Mehr Listenplätze, weniger Interesse

Womit die Fraktionen bei der Suche nach Kandidaten für die Kommunalwahl 2024 in Giengen zu kämpfen haben

Wer vertritt künftig die Bürgerinnen und Bürger Giengens im Gemeinderat? Nächstes Jahr am 9. Juni wird das Gremium neu gewählt. Doch die Suche nach Kandidaten fällt nicht allen Fraktionen leicht.

Womit die Fraktionen bei der Suche nach Kandidaten für die Kommunalwahl 2024 in Giengen zu kämpfen haben

Noch scheint das Datum sehr weit weg: 9. Juni 2024. Dann werden die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden von Baden-Württemberg zur Wahlurne gebeten. Bei der Kommunalwahl werden auch die Einwohner Giengens darüber entscheiden, wer künftig im Gemeinderat sitzen und deren Interessen vertreten soll. Um eine Wahl zu haben, braucht es aber erst mal Kandidatinnen und Kandidaten, die sich für das Gremium aufstellen lassen. Und so betrachtet ist das Datum dann doch gar nicht mehr allzu weit weg - die Fraktionen jedenfalls stecken mittendrin in der Suche nach Bürgerinnen und Bürgern, die sich vorstellen können, im Juni mit auf der Liste zu stehen.

Zwei Sitze kommen hinzu

Momentan besteht der Giengener Gemeinderat neben Oberbürgermeister Dieter Henle als Vorsitzendem des Gremiums aus 26 ehrenamtlichen Mitgliedern: 12 Frauen und 14 Männer bringen sich seit 2019 ein, um Giengens Zukunft mitzugestalten. Neun Mitglieder entfallen auf die Fraktion CDU-Wählerblock, acht auf die SPD-Fraktion, weitere acht auf die Fraktion Unabhängige/Grüne und ein Mitglied ist fraktionslos. Nach der Wahl im kommenden Jahr wird es im Sitzungssaal allerdings etwas anders aussehen, dann wird das Gremium noch zwei Sitze hinzubekommen. Dafür ausschlaggebend war eine lange Diskussion um die Abschaffung der unechten Teilortswahl, die jedem Teilort Sitze garantiert. Letztlich einigte sich das Gremium auf die zwei extra Sitze, die Teilorte Hohenmemmingen und Sachsenhausen werden dabei zu einem Wohnbezirk zusammengelegt.

SPD-Fraktionsvorsitzende Gaby Streicher. Marc Hosinner

SPD-Fraktionsvorsitzende Gaby Streicher erklärt, dass die Beibehaltung der unechten Teilortswahl und die damit verbundene Vergrößerung des Gremiums bei der Suche nach Kandidaten erschwerend hinzukommt: "Es sind noch mehr Listenplätze als vorher zu besetzen. Im Moment sehe ich noch nicht, dass es uns gelingt, alle Plätze zu besetzen", sagt sie deutlich, ergänzt aber: "Wir haben ja noch ein paar Wochen."

Derzeit laufe die Suche nicht wesentlich anders als 2019, allerdings im negativen Sinn: "Die sinkende Bereitschaft, sich längerfristig zu engagieren, ist ja schon länger zu beobachten. Nachwuchsprobleme kennen auch Vereine und Organisationen. Die spontane Bereitschaft ist zurückgegangen, ich habe selten das Gefühl, dass da jemand darauf gewartet hat, dass er endlich gefragt wird", beschreibt Streicher. Bisher habe die Fraktion bei den meisten ihrer früheren Kandidaten nachgefragt, zudem in den eigenen Wirkungskreisen durch den Beruf oder das eigene Hobby beziehungsweise Ehrenamt. "Die Spanne reicht dabei vom sofortigen Ja bis zum Nein nach längerem Zögern. Mir begegnet grundsätzliche Ablehnung eher selten, eher viele Bedenken." Gerade bei Menschen, die ohnehin schon engagiert sind, gebe es Bedenken wegen des hohen Zeitaufwands als Stadträtin oder Stadtrat. Dabei betont Streicher, dass man diesen Aufwand über die Zahl der Ausschüsse, Beiräte und Lenkungsgruppen durchaus steuern könne.

