Wenn das Jahr in Giengen so wird wie sein Neujahrskonzert, dann wird es so: heiter, spritzig, voller Leichtigkeit und guter Einfälle und vor allem von großem Können geprägt. „Welcome to Hollywood“ war der Titel, und da durfte zu Recht Filmmusik erwartet werden. Und das war ganz großes Kino, was die über 90 Musikerinnen und Musiker des Sinfonieorchesters der Städtischen Musikschule – bestehend aus ehemaligen Musikschülern und derzeitigen, Lehrern und Profis – aus diesem Thema gemacht haben. Was sich Marion Zenker für das Neujahrskonzert der Städtischen Musikschule am Samstagabend in der Walter-Schmid-Halle alles hat einfallen lassen, das ging weit über den musikalischen Genuss hinaus.
Mit einem Grollen fing es an, und zwar mit einem der berühmtesten Grollen der Musik- und auch Filmgeschichte: dasjenige, das in die zeitlose Erhabenheit von Richard Strauss' „Also sprach Zarathustra“ und damit in die berühmte „Odyssee im Weltraum“ mündet. Und angesichts der tadellosen Umsetzung blieb selbst Marion Zenker am Dirigentenpult kurz die Spucke weg: „Ich bin immer wieder begeistert, was das Orchester kann“. Und damit sprach sie sicher dem Publikum, das nur wenige Plätze frei gelassen hatte, aus dem Herzen. Was da geackert und gerackert wurde an den wenigen Probentagen, die die Musikerinnen und Musiker miteinander haben konnten, um solch eine Perfektion herzustellen, das mag man sich vorstellen.
Städtische Musikschule spielt synchron zur Filmszene
Ganz besonders deutlich wurde das Können beim Synchronspiel: Das Orchester untermalte die Filmsequenzen live mit der entsprechenden Musik. Das bedeutete ultimativen Zauber durch jedes passend zur Musik in Gang gesetzte Glitzern der Feen in „Fantasia“ zu Tschaikowskis „Tanz der Zuckerfee“ und kaum steigerbare Intensität bei „Married Life“ aus „Oben“ für das Publikum – für die Akteure einschließlich Dirigentin bedeutete das allerhöchste Konzentration, Fingerspitzengefühl und Virtuosität, damit auch jeder Ton richtig saß. Und das tat er – und allein das schon zeigt die besondere Qualität des Orchesters, dessen Mitgliedern über den ganzen langen Konzertabend von rund drei Stunden die große Freude am Tun anzumerken war.
Und wie im Kino gab es Action etwa bei „Drachenzähmen leicht gemacht“, monumentale Geschichten etwa bei „Der mit dem Wolf tanzt“, dessen Musik der Größe der Geschichte um nichts nachsteht, und die Musik mit all ihren Wechseln wurde ganz hervorragend interpretiert. Und zum musikalischen Genuss gab es noch Bilder aus dem Film über die eigentlich verbotene Freundschaft zwischen Wikingern und Drachen einerseits und dem Lieutenant und den Sioux andererseits, die dem Genuss noch eine weitere Dimension gaben.
Panther und traditioneller Walzer in der Walter-Schmid-Halle
So auch bei „Pink Panther“: Die berühmte Musik von Henry Mancini mit ihrer verheißungsvollen Spannung gewissermaßen auf leisen Panther-Pfoten verfehlte auch dieses Mal ihre Wirkung nicht, sondern sorgte für reichlich Spannung wie im Film. Und auch die Komik blieb nicht aus: Da tauchte doch tatsächlich – fein choreografiert zur Musik, versteht sich – Paulchen Panther auf und mit ihm ein Herr im Trenchcoat, der verblüffende Ähnlichkeit mit Inspektor Clouseau, Peter Sellers oder auch Christian Zenker hatte. Das war das Tüpfelchen auf dem i, und das Publikum quittierte es mit heller Freude und spontanem Applaus.
undefinedundefined„Weißt Du, wohin?“, dieser Text mag manch älterem Besucher bei der Musik aus „Doktor Schiwago“ in den Sinn gekommen sein. Das „Wohin“ ist beim Giengener Neujahrskonzert schnell beantwortet: auf die Tanzfläche. Der Walzer ist schließlich so etwas wie der Giengener Radetzky-Marsch – Tradition zum Neujahrskonzert. Und glücklicherweise gab es auch Paare, die diese Tradition aufrechterhielten. Minzschokolade servierte James-Christian zur Musik von „Downtown Abbey“ und Martini zum James-Bond-Medley, und es steht zu vermuten, dass dieser stilecht geschüttelt war und nicht gerührt. Der Spezialagent mit seinen Spezialmelodien aus „For your eyes only“, „Live and let die“ und „Goldfinger“ jedenfalls genoss sich süffig wie ein gehaltvoller Cocktail.
Und interaktiv war das Konzert auch noch: Auf ihren Sitzen fanden die Besucher doch tatsächlich ein kleines Aktionspaket mit Luftschlange und Knicklicht als Laserschwert bei „Star Wars“, ein Taschentuch bei Rührungstränchen und ein Glöckchen, falls der Glaube an ein Wunder mal nachlassen sollte, ganz wie im „Polarexpress“, der hier mit Gesang von Despoina Kotsamani und Sophia Werner ganz bezaubernd Station machte.
Von den Fanfaren der Filmfirmen über den subtilen Nervenkitzel und markanter E-Gitarre (Filip Marius) bei „Inception“ und die Walzerseligkeit bei „Karussell des Lebens“ bis hin zur Zugabe „In der Halle des Bergkönigs“ aus „Peer Gynt“ – zwar keine Filmmusik, aber doch eines der in Filmen meistverwendeten klassischen Musikstücke – zeigte das Orchester ein ums andere Mal Glanzleistungen. Und das lässt sich auch über das Konzept des ganzen Konzerts sagen: ein ebenso anspruchsvolles wie eingängiges Programm, jede Menge Gags, Pointen und die sichere Technik dazu (Marko Speer) und Künstler, die mit Leidenschaft und Leistung gleichermaßen überzeugten. Wie im Flug verging die Zeit mit diesem spritzigen Programm, das das Publikum buchstäblich von den Stühlen riss, sodass der Applaus im Stehen gegeben wurde. Das Jahr kann ja nur gut werden nach so einem Start. Und wenn nicht, dann hilft das Glöckchen.
Neuer Sponsor für das Neujahrskonzert in Giengen
Oberbürgermeister Dieter Henle hatte nicht nur die besten Wünsche für das neue Jahr in seinem Grußwort parat und stimmte auf das Konzert ein, sondern auch eine Neuigkeit. Denn künftig wird die Stefan-Doraszelski-Stiftung, die bereits für viele Kultureinrichtungen des Kreises als Sponsor fungiert, auch das Neujahrskonzert der Städtischen Musikschule unterstützen.