Interview

Wie der neue Kreisbau-Chef Jürgen Schipek Wohnungen im Landkreis Heidenheim schaffen will

Die Bürgerinnen und Bürger hoffen auf Wohnraum, die Bauunternehmen auf viele Aufträge – auf den neuen Kreisbau-Geschäftsführer warten viele Aufgaben. Jürgen Schipek erklärt im HZ-Interview, warum er sich auf die Herausforderungen freut.

Zum Jahresbeginn hat Jürgen Schipek von der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshafen als Geschäftsführer zur Kreisbaugesellschaft Heidenheim gewechselt. Im Interview spricht der 53-Jährige darüber, was ihn an der Aufgabe reizt, wie er die Region kennengelernt hat und warum er Wärmepumpen kritisch gegenübersteht.

Herr Schipek, Sie haben mit Ihrem Wechsel den Bodensee gegen die raue Ostalb eingetauscht – die Kreisbau Heidenheim muss sehr verlockend gewesen sein.

Ja, total!

Was hat sie gelockt?

Hier sind einfach attraktive Geschäftsfelder vorhanden. Das Thema Wohnen wird hier breiter gespielt. Das Unternehmen ist auch größer als mein voriges in Friedrichshafen. Damit sind wir nicht nur auf ein Stadtgebiet beschränkt, wir können auf Kreisebene arbeiten. Das hat schon seinen Charme und Reiz.

Was ist der Unterschied, ob man nun in Giengen agiert oder in, sagen wir, Königsbronn?

Jede Gemeinde ist anders, so wie Menschen auch unterschiedlich sind. Diese Vielseitigkeit zu erleben, ist etwas anderes, als wenn Sie bei einer Gesellschaft sind, die nur ein einem Ort agiert. So bekommen wir viele Meinungen und Impulse von anderen Kommunen mit. Dann können wir reflektieren, ob etwas, das in Giengen klappt, auch in Königsbronn funktioniert – und andersrum.

Sie waren ja auch schon viel im Landkreis unterwegs, haben sich mit den Bürgermeistern ausgetauscht. Welche Wünsche hören Sie da?

Bauen! Einfach machen und bauen. Die Menschen im Landkreis brauchen Wohnungen. Es geht aber nicht nur um die Quantität, wir brauchen auch qualitativ attraktiven Wohnraum.

Was heißt das?

Wir sind ja von Haus aus eine sehr konservative Branche. Sie bauen ein Haus, dann wird es auf lange Sicht vermietet. Der Großteil von Deutschland ist nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden. Die Bedürfnisse der Menschen waren damals völlig andere, man war froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Der Mensch hat sich aber verändert, wir werden älter, wir wollen lange selbstständig in der eigenen Wohnung sein. Jetzt gilt es zu überlegen: Wie können wir als Wohnungsunternehmen das Portfolio nach vorne entwickeln? Die Antwort ist: Durch Modernisierung, durch Abriss und Neubau oder eine Mischung auf Quartiersebene, sodass wir die Bevölkerung ansprechen und die passende Wohnung anbieten für unsere Mieter.

Eines der jüngeren Kreisbau-Projekte in Giengen ist auf dem früheren AWG-Areal entstanden. Foto: Geyer-Luftbild/HZ-Archiv

Hat die Kreisbau gewissermaßen eine Scharnierfunktion in der Region – zwischen Politik und den Menschen?

Auf alle Fälle hoffe ich, dass wir eine Wohnungsbaukompetenz haben. Und ich finde es gut, dass man hier in der Region auf uns zugeht, uns zuhört und mit uns Lösungen erarbeitet. Das ist ein sehr positives Merkmal dieser Region.

Wie kann eine Kommune dazu beitragen?

Mit der inneren Haltung zum Wohnungsunternehmen. Es gibt hier Bürgermeister, die sind regelrechte Visionäre in Sachen Wohnungsbau, und da vernetzen wir auf Kreisebene, das ist auch genau unsere Aufgabe.

Die Kreisbau hat 2021 einen Überschuss von 4,5 Millionen Euro erwirtschaftet, 2022 waren es sogar 6,2 Millionen. Befürchten Sie, dass Sie in Zukunft auch mal schlechtere Nachrichten überbringen müssen?

