Ratsprotokolle

Wie die Stadt Giengen im 17. Jahrhundert mit Ehezwist und Steuerstreit umging

Mit seinem jüngsten Buch schließt Heimatforscher Ulrich Stark seine buchstabengetreue Erfassung der Ratsprotokolle nach dem Giengener Stadtbrand ab. Elf Bände sind es insgesamt geworden.

Auch die Menschen im ausgehenden 17. Jahrhundert verfügten bereits über modische Vorlieben. Männer trugen gerne den eng taillierten Rock mit großen Schoßtaschen und Ärmel-Aufschlägen, Frauen präsentierten sich in Garderoben mit Hüftwülste und Schnürbrust. Wie stark sich dieser Trend zwischen 1673 und 1678 auch in der kleinen Stadt Giengen bemerkbar machte, ist nicht genau überliefert.

Was man aber anhand der Ratsprotokolle aus jener Zeit gut nachempfinden kann, sind die großen und kleinen Alltagssorgen der Bevölkerung vor rund 350 Jahren. 1673 etwa verdirbt im Brenztal ein wochenlanges Regenwetter die Wiesen. Zwei Jahre später sorgt eine Lüneburgische Kompanie für einen Typhus-Ausbruch in Giengen, und 1678 verursacht eine neue Steuerordnung großen Aufruhr unter der Bürgerschaft.

Der 13-köpfige Rat der Stadt hatte sich allerdings auch mit ganz anderen Dingen zu beschäftigen. Immer wieder suchten Personen das sogenannte Magistrat auf, um private Angelegenheiten regeln zu lassen. Dabei ging es durchaus auch deftig zur Sache, wie den handschriftlichen Protokollen zu entnehmen ist, die im Giengener Stadtarchiv aufbewahrt werden.

Heimatforscher Ulrich Stark hat sie transkribiert, also buchstabengenau erfasst. Jetzt ist Band 11 seiner Serie über die Ratsprotokolle der Reichsstadt Giengen erschienen. Es ist der fünfte Band nach dem verheerenden Stadtbrand im Jahre 1634 und umfasst die Jahre 1673 bis 1678. Der elfte Band soll nun aber der letzte in dieser Serie sein. Das liegt vor allem am Stadtschreiber nach 1678, dessen Handschrift nur sehr schwierig zu entziffern sei, wie Ulrich Stark bemerkt. Historische Veröffentlichungen aller Art aus der reichsstädtischen Giengener Vergangenheit und darüber hinaus will der leidenschaftliche Heimatforscher aber auch weiterhin liefern.

Vielfach mussten Streitereien geschlichtet werden

Blättert man den aktuellen dicken Band durch, der allein rund schon fast 600 Seiten umfasst, dann fallen vor allem die zahlreichen Streitschlichtungen auf, mit denen sich der Giengener Rat zu befassen hatte, und die teilweise fast ein wenig an Ludwig Thomas Episoden aus dem „Königlich bayerischen Amtsgericht“ erinnern.

So ist beispielsweise der Ehezwist des Bortenwirkers Hanß Ulrich Müller mit seiner Gattin protokolliert. Der Hausherr beklagt sich gegenüber dem Rat, dass ihm seine Angetraute „schnöde Wortt“ gebe und ihren häuslichen Pflichten nicht angemessen nachkomme. Als eines Tages „das Eßen nicht auf dem Tisch gestanden“ hatte, mündete die verbale Streitigkeit in einer Schlägerei. Die malträtierte Dame bekam Hilfe von ihrem Vater und ihrem Bruder, die nun dem wiederum dem Ehemann so zusetzten, dass sie ihn am Boden festmachten und ihn erst wieder loslassen wollten, wenn er sich entsprechend erklärt hätte.

Grund fürs Zuschlagen sei das Schweinefleisch gewesen, das ihm die Ehefrau vorsetzte, gab der Gatte zu Protokoll. Weil er „darob einen Eckhel“ hatte, „habe sie das Fleisch im Zorn genommen, zum Fenster hinauß geworffen und gesagt, wenn ers nicht freßen wolle, soll er was anders eßen.“ Der Rat ermahnte die Streithähne „zur Anstiftung beßeren Ehefriedens“ und forderte alle Parteien dazu auf, sich gegenseitig gebührend um Verzeihung zu bitten.

Nicht das Essen, sondern das Trinken wurde hingegen dem Sattler Balthas Heintzelmann zum Verhängnis. Er holte Geschirr und Kummet aus „Herrn Kindsvatters Pferdstall“ ab, brachte es dann aber an die falsche Adresse zurück. Zur Entschuldigung brachte der Sattler vor, dass er „im Trunck“ nicht bemerkt habe, wie er „in einem frembden Stall irregegangen“ sei. Einen „groben Fehler et lata culpa“ (grobe Fahrlässigkeit) unterstellte das Gericht dem geständigen Baltas Heintzelmann. Auf dessen „starckhe Fürbitt“ wurde ihm die verhängte Gefängnisstrafe freilich unter Geldauflagen erlassen.

Zuhauf sind solche und ähnliche Begebenheiten in den Ratsprotokollen dokumentiert. Bewusst hat Ulrich Stark die damalige Bürgersprache beibehalten, was das Lesen und Verstehen nicht ganz einfach macht, aber doch erahnen lässt, mit welchen Problematiken die Verwaltung eines kleinen Gemeinwesens in jenen Tagen befasst war. Neben der Streitschlichtung ging es auch um Sozialfürsorge, Steuererhebung, aber auch um die Verpflegung fremder Armeen.

Ein umfangreiches Schlagwortregister rundet das Werk ab. Dabei kann unter anderem auch festgestellt werden, dass es in jener Zeit in Giengen nicht weniger als 16 Gastwirte gab. Ihre Lokalitäten hatten neben üblichen Bezeichnungen wie Krone, Pflug oder Ochsen auch außergewöhnliche Namen wie Weißlöwe oder Roßeisen.

Wo gibt es das letzte Buch der Reihe?

Das Buch „Ratsprotokolle der Reichsstadt Giengen, Band 11 (1673-1678)“ hat einen Umfang von 544 Seiten. Es ist im epubli-Verlag erschienen und im dortigen Shop, aber auch im Buchhandel erhältlich.  Es sei sein letzter Band dieser Serie, betont Stark nach der enormen Fleißarbeit. In 13 Jahren übertrug er 4450 Buchseiten in 2600 Druckseiten. Um die Ratsprotokolle zwischen 1637 und 1678 zu erfassen, investierte Stark etwa 1500 Stunden freiwilliger historischer Forschungsarbeit.

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