Im Vergleich zu anderen Kommunen im Landkreis nimmt die Stadt Giengen vergleichsweise wenig Gewerbesteuer ein – trotz namhafter Betriebe im Stadtgebiet. Für das laufende Jahr etwa rechnet die Kämmerei mit 5,8 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen. 2023 waren 5,5 Millionen Euro angesetzt. Zum Vergleich: Die nach Einwohnerzahlen bemessen um ein Drittel kleinere Nachbarstadt Herbrechtingen erwartet für dieses Jahr 7,6 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer, das nur gut 4400 Einwohner zählende Dischingen kalkuliert mit zwei Millionen Euro – und das nur, weil auch dieses Jahr keine Zahlungen von Varta erwartet werden, dem sonst größten Gewerbesteuerzahler der Gemeinde.
Warum also fällt die Gewerbesteuer in Giengen trotz weithin bekannter Unternehmen wie BSH und Steiff oder den namhaften Firmen in den Gewerbegebieten an der A7 so verhalten aus? Vorab: Genaue Zahlen, welches Unternehmen wie viel Steuer zahlt, gibt es öffentlich nicht. Die Gewerbesteuerzahlungen unterliegen dem Steuergeheimnis. Oberbürgermeister Dieter Henle und Kämmerer Dr. Martin Brütsch ordnen die öffentlich verfügbaren Daten auf HZ-Anfrage jedoch ein.
Großunternehmen zahlen nicht zwingend viel Gewerbesteuer
Innerhalb der vergangenen zehn Jahre habe sich die Verteilung des gesamten Gewerbesteueraufkommens innerhalb der gewerbesteuerpflichtigen Betriebe und Unternehmen verschoben, teilen Henle und Brütsch mit. Das bedeutet, dass große Unternehmen nicht zwangsläufig den Löwenanteil der Gewerbesteuer beitragen. Die wirtschaftliche Situation von Großbetrieben habe sich „teilweise verändert“, auch wurden zum Teil Konzernstrukturen angepasst oder Konzerne vergrößert.
Was die Einschätzung der Gewerbesteuereinnahmen kompliziert macht, ist die Tatsache, dass diese Steuer nicht zwangsläufig dort bezahlt werden muss, wo ein Unternehmen seine Produktionshallen oder seine Hauptverwaltung betreibt. Die beiden Verwaltungsfachleute erklären: „Es ist nicht so, dass ein Unternehmen mit mehreren Standorten die gesamte Gewerbesteuer am Unternehmenssitz abführt.“ In Unternehmen, die mehrere Standorte unterhalten, bemesse sich die zahlende Gewerbesteuer zu rund 90 Prozent an der Summe der Löhne und Gehälter am jeweiligen Standort. Die Steuerzahlungen seien auch von der Art des Betriebs abhängig, es gebe Unterschiede bei mehr oder weniger lohnintensiven Produktionsstätten.
Konzerne können Gewinne und Verluste der Standorte miteinander verrechnen
Unabhängig von der Anzahl der Standorte, so Henle und Brütsch weiter, könnten auch rechtlich unabhängige Unternehmen innerhalb einer Konzernstruktur zusammengefasst werden. Die einzelnen Einheiten des Unternehmens könnten dann ihre Gewinne und Verluste miteinander verrechnen. Das wiederum wirke sich auf die Höhe der Gewerbesteuer an allen Standorten aus. Sprich: Theoretisch kann ein Unternehmen an einem Standort höchst erfolgreich agieren und trotzdem wenig Gewerbesteuer zahlen, weil Verluste an anderen Standorten eingerechnet werden.
In den vergangenen Jahrzehnten unterlag das Gewerbesteueraufkommen in Giengen großen Schwankungen. Beim heutigen Hebesatz von 370 Prozent des Steuermessbetrags, den Gemeinderat und Verwaltung seit 2004 unverändert gelassen haben, wurden etwa 2005 nur 3,4 Millionen Euro Gewerbesteuer eingenommen, 2011 waren es dagegen 9,6 Millionen. 2013 fiel das Rechnungsergebnis in dieser Hinsicht sogar negativ aus, das Minus bei der Gewerbesteuer lag bei 233.000 Euro. Damals hatten nicht erwartete Rückzahlungen an BSH den Planansatz von 7,2 Millionen Euro zunichtegemacht. Die Stadt musste mit einer Haushaltssperre reagieren.
Für konkrete Aussagen ist es zu früh.
Dieter Henle, Oberbürgermeister
Wie genau sich die Firmenansiedlungen im Giengener Industriepark an der A7 mittel- oder langfristig auf die Gewerbesteuereinnahmen auswirken werden, ist noch unklar. Die Verwaltungsspitze ist jedoch überzeugt, dass „im GIP A7 zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen für Giengen“ entstehen werden. OB Henle betont aber: „Für konkrete Aussagen ist es zu früh, da die Unternehmen erst seit Kurzem hier angesiedelt sind beziehungsweise sich erst noch ansiedeln.“ Um die Situation beurteilen zu können, brauche die Stadt die sogenannten Gewerbesteuermessbescheide, die zeitverzögert über das Finanzamt eingingen.
Wirkt sich der Industriepark auf Einkommensteuereinnahmen aus?
Eine prosperierende Wirtschaft vor Ort wirkt sich noch auf eine weitere lokale Einnahmequelle aus, nämlich den kommunalen Anteil an der Einkommensteuer. Dieser kommt dem Wohnort der Steuerpflichtigen zugute. Dass an der Autobahn neue Arbeitsplätze entstanden sind, bedeutet daher nicht, dass die Stadt Giengen dadurch automatisch einen höheren Anteil an der Einkommensteuer erhält. Dies wäre dann der Fall, wenn Beschäftigte von Firmen im GIP A7 auch tatsächlich neu nach Giengen ziehen oder Giengener Bürgerinnen und Bürger durch einen Job im Industriepark mehr verdienen würden als zuvor. „Berechnen oder prognostizieren können wir die Entwicklung jedoch nicht, da wir weder die Wohnorte der Mitarbeitenden im GIP A7 noch ihre Einkommenshöhe kennen“, erklärt OB Dieter Henle.
Wer muss Gewerbesteuer zahlen?
Die Gewerbesteuer beträgt in der Bundesrepublik regelmäßig 3,5 Prozent des Gewerbeertrages – dabei versteuern Kapitalgesellschaften den vollen Gewinn abzüglich beziehungsweise zuzüglich bestimmter Beträge. Einzelunternehmen und Personengesellschaften können einen Freibetrag von 24.500 Euro geltend machen. In Kommunen mit einem sehr hohen Anteil an Einzelunternehmen und Personengesellschaften wirkt sich dieser Freibetrag entsprechend auf die Höhe der Gewerbesteuer aus.
Die Höhe der Gewerbesteuer wird zudem vom in der Kommune gültigen Hebesatz beeinflusst. Er beträgt mindestens 200 Prozent des Gewerbesteuermessbetrages. In Giengen liegt er aktuell bei 370 Prozent.
Jetzt neu: Die HZ auf WhatsApp - hier klicken und aktuelle News aufs Handy bekommen.
undefinedundefined