Warum vorm Giengener Rathaus zwei neue Flaggen hängen
Es war ein Schock für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sowie auch für die Verwaltung der Stadt Giengen, als am Samstag, 21. Oktober, deutlich wurde, dass Täter in der Nacht zuvor die Flaggen der Ukraine und Israels vor dem Rathaus abgerissen, Scheiben im Ausländeramt eingeschlagen und Feuerwerkskörper dort hineingeschossen hatten. Nur durch großes Glück kam es dabei nicht zu massiven Schäden am Gebäude. Am vergangenen Freitag wurden, wie die Stadtverwaltung nun mitteilt, die reparierten Flaggenmasten installiert, am 13. November hissten OB Dieter Henle und Bürgermeister Alexander Fuchs die zugehörigen Flaggen: erneut die Flagge der Ukraine und dazu die „Mayors for Peace“-Flagge im Sinne des Friedens auf aller Welt.
„Wir hatten nach dem 7. Oktober die Friedensflagge durch die israelische Flagge ersetzt, um unsere Solidarität mit den Opfern des brutalen Massakers der Hamas deutlich zu machen“, so OB Dieter Henle. „Die Hamas hat unschuldige Menschen in Israel – unter anderem junge Leute auf einem Musikfestival – wahllos und auf furchtbare Art getötet, gequält, entführt. Das ist unverzeihlich. Gleichzeitig hat die Hamas damit auch ihre friedlichen palästinensischen Mitbürgerinnen und MItbürger in eine schreckliche Situation gebracht.“
Nicht mit allen Entscheidungen Israels solidarisch
Nach dem Anschlag aufs Rathaus entschied sich die Stadtspitze daher, wieder die Friedensflagge zu hissen, auch wenn Teile der Bevölkerung das als Zurückweichen interpretierten und obwohl die Position der Stadt im Hinblick auf die Opfer unverändert ist. In persönlichen Briefen hatte der Oberbürgermeister die Beweggründe dafür wie folgt erklärt: „Die israelische Flagge war als unmittelbare Reaktion auf das Massaker der Hamas gedacht – als Andenken an die vielen unschuldigen israelischen Opfer. Die Flagge Israels auf Dauer vor unserem Rathaus zu belassen, würde aus unserer Sicht jedoch bedeuten, dass wir uns mit sämtlichen Entscheidungen des Staates Israel und seiner militärischen Institutionen solidarisch erklären. Dem ist nicht so: Die Stadt Giengen tritt in erster Linie für den Frieden in aller Welt ein – zu erkennen unter anderem an der seit Jahren an diesem Platz befindlichen „Mayors for Peace“-Flagge.
In einem Leserbrief in der HZ am vergangenen Freitag wurde diese Argumentation – so die Ansicht der Stadtverwaltung – bruchstückhaft zitiert und wie folgt interpretiert: „Die Solidarität mit den Opfern endet also, wenn eine Gruppe sich politisch nicht so verhält, wie wir in Deutschland es erwarten.“
Dieser Interpretation schließt sich die Stadt Giengen laut Rathaus in keiner Weise an. Vielmehr, so der Oberbürgermeister, ende nicht die Solidarität mit den Opfern, es bleibe die Solidarität mit den Opfern in Israel und den Kriegsopfern in aller Welt – auch mit denen in Gaza, die unter der Reaktion Israels auf den Überfall der Hamas im Kriegsgeschehen nun ebenfalls Vertreibung, Tod und Verletzungen erleiden müssen: „Wir treten für Frieden und Friedfertigkeit ein – dafür, gemeinsam in Frieden zu leben. Geht es also darum, auf die eigene Stadt stolz sein zu wollen, wie es der Autor angesichts der israelischen Flagge war, bleibt die Frage, ob man nicht auch auf ein unmissverständliches Bekenntnis zum Frieden stolz sein kann.“