100 Jahre DRK Giengen

Wie eine alte Chronik dem Giengener Roten Kreuz neue Einblicke liefert

Der Ortsverband Giengen des Deutschen Roten Kreuzes feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Rechtzeitig vor dem Jubiläum tauchten lange Zeit vergessene Handschriften auf.

Wenn das mal kein besonderes Geschenk zum runden Geburtstag ist! Vor wenigen Jahren bekamen Günter und Rosemarie Eigner aus dem Nachlass des langjährigen Zugführers und Ausbilders Karl Blum ein weitgehend handschriftlich verfasstes Chronik-Buch überreicht, das die Entwicklung des Giengener DRK von 1925 bis 1939 nachzeichnet. Ein äußerst wertvolles Fundstück, das lange Zeit in Vergessenheit geraten war.

Es handelt sich um eine wahre Fundgrube an Fakten und Ereignissen aus der Pionierzeit der am 1. Oktober 1924 gegründeten Ortsgruppe, die damals als „Abteilung 2 der Heidenheimer Sanitätskolonne“ ins Leben gerufen worden war. Das Sammelsurium an Protokollen, Einsatzberichten und sonstigen Aktivitäten, gespickt mit Fotos und alten Zeitungsausschnitten, liefert neue Einblicke in die frühen Jahre des Giengener DRK.

Existenz des Dokuments lange nicht bekannt

„Ich war platt“, zeigte sich Rosi Eigner begeistert, als sie die Chronik in den Händen hielt, von deren Existenz man im DRK lange Zeit gar nichts wusste. Schon vor 25 Jahren, als das 75-jährige Bestehen gefeiert worden war, hätte man das Buch gerne zur Verfügung gehabt. Denn die Geschichte der organisierten ehrenamtlichen Ersthelfer in der Stadt wies damals noch Lücken auf.

„Durch einen Wasserschaden gingen einige Originale verloren“, weiß das Ehepaar Eigner, das sich schon seit über 50 Jahren im DRK engagiert. Um eine Chronologie zu erstellen, habe man sich damals auch auf mündliche Überlieferungen stützen müssen. Nachdem nun der antiquierte, aber noch gut erhaltene Band vorliegt, sei in die Geschichte des ortsansässigen DRK manches „neue Licht hereingebracht“ worden.

Eintrag aus dem Jahr 1930: Viel Lob gab es für das Rote Kreuz aus Giengen für dessen raschen EInsatz beim Eisenbahnunglück zwischen GIengen und Herbrechtingen. Markus Brandhuber

So ist zum Beispiel alles erhalten, was es aus Sicht des DRK zum schweren Eisenbahnunglück am 28. Oktober 1930 zwischen Giengen und Herbrechtingen zu berichten gibt. Ein Leerzug und ein Güterzug stießen damals zusammen, zwei Personen wurden getötet, zwei weitere waren schwer und drei weitere leicht verletzt.

Viel Lob für DRK-Hilfe beim Eisenbahnunglück 1930

Um 7.35 Uhr war der Alarm ausgelöst worden, bereits um 7.55 Uhr waren DRK-Helfer am Unglücksort, der sich 3,5 Kilometer außerhalb Giengens befand. Die 19 Sanitätshelfer leisteten hervorragende Arbeit, was auch durch ein Dankschreiben der Reichsbahn im Chronikband belegt ist.

Die schnelle Hilfe ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Giengener DRKler in den Anfangsjahren längst nicht jene technische Unterstützung hatten, die heutzutage selbstverständlich ist. Mangels Telefon musste man die Alarmierung noch von Haus zu Haus persönlich weitertragen, weiß Rosi Eigner. Werkzeuge wie Säge und Beil wurden schnell aus Privatbesitz mitgebracht.

Über ein eigenes Fahrzeug für Krankentransporte verfügten die Giengener Rotkreuzler erst ab 1935. Im Notfall wurde bis dahin auf ortsansässige Firmen-Lastwagen zurückgegriffen. Für weniger akute Krankentransporte griff man per pedes sogar auf ein kinderwagenähnliches Gefährt zurück.

Auch Amüsantes lässt sich der Giengener Chronik entnehmen. So wurde in einem Protokoll zu einer Übung von der DRK-Führung „mehr Disziplin“ eingefordert. Grund: Ein junger Sanitäter hatte sich während der Probe des Ernstfalls an einen Baum gelehnt die Zeitung gelesen.

Einträge Wort für Wort abgeschrieben

Günter und Rosi Eigner ist es gelungen, die überwiegend handschriftlich verfassten Seiten der Chronik komplett zu transkribieren, also Wort für Wort abzuschreiben. Etwa ein Jahr lang war das Ehepaar mit dieser Fleißarbeit beschäftigt. Als schwierig stellte sich bisweilen die Entzifferung der Wörter nach dem damaligen Schreibstil dar. Manches habe man abfotografiert und dann Experten alter Handschiften zukommen lassen. Auch Stadtarchivar Dr. Alexander Usler, inzwischen im Ruhestand, stand hilfreich zur Seite. Das Korrekturlesen übernahm Thomas Hornung.

Ab 14. Mai soll die Chronik nun in der Vitrine des Giengener Rathauses präsentiert werden. Neben dem großen handschriftlichen Werk können die Eigners auch noch ein kleines Buch präsentieren, dessen erste Eintragungen immerhin auch schon 70 Jahre zurückreichen. Vermerkt sind darin die Dienstnachweise von DRK-Helfern im Bergbad zwischen der Eröffnung 1954 bis 1988.

Für Günter und Rosi Eigner ist das DRK fast schon zeitlebens eine Herzenssache. „Es ist unser drittes Kind“, scherzen die Eltern eines Sohnes und einer Tochter. Sie standen – unter anderem als Gruppenführer oder Ausbilder – jahrelang in Verantwortung. Günter Eigner ist heute noch Schriftführer. Kein Wunder, dass sich die beiden einst auch übers DRK kennenlernten.

DRK-Jubiläum wird am 1. Juni gefeiert

Die Feier zum 100-jährigen Bestehen des DRK findet am 1. Juni statt. Trockenes Wetter vorausgesetzt, startet bereits um 12 Uhr ein Mitmachspiel für Jung und Alt mit zehn Stationen überwiegend in der Innenstadt. Auch Organisationen wie Jugendfeuerwehr, THW, DLRG oder Rettungshundestaffel wirken mit. Am Nachmittag wird rund um die Schranne Kaffee und Kuchen sowie Gegrilltes serviert. Ab 17.30 Uhr gibt’s einen Festakt mit geladenen Gästen. Das Giengener DRK zählt aktuell 53 Helferinnen und Helfer. Der bisherige Höchststand wurde im Jahr 2014 mit 61 Ehrenamtlichen verzeichnet.

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