Neun Monate auf Bewährung

Warum ein Giengener seiner betagten Nachbarin mit einem Stock auf den Kopf schlug

Sie kannten sich als Nachbarn, bis ein 63-Jähriger im März seine heute 83-jährige Nachbarin attackierte und am Kopf verletzte. Nun musste sich der Giengener dafür vor Gericht verantworten.

Es dürfte gesellschaftlicher Konsens sein, dass es für einen Mann keinen Grund gibt, eine mehr als 80 Jahre alte Frau mit einem Holzstock zu schlagen und zu verletzen. Das sah am Montag am Heidenheimer Amtsgericht auch Richter Dr. Christoph Edler so: „Eine gebrechliche Person zu schlagen – das ist doppelt nicht in Ordnung.“ Ein echter Anlass für die Tat war nicht zu finden. Für neun Monate wird der 63-Jährige wegen dieser gefährlichen Körperverletzung in Haft müssen, wenn er im Bewährungszeitraum noch einmal ausrastet.

In der Verhandlung räumte der Giengener die Tat weitgehend ein. Bis es zu diesem Geständnis kam, mussten die Prozessbeteiligten allerdings Geduld beweisen. Zum Prozessbeginn erschien der Angeklagte nicht, woraufhin Richter Edler kurzerhand zum guten, alten Tastentelefon griff und das Polizeirevier Giengen bat, den Mann auf schnellstem Wege beizubringen. „Ich hab’s total vergessen“, lautete seine Entschuldigung, als er gut eine Stunde später schließlich neben seinem Verteidiger Platz nahm.

Unvermittelt schlug er seine Nachbarin

Am 5. März dieses Jahres, so die Anklage, hatte der Giengener an der Tür seiner Nachbarin geklopft und der Frau, als sie öffnete, mit einem Holzstock auf den Kopf geschlagen. Die aus der Ukraine stammende Rentnerin erlitt dabei eine stark blutende Platzwunde. Danach habe er sein gestürztes Opfer mit weiteren Schlägen gegen den Körper malträtiert.

Den ersten Schlag gab der 63-Jähre ohne größere Umschweife zu. „Das hat mir auch gleich total leidgetan“, fügte er hinzu. Weitere Schläge stritt er aber ab, er habe vielmehr versucht, seinem Opfer aufzuhelfen. Wie es zu dem Übergriff kam, konnte der Angeklagte nicht ganz schlüssig erklären. Man habe sich als Nachbarn gekannt, die alte Dame habe hin und wieder seine Hunde gefüttert, sie aber auch geschlagen. Ihn selber habe sie als Nazi bezeichnet. An jenem Abend im März brannte ihm dann offenbar eine Sicherung durch. Wie praktisch jeden Tag habe er sechs bis acht Bier getrunken.

In ihrer von einer Dolmetscherin übersetzten Aussage bekräftigte die Geschädigte die Vorwürfe. Der Nachbar habe ihr unmittelbar nach dem Öffnen der Tür auf den Kopf geschlagen und dann versucht, sie in die Wohnung zu zerren. Sie habe bis heute Schmerzen und Angst. „Warum haben Sie das gemacht?“, fragte sie den Täter, als er sich in der Verhandlung bei ihr entschuldigen wollte. Sie wisse gar nicht, was der Begriff „Nazi“ bedeute.

Der Angeklagte war vorher nie aufgefallen

Eine 68-jährige Nachbarin bekam den Tumult mit und eilte zu Hilfe. Noch während sie sich um die Verletzte kümmerte, sei der Täter erneut erschienen und habe nach seinem Stock verlangt. Von Beleidigungen im Vorfeld habe sie jedoch nie etwas mitbekommen.

Seine Entschuldigung und die Tatsache, dass der Mann zuvor nie vor Gericht gestanden hatte, hielten ihm Verteidiger wie Staatsanwältin gleichermaßen zugute. Die Vertreterin der Anklage erkannte in seinem Vorgehen allerdings „große kriminelle Energie“ und Gewaltpotenzial. Sie forderte eine Haftstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, sowie die Auflage, 120 gemeinnützige Arbeitsstunden abzuleisten.

Der Verteidiger wollte nicht glauben, dass sich der Konflikt nicht über einen längeren Zeitraum angebahnt hatte. Gewaltpotenzial wollte er aus dem Verhalten seines Mandanten dagegen nicht ableiten, vielmehr müsse dessen Alkoholproblem in den Blick gerückt werden.

Richter Edler verhängte eine Bewährungsstrafe von neun Monaten, der Mann muss zudem 50 Sozialstunden leisten. Sein Vorgehen sei „nicht erklärlich“, er habe sich hinreißen lassen. Edler wollte in seiner Begründung nicht ausschließen, dass der anhaltende Alkoholkonsum mit zu der Tat geführt haben könnte. Auch deshalb wird der 63-Jährige in den kommenden Jahren regelmäßigen Kontakt zu einem Bewährungshelfer pflegen müssen, „damit nichts entgleitet“.

Was ist gefährliche Körperverletzung?

Als gefährliche Körperverletzung gilt ein Angriff gegen einen Menschen im Strafrecht unter anderem dann, wenn bei der Tat ein Gegenstand verwendet wird. Das kann ein Stock ebenso sein wie ein Messer oder beispielsweise Pfefferspray. Die Schwere der Verletzungen ist dabei nicht entscheidend.

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