Die Frage ist, was schlechtere Nachrichten sind. Es ist gut, wenn man eine gesunde Eigenkapitaldecke hat als Wohnungsunternehmen. Letztlich geht es aber um die Frage, ob wir viel Eigenkapital ansammeln wollen, oder ob die Gesellschaft Wohnungen bauen soll.

Die Lage auf dem Immobilienmarkt wird allenthalben beklagt. Was wird denn künftig im Vordergrund Ihrer Arbeit stehen?

Wir hatten zehn Jahre lang einen Bauboom, dann ging es 2017 los, dass die Baupreise ins Unendliche gestiegen sind, viel stärker als unser normales Preisniveau. Wir haben das dann teure Bauen nur möglich machen können durch eine Nullzins-Politik. Als die Zinsen nach oben gingen, und spätestens seit dem Ukraine-Krieg, ist die Weltwirtschaft so instabil, dass es eskalierte. Dann ist der Baumarkt zusammengebrochen, weil man die Refinanzierung nicht mehr hinkriegt. Das wirkt sich jetzt auch auf den Wohnungsbau aus. Wohnungsunternehmen werden oft gefragt, warum sie nichts mehr bauen, Bauunternehmer gehen schon auf die Straße. Wenn wir aber Baukosten, Zinsen und Mieteinnahmen einander gegenüberstellen, dürfen wir nicht draufzahlen. Wir können die Mieten nicht endlos nach oben ziehen. Das müssen wir sauber austarieren.

Aber Sie wollen bauen?

Wir bereiten unsere Planungen für mehr als zehn Projekte jetzt so weit vor, dass wir sie genehmigungsreif haben bis zum Herbst, damit wir dann ausschreiben und wieder mit Projekten starten können. Aber der Grundsatz gilt: Erst gründlich planen, dann bauen. Wir brauchen eine gute Baudichte, damit wir das Grundstück ausnützen. Manchmal brauchen wir dann ein Stockwerk mehr, damit es sich überhaupt rechnet. Das müssen wir aber auch klar kommunizieren. Wir sind auch ein Stück weit Wirtschaftsmotor in der Region, wir wollen möglichst viele Aufträge in der Region lassen.

Die Nachfrage nach Wohnungen ist demnach auf jeden Fall da, es ist nur eine Frage der Finanzierung?

Das ist das Schöne am Landkreis Heidenheim. Der ist sehr attraktiv. In Metropolen oder größeren Städten wie Ulm ist Wachstum nahezu nicht mehr möglich, zumindest nicht so bezahlbar für immer mehr Menschen. Früher hat man von Ulm aus vielleicht Pendeln bis Langenau akzeptiert. Aber die Grenzen verschieben sich. Ich finde es wichtig, Arbeiten und Wohnen zu verknüpfen. In Ballungszentren hat man oft die Situation, dass man gute Fachkräfte gewinnen will, es gibt aber eine Absage, weil die keine Wohnung finden. Da spüren Sie, dass das Thema Wohnen elementar ist. Daher ist es eine kluge Entscheidung, wenn Kommunen auch ein kommunales Wohnungsunternehmen haben, das ist unverzichtbar.

So hat man das auch in der Region nicht immer gesehen.

Man hat sich in der Vergangenheit immer wieder mal getrennt von den kommunalen Wohnungsunternehmen, jetzt spürt man, dass es ein Riesenfehler war. Wir haben bislang vernachlässigt, welche Bedeutung das Wohnen hat. Mittlerweile werden die Regionen in der Entwicklung gebremst, die Unternehmen spüren das. Zur Geschichte der Industrialisierung gehört auch, dass die Industrie Wohnungen gebaut hat, dann hatten die Mitarbeitenden Werkswohnungen. Dann hat man sich getrennt davon, weil es nicht mehr als Kerngeschäft galt. Aus heutiger Sicht weiß man: Das war nicht so schlau.

Hinterher weiß man es doch immer besser.

Es ist halt immer die Frage, was nachhaltig ist. In unserer Branche hat Nachhaltigkeit immer einen anderen Zeithorizont, wir denken in Dekaden. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir uns als Branche erklären.

Der Sitz der Kreisbau in Giengen. Die Wurzeln des Unternehmens liegen im Jahr 1935. Foto: Dennis Straub

Welche Rolle spielt da der soziale Wohnungsbau?

