Hilfe für Helfer

Warum Pfarrer Mathias Michaelis aus Giengen jetzt Feuerwehrmann ist

Der katholische Pfarrer Mathias Michaelis unterstützt als Fachberater Seelsorge die Feuerwehr Giengen, um psychische Belastungen bei Einsätzen zu mindern. Dafür erlernt er auch das Handwerk der Feuerwehrleute.

Mathias Michaelis, Pfarrer der katholischen Heilig-Geist-Gemeinde Giengen, bringt sein neues Ehrenamt griffig auf den Punkt: „Die Seele soll nicht Feuer fangen.“ Im Februar wurde Michaelis in die Freiwillige Feuerwehr Giengen aufgenommen, dort wird er als Fachberater Seelsorge arbeiten. In herausfordernden Einsätzen, aber auch vorbeugend, soll er den Feuerwehrleuten zur Seite stehen, damit keine dauerhaften Belastungen entstehen.

Fachberater sind im Feuerwehrwesen nichts Unbekanntes. Treten beispielsweise bei einem Unfall zunächst nicht zu bestimmende Chemikalien aus, wird ein Experte als Fachberater hinzugezogen. Ein Fachmann, der sich in den eigenen Reihen um die seelische Gesundheit der Einsatzkräfte kümmert, ist im Landkreis aber noch ein Novum.

Arbeit unter Stress, die Anspannung beim Arbeiten unter Blaulicht und Martinshorn – das ist Pfarrer Michaelis nicht fremd. Seit seinem 16. Lebensjahr war der heute 43-Jährige in der heimischen DRK-Bereitschaft tätig, er hat den Beruf des Gesundheits- und Krankenpflegers erlernt, bevor er sein Theologiestudium antrat. Seit 2021 ist er Leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit „Unteres Brenztal“ und sowohl kreisweit als Notfallseelsorger aktiv als auch Mitglied des Einsatzkräfte-Nachsorge-Teams um Pfarrer Rolf Wachter (Heuchlingen-Heldenfingen).

Pfarrer Michaelis macht die Grundausbildung

Michaelis betont im Gespräch, dass seine neue Funktion innerhalb der Feuerwehr Giengen keine Konkurrenz zum bestehenden System aus psychosozialer Notfallversorgung und Einsatzkräfte-Nachsorge darstellt. Er sieht sich vielmehr in einer Scharnierfunktion. Einerseits will er in den Feuerwehrabteilungen präventiv tätig sein, andererseits im Einsatzgeschehen wachsam sein und mögliche Belastungen frühzeitig erkennen.

Damit der Pfarrer das Handwerk der Feuerwehr noch besser kennenlernt, wurde er nicht nur in die Organisation aufgenommen, sondern wird auch eine Grundausbildung und einen Sprechfunkerlehrgang absolvieren. Damit wird der Geistliche auch als reguläre Einsatzkraft alarmiert werden können, aber das ist nicht der Kern seiner Funktion. Dennoch ist es ihm wichtig, Teil der Mannschaft zu sein und die Menschen gut zu kennen. So könne er auch wahrnehmen, wie ein bestimmtes Einsatzgeschehen auf eine Kameradin oder einen Kameraden wirkt.

Man wisse heutzutage viel über Trauma-Mechanismen, sagt der Pfarrer. Er sei damit vertraut und könne entsprechend reagieren, aber auch im Vorfeld sensibilisieren. Daher soll der Fachberater Seelsorge auch vorbeugend agieren, zum Beispiel in der Ausbildung von Führungskräften. Auch die Vermittlung von Methoden zur Entspannung kann dazugehören. In besonderen Lagen wird zudem wie bisher die Notfallseelsorge und die Einsatzkräfte-Nachsorge hinzugerufen. Mit beiden Organisationen wurde die Installation des Fachberaters Seelsorge im Vorfeld auch abgestimmt. „Es ist nicht die Frage, ob es mich braucht, sondern wann“, sagt Michaelis. Er sei natürlich froh, wenn sein Pieper ruhig bleibt – wenn der Alarm aber ertönt, ist er bereit.

Helfen, bevor Belastung entsteht

„Wir werden ihn nicht zur Beseitigung einer Ölspur rufen“, sagt Kommandant Jürgen Vogt. Vorgesehen ist vielmehr, dass Michaelis bei bestimmten Einsatzstichworten zunächst ins Feuerwehrmagazin oder direkt an die Einsatzstelle gerufen wird. Verkehrsunfälle, bei denen Verletzte aus Fahrzeugwracks befreit werden müssen, oder Brände, bei denen Menschen in Lebensgefahr sind, können dazugehören. In solchen Fällen ist der Pfarrer dann Teil der Einsatzleitung und achtet gemeinsam mit den Führungskräften darauf, dass belastende Eindrücke möglichst gering gehalten werden. Dazu kann beispielsweise auch gehören, vor der Bergung eines Leichnams kurz mit den Kräften zu sprechen, die die Aufgabe übernehmen werden.

Vogt versteht es als Teil seiner Fürsorgepflicht für die ehrenamtlichen Feuerwehrleute, einen Fachberater für das psychische Wohl anzubieten. Es müsse nicht immer ein herausragendes Ereignis sein, das bei einem Menschen zur Überlastung führt. „Es ist ein Fass, das sich langsam füllt“, sagt Vogt. Das Überlaufen wollen sie verhindern. Das Feedback der Einsatzkräfte sei „wirklich gut“. In den bisherigen Fällen, in denen das Einsatzkräfte-Nachsorge-Team eingesetzt wurde, hat es sich in der Mannschaft herumgesprochen, dass das Gespräch über belastende Einsätze sinnvoll ist.

Die Idee für die Funktion des Fachberaters Seelsorge entstand im vergangenen Jahr. Pfarrer Michaelis war mit einem Team von Notfallseelsorgern nach einem tödlichen Unfall in Giengen tätig geworden. Er und Kommandant Vogt kannten sich schon von früheren Einsätzen, im Gespräch entstand die Idee, die Seelsorge speziell für Giengen aufzusetzen. „Ich bin sehr dankbar, dass er das übernimmt“, sagt Vogt.

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