Mangelndes Zutrauen in politische Fähigkeiten

Zeit alleine sei aber nicht das Problem, so die Fraktionsvorsitzende: "Ein weiterer Punkt ist das mangelnde Zutrauen in die eigenen politischen Fähigkeiten. Aber man muss kein Fachmann oder keine Fachfrau sein, weder Rhetorikkurse noch Finanzseminare besucht haben." Voraussetzung sei eigentlich nur „Interesse an der Entwicklung der Stadt für ihre Bürger“, der Rest ergebe sich durch „learning by doing“, und dadurch, dass man fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehe.

Im Hinblick darauf, dass im kommenden Jahr erstmals Jugendliche ab 16 gewählt werden können, betont Streicher: "Uns ist wichtig, dass der Gemeinderat so weit als möglich die Bevölkerung repräsentiert. Das ist uns mit dem Frauenanteil bereits gelungen. Noch nicht gelungen ist uns dies mit der Altersmischung. Die älteren Semester sind deutlich überrepräsentiert, was aber Ausdruck des Wählerverhaltens ist. Wir hatten 2019 mehrere Kandidaten unter 30, die aber nicht zum Zuge gekommen sind." Daher spreche die SPD selbstverständlich auch junge Leute an. "Da wir aber nicht alle persönlich ansprechen können, würde es uns sehr freuen, wenn junge Menschen uns ansprechen", so Streicher.

Alexandra Carle, Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen/Grünen. Marc Hosinner

Auch Alexandra Carle, Vorsitzende der Fraktion Unabhängige/Grüne, hofft auf junge Leute auf der Liste. Ihre Fraktion spreche ebenfalls junge Leute an. "Ob letztlich davon welche auf der Liste stehen werden, kann nur der angefragte Kandidat sicher sagen", so Carle. Insgesamt laufe die Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten momentan "eher schleppend": "Bei mir persönlich ist es so, dass ich viel weniger Zeit aufbringen kann als bei der letzten Wahl", erklärt sie.

Verglichen mit der Suche 2019 empfindet sie es diesmal als schwerer, neue Kandidaten zu finden. "Die Menschen haben sehr viel weniger Interesse daran, sich einzubringen. Der Individualismus nimmt zu. Das ist vielleicht böse, aber es meckert sich leichter, wenn man selbst keine Verantwortung hat", beschreibt die Fraktionsvorsitzende. Zudem ist sie davon überzeugt, dass die Pandemie etwas mit den Menschen und ihrer Einstellung gemacht hat: "Es zählt mehr das Ich als das Wir", sagt Carle, und weiß auch: "Die, die sich ohnehin schon engagieren, können und wollen nicht noch mehr machen."

Elisabeth Diemer-Bosch, Fraktionsvorsitzende des CDU-Wählerblocks. Marc Hosinner

Etwas anders als ihre beiden Kolleginnen klingt Elisabeth Diemer-Bosch, Vorsitzende der Fraktion CDU-Wählerblock: "Die Kandidatensuche läuft wie vor fünf Jahren gut." Zwar sei es wie bei jeder Vorbereitung vor einer Wahl zeitaufwändig und die Gespräche mit den möglichen Kandidaten liefen immer etwas unterschiedlich, sie seien jedoch interessant und inhaltsreich. Bezogen auf die Jugendlichen ab 16 sagt sie: "Bei der Kandidatensuche haben wir auch Namen junger Menschen auf unserer Liste."

"Bis zum letztmöglichen Termin"

Wie lange wird es noch dauern, bis die Fraktionen ihre Listen einreichen? Elisabeth Diemer-Bosch (CDU) verweist auf den vorgegebenen Terminplan, laut Alexandra Carle (Unabhängige/Grüne) müsse die Fraktion das erst noch besprechen. Auch Gaby Streicher (SPD) verweist auf die vorgegebenen Fristen: "Wir werden uns die entsprechende Zeit nehmen und bis zum letztmöglichen Termin versuchen, unsere Listen zu vervollständigen." Festgelegt ist, dass die Wahlvorschläge spätestens am 73. Tag vor der Wahl eingereicht werden müssen, für die Kommunalwahl 2024 also spätestens am 28. März bis 18 Uhr.

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