Ich möchte nicht von sozialem Wohnungsbau reden, lieber vom öffentlich geförderten Wohnungsbau. Der hat eine wichtige Rolle. Wenn man sich zum Beispiel die Einkommensgrenzen in Baden-Württemberg anschaut, dann ist das bei uns kein Arme-Leute-Thema, sondern eine Frage der Mittelschicht.

Wie meinen Sie das?

Viele Leute, aus dem öffentlichen Dienst beispielsweise, haben Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Das ist keine Stigmatisierung. Wenn man im Bereich von etwa 60.000 Euro brutto im Jahr verdient, würde im ersten Moment niemand darauf kommen, dass man in der Nähe eines Wohnberechtigungsscheins ist. Man kann auch überlegen, Kleinstwohnungen zu bauen. Wieviel Fläche braucht eine Person? 80 Quadratmeter? Darüber muss man nachdenken. Man braucht aber den passenden alternativen Wohnraum.

Die Antwort darauf waren lange Zeit betreute Wohnanlagen.

Ein intelligentes Wohnkonzept muss nicht immer das altengerechte Wohnen sein. Wir haben auch eine große Lücke zwischen den Leuten, die jetzt fit sind, die aber sagen: Da ist ein Haus mit Garten, das ich nicht mehr brauche, aber bis zum Schritt, in ein Pflegeheim zu gehen, sind es noch zehn oder 15 Jahre. Was machen wir mit dieser Lebensspanne? Da müssen wir als Wohnungswirtschaft überlegen, welche Produkte wir am Markt platzieren können. Da ist unsere Branche doch wahnsinnig spannend.

Ich stelle fest, Sie sind begeistert von Ihrem Job.

Das ist so!

Wie kamen Sie dazu?

Purer Zufall! Die Wohnungswirtschaft ist ja eher unsexy vom Image her. Als junger Techniker wollte ich bauen und bin durch Zufall bei einer Wohnungsgesellschaft gelandet. Ich brauchte aber Jahre, um zu verstehen, wie wichtig das ist. Ich war Techniker und Projektleiter und habe durch ein berufsbegleitendes Studium auch noch die kaufmännische Kompetenz erworben. Als junger Mann habe ich durch Zufall eine Sendung mit Henning Scherff gesehen, der damals Regierender Bürgermeister in Bremen war. Der hat erzählt, dass er mit seiner Frau in einer Senioren-WG lebt. Da denkt man: So eine öffentliche Person? Das kann doch keine Geldfrage sein. Es ist aber eine Frage des Wollens und des Lebensstils. Da merkt man, wie facettenreich das sein kann.

Kann man das denn alles abbilden innerhalb eines Unternehmens wie der Kreisbau?

Sie müssen als Wohnungswirtschaftler die Bedarfe der Region erkennen, auch die Ziele der Region. Da gibt es kein Standardprogramm.

Welche Bedarfe haben Sie hier in der Region festgestellt?

Die Kreisbau hat ja die Möglichkeit, auch als Bauträger zu agieren, damit Menschen Eigentum bilden können. Diesen Bedarf haben wir in der Unternehmensgeschichte schon immer mit abgedeckt. Und auf jeden Fall haben wir Bedarf an Wohnungen, in Anzahl und Qualität. Durch den Demografiefaktor müssen wir aber sehen, dass wir viel mehr barrierearme Wohnungen herstellen. Dabei rede ich gar nicht von barrierefrei oder rollstuhlgerecht – der Mensch denkt nicht in DIN-Normen, sondern will praktische Hilfen haben. Da müssen wir Lösungen erarbeiten, die Norm ist da ein Hilfsmittel. Das zweite große Thema ist der Klimawandel, da haben wir auf dem Land ganz andere Bedarfe als in der Großstadt. Aber wir müssen uns auch Gedanken machen, wie wir unseren Bestand klimaneutral bekommen. Das ist eine langfristige Aufgabe.

Und die wird teuer…

Wir haben es in Deutschland noch nicht auf praktischer Ebene erfasst, zu welchen Konsequenzen die Energiewende führt. Aber die Wende muss finanziert werden, und letztendlich bezahlt das der Mieter. Bislang ist es so: Wir müssen, wenn eine Heizung kaputtgeht, jetzt eine Wärmepumpe oder einen Pelletskessel installieren, aber meistens läuft es auf eine Wärmepumpe hinaus. Wenn man aber in der Fläche unterwegs ist wie wir, ist das nicht ideal.

