Blockflöte und Horn sagten ihm zu. Auch für Klavier konnte sich Jonathan Zenker schon früh begeistern. Mit Geige hatte er es hingegen nicht so. Eine Stunde Unterricht hat genügt, um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Nein, es sollte das Schlagzeug sein, das Zenker zu „seinem“ Instrument auserkoren würde. Heute ist der 19-Jährige nicht nur leidenschaftlicher Perkussionist, an der Musikschule Giengen bringt er auch anderen jungen Menschen Schlaginstrumente bei – als jüngster Lehrer in der Geschichte der Schule. Von langer Hand geplant gewesen war das allerdings nicht.
„Inzwischen ist der Lehrermangel auch an den Musikschulen angekommen“, berichtet Marion Zenker, Leiterin der Giengener Bildungseinrichtung und Mutter von Jonathan. Nachdem der vorige Schlagzeuglehrer der Schule diese verlassen hatte, wurde die Stelle deutschlandweit ausgeschrieben. Lediglich eine einzige Bewerbung flatterte herein, diese sei jedoch nicht geeignet gewesen.
Keine leichte Entscheidung für Familie Zenker
„Übergangsweise“, also höchstens für drei Monate, sollte schließlich Jonathan Zenker ab Herbst 2023 den Schlagzeugunterricht übernehmen. Er selbst ist seit etlichen Jahren ein Teil der Musikschule, die Wahl auf ihn war also eine logische – und doch hat sie bei Familie Zenker zunächst für Diskussionen gesorgt. „Das war keine leichte Entscheidung für mich“, gibt die Schulleiterin zu.
Die Eltern der Kinder habe man vor Beginn des Schuljahres über die Situation informiert und ihnen die Wahl überlassen. Ihre Kinder konnten entweder Unterricht bei dem damals gerade 18-Jährigen nehmen, oder gebührenfrei pausieren. Die allermeisten entschieden sich für den jungen Mann. Und sie würden es heute wohl wieder tun.
Das sehe ich als großes Zeichen der Wertschätzung.
Jonathan Zenker über das Feedback der Eltern und Kinder
Das Feedback der Eltern und der Kinder ist laut Jonathan Zenker durchweg positiv gewesen. „Das sehe ich als großes Zeichen der Wertschätzung.“ Zur Vorbereitung nahm sich der heute 19-Jährige seine eigenen früheren Schlagzeuglehrer zum Vorbild. Besonders wichtig sei ihm, einen persönlichen Draht zu seinen Schülern zu haben. Eine Methode, die Erfolg hat, wie es scheint.
Gab es zu Beginn des Schuljahres 2023 nur zehn Schlagzeugschüler, konnte die Zahl inzwischen auf 25 Eleven gesteigert werden. Nach einem Schnuppertag hätten einige angehende Schüler und deren Eltern sich nicht nur für Schlagzeugunterricht begeistert, sondern sich zudem versichern lassen, dass der Unterricht auch wirklich bei Jonathan Zenker stattfinden würde.
Die Altersspanne von Zenkers Schülern reicht von fünf bis 15 Jahren. Wie ist das, wenn man zum Teil nur wenige Jahre älter ist als die Schüler, die man unterrichtet? Respekt sei vorhanden, erzählt Zenker. „Beim Einzelunterricht funktioniert das sehr gut, bei Gruppen von zwei bis drei Schülern wird es natürlich manchmal etwas schwieriger.“
Schwieriger, ja. Aber nicht unmöglich, wie die zurückliegenden Monate zeigen. Denn schnell war klar, dass Jonathan Zenkers Stelle verlängert werden sollte, anstatt diese erneut auszuschreiben – einmal mehr eine Entscheidung, die Marion Zenker nicht leichtgefallen ist. „Bei meinem eigenen Sohn bin ich vielleicht noch kritischer als bei anderen“, sagt sie. Bestärkt durch das Feedback der Eltern sowie in Absprache mit Kulturamtsleiter Andreas Salemi und Zenkers Stellvertreter in der Musikschule, Hannes Färber, habe man sich letztlich dazu entschlossen, diesen Schritt zu gehen.
Obwohl Jonathan so jung ist – oder vielleicht gerade, weil er so jung ist – hat er einen so guten Draht zu den Schülern.
Marion Zenker, Leiterin der Musikschule Giengen und Mutter von Jonathan Zenker
In den vergangenen zwölf Monaten hat Jonathan Zenker parallel zu seinen Abiturprüfungen zwei Schlagzeugensembles an der Musikschule gegründet und will darüber hinaus zwei Schüler für Jugend musiziert vorbereiten. Gelernt hat er selber dabei ebenfalls etwas gar nicht Unbedeutendes: „Ich war überrascht, dass mir Unterrichten so viel Spaß macht. Das ist ein echter Glücksfall.“ Und Marion Zenker ergänzt: „Obwohl Jonathan so jung ist – oder vielleicht gerade, weil er so jung ist – hat er einen so guten Draht zu den Schülern.“ Gelegentlich hätten Eltern Verwunderung über das Alter des jungen Lehrers zum Ausdruck gebracht. Negatives Feedback habe es jedoch nie gegeben.
Perspektivisch wird das Unterrichten für Jonathan Zenker allerdings ein Ende finden, zumindest in Teilen. Bis vor Kurzem war der 19-Jährige noch Jungstudent an der Hochschule für Musik und Theater München, inzwischen ist er dort Gaststudent – bald stehen für Zenker die Aufnahmeprüfungen für das Vollstudium an. Zeit, Kindern und Jugendlichen Schlagzeug und Co. beizubringen, wird dann fehlen.
Jonathan Zenker: Nach dem Studium weiter unterrichten?
„Ich könnte mir inzwischen aber auf jeden Fall vorstellen, eines Tages weiter zu unterrichten“, erzählt Zenker. Die finale Entscheidung möchte er jedoch erst im Laufe seines Studiums treffen. Klar ist hingegen bereits jetzt, dass – egal welchen Berufsweg er einmal einschlagen wird – eines dabei nicht fehlen darf: die Musik.
Oftmals unterrichten Studierende an Musikschulen
Vor Jonathan Zenker hat Tatjana Engling den Rekord für die jüngste Lehrkraft an der Musikschule Giengen gehalten. Sie fing dort im Alter von 20 Jahren an, heute unterrichtet sie Gitarre.
Auch wenn die meisten Lehrkräfte an der Musikschule studierte Musikerinnen und Musiker sind, sind Quereinsteiger laut Marion Zenker nicht ungewöhnlich. Viele Studierende, auch an anderen Musikschulen, unterrichten während ihres Studiums und finanzieren sich dieses dadurch zum Teil. „Ich finde es wichtig, früh Unterrichtserfahrung zu sammeln“, sagt Zenker.
Ein gewisser Qualitätsstandard muss laut Marion Zenker dennoch eingehalten werden. Das gebe der Verband deutscher Musikschulen, deren Mitglied die Giengener Einrichtung ist, vor.