Wie läuft es derzeit in Giengener Unternehmen?
Fachkräftemangel, steigende Kosten, stockende Lieferketten, zuvor die Pandemie – in den vergangenen Monaten löste bei vielen Unternehmen ein Problem das nächste ab. Oder es traten neue Schwierigkeiten auf, als die alten noch gar nicht aus dem Weg geräumt waren.
Je nachdem, in welcher Branche eine Firma steckt, hat sie die weltweiten Entwicklungen zuletzt mehr oder weniger zu spüren bekommen. Bei Röhm in Sontheim beispielsweise lautet Kurzarbeit die logische Folge fehlender Aufträge.
Wie erleben Giengener Unternehmen die Situation? Vorneweg: Einige Unternehmen, allen voran kleinere, möchten sich dazu nicht in der Zeitung äußern. Manch größeres Unternehmen meldete sich auf Anfrage nicht zurück. Was sagen diejenigen, die zu den Fragen Stellung genommen haben?
BSH auf gutem Kurs
Da haben wir zunächst die BSH Hausgeräte GmbH. Das Unternehmen, so erklärt es ein Sprecher, konstatiert mit Blick auf das verbleibende Jahr eine gute Auslastung. „Für das Jahr 2023 rechnen wir mit einer weiterhin guten Auslastung und einer Produktionszahl auf demselben gerundeten Niveau“, heißt es.
In Bezug auf die Geschäftslage befinde sich die BSH auch 2022 in einem unbeständigen Marktumfeld – insbesondere in Deutschland und Europa. Dennoch geht man beim Unternehmen davon aus, dass es auch im nächsten Jahr weiter wachsen wird.
Großteil der Geräte lieferbar
Wesentliche Herausforderungen blieben die hohe Inflation und die damit verbundenen Kostensteigerungen sowie die nach wie vor problematische Verknappung von Materialien und Elektronik. „Wir unternehmen weiterhin alle möglichen und sinnvollen Anstrengungen, um die Situation zu bewältigen und die Auswirkungen auf unsere Kunden so gering wie möglich zu halten“, schildert der Sprecher. Der Großteil der Hausgeräte, auch derer aus der Giengener Produktion, sei mittlerweile aber wieder gut lieferbar. Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen des Kriegsgeschehens in der Ukraine und der Null-Covid-Strategie in China blieben.
Baubranche spürt erst jetzt Delle
In der Baubranche kennt sich Gabi Fetzer von Bau Fetzer in Hohenmemmingen aus und stellt zunächst eines klar: „In der Baubranche verhält es sich wegen der langen Vorplanung meist gegengleich zu den Konjunkturwellen. Bei uns sah es lange noch gut aus, da war es bei anderen schon viel schlechter. Erst jetzt spüren auch wir eine Delle, weil die Aufträge nach und nach abgearbeitet sind und momentan niemand etwas Neues plant.“
An einem Beispiel kann sie die Entwicklung ganz gut schildern: Im Januar dieses Jahres habe ein Architekt eine Baufirma für einen Anbau gesucht, aber niemanden gefunden. Jetzt habe er für einen ähnlichen Auftrag neun Angebote, weil sich alle Firmen auf die wenigen Angebote bewerben.
Beton anrühren viel teurer
Nicht an den Bauunternehmen vorbei gingen zuletzt die steigenden Preise. Es sei jetzt durch die hohen Energiepreise natürlich viel teurer, Beton herzustellen, wodurch die festgelegten Preise in vor zum Teil einem Jahr abgeschlossenen Verträgen bei weitem nicht mehr passten. „Wir können dann zum Bauherr gehen und Kompromisse schließen, letztlich ist Vertrag aber Vertrag“, so Fetzer.
Preise teilweise vervielfacht
Ganz ähnlich klingt das auch beim Giengener Standort der Albert Ziegler GmbH: Marketingleiter Matthias Mühlbacher erklärt nach Absprache mit CSO (Chief Security Officer) Angus Yan, dass sich durch die in der Branche üblichen, langen Projektdurchlaufzeiten von Auftragsvergabe, über Produktion bis hin zur Auslieferung – hier spreche man über einen Zeitraum von 12 bis 14 Monaten – zwangsläufig deutliche Lücken zwischen der Angebotskalkulation und dem finalen Ergebnis ergeben.
„Preise von vor über einem Jahr, die Basis für eine Angebotskalkulation waren, haben sich im Extremfall teilweise vervielfacht. Aufgrund des vorgeschriebenen Ausschreibungsverfahrens in unserer Branche besteht aber keine Möglichkeit, diese Sondereffekte nach der Auftragsvergabe entsprechend abzufangen“, so Mühlbacher.
