Wenn sich ein betagter Mensch aus dem Landkreis in den nächsten Wochen etwa den Oberschenkelhals bricht, wird er nach der Behandlung im Krankenhaus mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr in Giengen eine Rehabilitation absolvieren können. Von den 30 Plätzen in der Geriatrischen Rehaklinik sollen ab kommendem Montag nur noch 20 betrieben werden, ab dem 28. Februar nur noch die Hälfte der Betten. Das teilt der Geschäftsführer des Klinikums Heidenheim, Dr. Dennis Göbel, auf Anfrage mit. Die letzte Patientenaufnahme für eine üblicherweise dreiwöchige Reha soll nach HZ-Informationen Mitte Februar erfolgen, demnach würden die letzten Patientinnen oder Patienten zum 8. März entlassen. Danach ist die Rehaklinik außer Betrieb.
Hintergrund der sinkenden Belegung seien, so Göbel, „notwendige Hospitationen und Einarbeitungsphasen“ jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von der Rehaklinik ins Klinikum auf dem Heidenheimer Schlossberg wechseln. Sprich: Um den Betrieb noch bis zum ursprünglich beschlossenen Termin Ende März voll ausgelastet weiterzuführen, fehlt es an Personal.
Akutgeriatrie im Klinikum Heidenheim soll ausgebaut werden
Aus den Reihen der Giengener Belegschaft ist auch zu hören, dass einige jetzt aufgeschobenen Resturlaub nehmen oder Überstunden abfeiern. Zudem hätten mehrere aus dem Rehaklinik-Team gekündigt. Das bestätigt auch Geschäftsführer Göbel: „Es haben sich leider einige wenige Mitarbeiter dazu entschieden, nicht im Klinikum tätig werden zu wollen.“ Die im Dezember getroffene Entscheidung, die Reha nach gut 25 Jahren zu schließen, ging mit einer Übernahmegarantie für das Personal einher. Zu hören ist aber auch, dass das Aus für die Rehaklinik mit großer Enttäuschung aufgenommen worden sei.
Zugesichert wurde im Dezember außerdem, dass die Akutgeriatrie am Klinikum Heidenheim erweitert werden soll. Dort werden betagte und womöglich von mehreren Erkrankungen betroffene Menschen zum Beispiel nach einer Operation bis zu zwei Wochen lang versorgt, bis sie sich in eine Reha begeben können. Aktuell gibt es dort 20 Plätze, diese sollen laut Göbel zunächst um acht, später um weitere sechs Plätze ergänzt werden. Darunter sollen offenbar auch Plätze für sogenannte Übergangspflege sein. Dabei könnten Menschen, für die keine unmittelbare Anschluss-Reha und auch kein Platz in einer Kurzzeitpflege gefunden wurde, übergangsweise für mehrere Tage weiter versorgt werden.
In Ulm und Aalen gibt es keine verfügbaren Rehaplätze
Dieser Fall könnte durchaus eintreten. Schon jetzt gibt es Hinweise darauf, dass es künftig deutlich schwieriger werden könnte, wohnortnah Plätze für eine geriatrische Reha zu bekommen. Schon jetzt berichten Mitarbeitende, dass die Wartelisten für Rehaplätze länger würden. Auch Geschäftsführer Göbel erklärt, „wie bei allen anderen Reha-Angeboten“ könne es zu Engpässen kommen. Das liege auch daran, dass der Bedarf für Reha-Plätze nicht vorhersehbar sei. Deshalb hätte es nach Göbels Einschätzung auch „wenig Sinn“ gemacht, im Vorfeld des Beschlusses zur Schließung mit anderen Kliniken über gewisse Kontingente für Heidenheimer Patienten zu verhandeln. In der aktuellen Finanzlage könne es sich keine Einrichtung leisten, Plätze freizuhalten.
In den Nachbarlandkreisen beobachtet man die Entwicklung in Giengen mit Sorge. „Das ist in der Region völlig unmöglich zu kompensieren“, sagt Prof. Dr. Michael Denkinger. Der Ärztliche Direktor der Ulmer Agaplesion Bethesda Klinik hat sich schon vor der Entscheidung im Dezember kritisch zu den Plänen geäußert. In der Folge geht Denkinger nun von einer „deutlichen Verschlechterung der Versorgung in der Region“ aus. Seine Klinik betreibt in Ulm 20 Plätze für die geriatrische Reha, in der Vergangenheit seien immer wieder auch Ulmer Patientinnen und Patienten für die notwendige Reha nach Giengen vermittelt worden.
Die wirtschaftlichen Argumente, die in Giengen zum Aus führen, kann Denkinger indes nachvollziehen. „Geriatrische Reha ist seit jeher nicht lukrativ gewesen“, sagt er, und gerade für relativ kleine Einrichtungen wie in Giengen sei ein Minus „ein echtes Problem“. Die Tagessätze der Krankenkassen führten schlicht zu einer Unterfinanzierung. Mit Blick auf das Wohl der betagten und oft von mehreren Krankheiten belasteten Menschen hält Denkinger eine wohnortnahe Versorgung aber für unerlässlich: „Bis zum Umkreis von 50 Kilometern ist das vielleicht noch denkbar, darüber hinaus nicht mehr.“
Zukunft des Klinikgebäudes in Giengen ist unklar
Auch die Geriatrische Rehabilitation im Aalener Ostalbklinikum ist „zu nahezu 100 Prozent ausgelastet“, teilt Pressesprecher Ralf Mergenthaler mit. Es gebe bereits eine Warteliste für Rehaplätze mit einer Wartezeit von mehreren Wochen. Dieser Zustand werde sich, auch durch „viele Anfragen“ aus Nachbarlandkreisen, in den kommenden Monaten kaum ändern.
Die Möglichkeit der Versorgung betagter Rehapatienten in anderen Kliniken in der Region war einer der Punkte, die im Vorfeld des Kreistagsbeschlusses im Dezember als Argument für die Schließung der Giengener Einrichtung angeführt wurden.
Wie das Gebäude an der Giengener Hirschstraße in Zukunft genutzt werden könnte, ist noch unklar. Konkrete Pläne für eine Weiternutzung seitens des Klinikums gebe es nicht, heißt es aus dem Klinikum Heidenheim. Geschäftsführer Göbel bestätigt aber „verschiedene Gespräche mit unterschiedlichen Nutzungsperspektiven“.
Investoren haben Interesse an neuer Rehaklinik
Der Giengener Oberbürgermeister Dieter Henle, ausdrücklicher Gegner der Schließung, erklärt auf Anfrage, er gehe davon aus, dass ab März eine Versorgungslücke im Landkreis entstehen werde. Er werde sich „mit aller Kraft für eine gute zukünftige Lösung“ einsetzen. Es gebe durchaus Interesse auf Investorenseite, und er habe mehrere positiv verlaufene Gespräche mit ihnen geführt, so Henle. Noch sei es aber zu früh, um über Details öffentlich zu sprechen.