der seit 25 Jahren in Giengen bestehenden Einrichtung hätte vor allem Auswirkungen auf Patientinnen und Patienten. „Man kann das Bestehen einer solchen Einrichtung nicht nur betriebswirtschaftlich betrachten“, warnt Giengens Oberbürgermeister Dieter Henle auf Anfrage der HZ. Die Situation für geriatrische Patienten werde sich „bei einem Wegfall der Reha Giengen deutlich verschlechtern“, glaubt Henle und fügt hinzu: „Aus meiner Sicht ist das nicht akzeptabel.“

Die notwendige Versorgung älterer Menschen „ist eindeutig unsere Aufgabe, völlig unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen“, so Henle, der selbst für die Freien Wähler im Kreistag sitzt. Der OB geht zudem davon aus, dass „der Bedarf an geriatrischer Rehabilitation vor dem Hintergrund des demografischen Wandels deutlich steigen wird“. Und er kritisiert, dass nicht schon in der Vergangenheit „gezielt“ in die Klinik investiert wurde.

Bei der Frage, wie das Klinikareal nach einer Schließung genutzt werden könnte, bleiben die offiziellen Aussagen noch vage. In der Sitzungsvorlage steht, das Gebäude könnte „sodann anderweitig verwertet werden“. OB Dieter Henle bestätigt, es gebe „verschiedene mögliche Wege, die wir mit zugehörigen Gesprächspartnern prüfen“. Genaueres „kann und möchte“ Henle aktuell nicht sagen und verweist auf das erste Quartal 2024. Dann sollen „belastbare Ergebnisse der perspektivischen Analysen“ vorliegen.

Das Land Baden-Württemberg wollte die Geriatrie fördern

Zumindest eine Mitschuld an der Lage sehen die Beteiligten bei den Kostenträgern, den Krankenkassen. „Die Tagessätze decken nicht die steigenden Kosten ab“, sagt Göbel. Die jüngsten Tariflohnerhöhungen zum Beispiel spiegelten sich in den aktuellen Tagessätzen teils nur zur Hälfte wider. Das Argument der Kassen sei dagegen klar, berichtet Göbel: „Sie sagen, die anderen kommen damit auch zurecht.“

Im Aufsichtsrat des Klinikums, der am Freitag vergangener Woche die Empfehlung für eine Schließung aussprach, wurde das Pro-Argument der wohnortnahen Versorgung intensiv diskutiert. Das berichten mehrere Teilnehmer der nichtöffentlichen Sitzung übereinstimmend. 2014 habe die Landesregierung auch genau dies in ihr Geriatriekonzept geschrieben, sagt Göbel.

Dort heißt es: „Die ambulante, mobile und stationäre geriatrische Rehabilitation sind wesentliche Säulen in der Sicherung der Lebensqualität älterer Menschen. Sie sollen regelhaft wohnortnah erfolgen, um die Verankerung in Familie und Wohnort zu erhalten und die Angehörigen in den Rehabilitationsprozess einzubeziehen.“ „Es steht auch drin, dass die Krankenkassen für auskömmliche Finanzierung zu sorgen haben“, fügt Göbel hinzu. Es klingt nicht, als habe er in diese Richtung noch viel Hoffnung. Im Wortlaut des Landeskonzepts heißt es: „In der geriatrischen Rehabilitation ist eine ausreichende Finanzierung sicherzustellen. Die gesetzlichen Krankenkassen bekennen sich zu ihrer Struktur- und Finanzierungsverantwortung.“

Klinikchef schließt Kündigungen aus

Das vielleicht wichtigste Signal betrifft das Personal der Rehaklinik: „Alle haben von uns die Garantie erhalten, dass sie weiterbeschäftigt werden“, sagt Dr. Dennis Göbel, Geschäftsführer der Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH. Das bedeutet: Sollte die Klinik an der Hirschstraße tatsächlich geschlossen werden, könnten alle Beschäftigten neue Stellen auf dem Heidenheimer Schlossberg finden. Dort könnte Göbel zufolge die Akutgeriatrie gestärkt werden. 19 Vollzeitstellen bietet die Rehaklinik aktuell, einschließlich der Teilzeitbeschäftigten arbeiten rund zwei Dutzend Menschen dort, rund die Hälfte von ihnen im Pflegebereich.

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