Verlängerte Lieferzeiten
Neben dem Anstieg der Energiekosten seien auch Materialengpässe eine große Herausforderung für Ziegler. Speziell der Chipmangel führe zu extrem verlängerten Lieferzeiten bei den Fahrgestellen. „Im Jahr 2020 betrug die Lieferzeit für ein Fahrgestell rund vier bis sechs Monate nach Auftragserteilung. Heute warten wir als Aufbauhersteller teilweise 12 bis 18 Monate.“
Dennoch sprechen Mühlbacher und Yan von einem weiterhin sehr hohen Auftragsbestand. Wegen der hohen Angebotslegung und dadurch, dass neue Produkte von den Kunden sehr gut angenommen würden, sei für die meisten Produktionsbereiche eine gute Auslastung bis ins Jahr 2024 sichergestellt.
Mühlbacher räumt aber ein: „Die aktuellen Herausforderungen machen sich zunehmend bemerkbar und sind auch für gesunde Unternehmen nicht ohne Anstrengungen zu bewältigen“ Mit der China International Marine Containers, der das Giengener Traditionsunternehmen seit 2013 angehört, habe Ziegler zusätzlich einen starken finanziellen und strategischen Rückhalt.
Was wird konkret getan?
Und wie wird nun vor Ort konkret mit den Schwierigkeiten umgegangen? „Wir versuchen natürlich, die stark steigenden Energiekosten durch gezielte Maßnahmen bestmöglich zu kompensieren. So wurden alle Mitarbeitenden nochmals auf einen besonders sparsamen Umgang mit den Energieverbrauchern sensibilisiert, aber beispielsweise auch veraltete Leuchtmittel gegen moderne LED-Leuchten ausgetauscht. Weitere Maßnahmen, wie eine Ausweitung des mobilen Arbeitens, sind möglich, um gewisse Büro-Bereiche auf einen kleinstmöglichen Energiebedarf absenken zu können“, erklärt der Marketingleiter.
Wünsche richtet das Unternehmen auch an die Politik: „Natürlich würden Obergrenzen für die wesentlichen Energieträger helfen und auch eine Planung in der Zukunft entsprechend verbessern“, so Mühlbacher. Darüber hinaus müsse in der Branche dringend für eine Preisgleitklausel gekämpft werden, die es dem Anbieter erlaube, bei weiterhin stark steigenden Kosten für Material oder Energie, diese Mehrkosten entsprechend weiter zu berechnen. Bei anderen Vergabeverfahren im öffentlichen Bereich sei das längst Praxis und gelte natürlich auch umgekehrt bei sinkenden Preisen.
Und wie steht es um die Fachkräfte?
Gabi Fetzer kann sich in Sachen Personal nicht beklagen. „Wir mussten in 60 Jahren nicht eine einzige Stelle ausschreiben“, sagt sie. Viele der Beschäftigten kämen aus Bayern, weil die Regelungen in der Baubranche in Baden-Württemberg attraktiver seien, es hier etwa nicht mehr zugelassen sei, dass Unternehmen ihre Angestellten während des Winters freistellten.
Für Ziegler schildert Mühlbacher, dass es momentan nicht einfach sei, speziell ausgebildete Fachkräfte zu finden – sowohl im Produktions- und Entwicklungsbereich, aber auch in der Verwaltung. „In der aktuellen Zeit ist es wichtiger denn je, sich als Arbeitgeber klar auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren. Deshalb werden wir auch künftig versuchen, allen Mitarbeitenden ein möglichst optimales Arbeitsumfeld zu bieten.“
Noch Studienplätze frei
Und bei der BSH? „Von einem Fachkräftemangel können wir – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – noch nicht sprechen. Im qualifizierten und hochqualifizierten Bereich besetzen wir die Stellen häufig intern.“
Für die Ausbildungsplätze und Studienplätze an den Dualen Hochschulen gehe die Anzahl an Bewerbungen kontinuierlich zurück. Die Ausbildungsplätze für das kommende Jahr seien besetzt, die Studienplätze an den Dualen Hochschulen aber noch nicht komplett vergeben.
Im Montagebereich decke man die Auftragsspitzen mit zeitbefristeten Beschäftigungsangeboten oder Leiharbeitskräften ab. „Allerdings ist es im Bereich der Anlerntätigkeiten nicht einfach, die Stellen mit gut geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten besetzen zu können. Wir sprechen also eher von einem Arbeitskräftemangel als von einem Fachkräftemangel.“