Warum nicht?

Ein Beispiel: Irgendwo im Landkreis geht eine Heizung kaputt, dann stellen wir eine Wärmepumpe vor die Haustür – und müssen uns fragen, wo der Strom herkommen soll. Also müssen wir eine Zuleitung bauen lassen. Das Verständnis für die Energiewende trägt ja jeder mit, aber wie macht man es operabel, damit es für jeden leistbar ist? Das ist das Fein-Tuning, wo jede Gesellschaft für sich einen praktischen Weg finden muss.

"Mit der Wärmepumpe lösen Sie bei mir keine Begeisterungsstürme aus."

Jürgen Schipek, Kreisbau-Geschäftsführer

Nachhaltigkeit bedingt ja auch, dass Technik zum Einsatz kommt, die 20, 30 Jahre zuverlässig hält und nicht in die Knie geht, weil sie vielleicht noch nicht ausgereift ist. Haben Sie da Bauchweh?

Mit der Wärmepumpe lösen Sie bei mir keine Begeisterungsstürme aus. Den Ansatz kann ich ja verstehen. Aber das ist wahnsinnig schnell passiert. Wir brauchen intelligente Lösungen, da kann die Wärmepumpe ein Teil sein, aber wir müssen uns auch Zeit geben. Das ist politisch zu wenig auf unsere Seite gespiegelt worden. Wir sollen investieren, müssen uns aber auch refinanzieren. Bei Wärmepumpen haben wir gerade hohe Kosten.

Was ist denn einfacher – einen Bestand zu sanieren oder abzureißen und neu zu bauen?

Es ist eine Frage des Kundenbedarfs. Wenn wir an das Thema Demografie denken und im Altbau Barrierefreiheit herstellen wollen, haben wir keine Chance. Da kommen wir an einer Neubaulösung mit intelligenten Raumkonzepten nicht vorbei. Aber man muss auch lernen, zielgruppenspezifisch zu denken. Denken Sie an junge Familien, die brauchen nicht unbedingt einen Aufzug, aber eine ausreichend große Wohnung, damit sie als Familie leben können. Und da ist dieser Bestand aus den Fünfzigerjahren oder Sechzigerjahren gut geeignet. Ich bin aber auch ein Fan davon, in Quartieren zu denken, und wenn man sich die Nachkriegsbestände anschaut, sind das meistens in den Park gesprengte Zeilen. Sie haben sehr viel Grün drumherum, wo man sagen muss: Warum bauen wir da kein Haus rein? Wenn es uns gelänge, das zu tun, dann könnte die ältere Dame aus dem nicht barrierefreien Bereich in die Nachverdichtung im Quartier zieht. Dann bleibt sie in ihrem gewohnten Umfeld mit Bäcker, Arzt, Einkaufsmöglichkeiten. Das werden wir nicht immer hinkriegen, aber das mitzudenken, ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ist die Nachverdichtung dann besser als ein weiteres Neubaugebiet am Ortsrand?

Nachhaltigkeit ist viel mehr als neue Fenster einzubauen oder Fassaden mit Polystyrol zu dämmen. Wenn es gelänge, den vorhandenen Grund und Boden sinnvoller zu nutzen, durch Aufstocken oder Nachverdichten, dann müssten wir kein neues Bauland erschließen. Das ist auch nachhaltig.

Abgesehen von Ihrem direkten Vorgänger waren die Geschäftsführer der Kreisbau doch immer sehr lange hier tätig. Ich meine herauszuhören, dass Sie das auch vorhaben.

Sie sieht’s aus. Ich brenne für das Thema. Gesundheit ist das wichtigste, was man als Mensch haben kann, das ist eine herausfordernde Tätigkeit. Ich hoffe, dass es bei mir lange so bleibt.

Bauen und Bergsteigen

Jürgen Schipek, 53, ist seit Mitte der 1990er-Jahre in der Wohnungswirtschaft tätig. Er hat das Bauhandwerk von Grund auf gelernt und viele Jahre praktische Erfahrung in der Bau- und Projektleitung gesammelt. Berufsbegleitend hat er Immobilienmanagement und Bauprojektmanagement studiert. In seiner Freizeit ist er zu Fuß oder mit dem Mountainbike in der Natur unterwegs.

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