17. Giengener Kulturnacht

Wie Nachtschwärmer bei der Giengener Kulturnacht auf ihre Kosten kamen

Ein exquisites Programm voller Vielfalt hielt die zahlreichen Besucher der Giengener Kulturnacht am Samstag bis weit nach Mitternacht auf Trab.

Zum Auftakt Geigen: Die irische Fiddle in der Schranne und die Konzertvioline in der Stadtkirche zeigten gleich zu Beginn, welche Vielfalt die 17. Giengener Kulturnacht am Samstag an fünf verschiedenen Plätzen bereithielt. Frischen Wind von der Grünen Insel brachte die Celtic-Folk-Gruppe „Larún“ in die Schranne, und der war da auch dringend nötig: Denn sogar ein Stehplatz war dort zur Mangelware geworden, so dicht drängten sich die Menschen um die längst belegten Sitzplätze. Auch in der Stadtkirche war es voll geworden: Das barocke Venedig hielt Vivaldis Konzert für vier Soloviolinen Einzug und dürfte sich in der Stadt mit den vielen – mittlerweile überdeckten – Brenzarmen sehr wohlgefühlt haben. Vivaldis Gloria jedenfalls, vom Frauenchor „The Velvets“ und dem Kammerorchester der Städtischen Musikschule himmlisch dargeboten, dürfte den vielen Zuhörern aus dem Herzen gesprochen haben.

Rockiges im neuen Gewand gab es auch in der Stadtkirche: Der großartige Patrick Gläser entlockte der ehrwürdigen Link-Orgel mal ganz ungewöhnliche Töne. Markus Brandhuber

Apropos Venedig: Das Abkommen zwischen Petrus und der Stadt Giengen steht ganz offensichtlich nach wie vor, denn es waren geradezu venezianische Temperaturen, die für diese besondere Nacht beschert wurden. Noch um halb neun Uhr wurden 23 Grad angezeigt. Beste Voraussetzungen also für ein „Dolce Vita“ beim Umherstreifen durch das nächtliche Giengen, und das mag auch der Grund gewesen sein, warum diese Kulturnacht so außergewöhnlich gut besucht war. Bereits der Vorverkauf war der zweitbeste aller Kulturnächte, so Kulturamtsleiter Andreas Salemi, und es waren an die 750 Nachtschwärmer, die die Kombination aus erlesenem Programm und lauer Frühlingsluft aus den eigenen vier Wänden lockte.

Nachrichten mit Klaus Kinski

Und sie bekamen Erstklassiges zu hören und zu sehen. In der Schranne pfefferte Kabarettist Thomas Schreckenberger die Pointen nur so unters Volk. Mit seinen Pointen und Spitzen und nicht zuletzt seinen gelungenen Parodien sorgte er für jede Menge Lacher an diesem Abend. So führte er nicht nur Robert Habeck vor, sondern auch Friedrich Merz und Angela Merkel als Romeo und Julia, wobei auch Karl Lauterbach eine Rolle zukam, und aus der Tragödie wurde flugs eine herrliche Komödie. Und schließlich hatte er auch noch neben vielen Seitenhieben auf die aktuelle politische Situation Klaus Kinski in petto, der sachliche Nachrichten in höchst emotionale verwandelte.

Ordentlich Lacher konnte auch Marcus Jeroch in der Stadtbibliothek verbuchen: Wie er sich einen ganz neuen Reim auf Dornröschen machte, das statt von einem Prinzen vom Froschkönig persönlich wachgeküsst wurde, das war schon sehr erfrischend. Er jonglierte aber nicht nur mit Worten, sondern nutzte dafür auch Bälle und hatte auch einiges an Akrobatik und Slapstick zu bieten. Auch in der Bergschulturnhalle war es voll geworden: Kabarettist Josef Brustmann, immer gern gesehener Gast in den hiesigen Stätten der Kleinkunst, enttäuschte auch dieses Mal nicht mit seinem Programm aus dem Mausoleum gescheiterter Kanzlerkandidaten, wie er seine oberbayerische Heimat auch gern nennt. Obendrein entlockte er seiner Zither wieder nicht nur Stubenmusik, sondern auch Unerwartetes: „Highway to hell“ klingt doch gleich viel gemütlicher, wenn es aus diesem Instrument gezaubert wird.

Patrick Gläser rockte an der Orgel. Markus Brandhuber

Rockiges im neuen Gewand gab es auch in der Stadtkirche: Der großartige Patrick Gläser entlockte der ehrwürdigen Link-Orgel mal ganz ungewöhnliche Töne. Coldplays „Viva la vida“ beispielsweise, aber auch den Rockklassiker „Smoke on the water“, Heavy Metal mit „Nothing else matters“, Gassenhauer wie „An Tagen wie diesen“ – eine bunte Auswahl hatte Gläser zusammengestellt. Und die bekannten Hits wirkten ebenso vertraut wie auch gänzlich neu, sie bekamen sogar in seiner Orgel-Interpretation fast etwas Weihevolles, in das sich gut versinken ließ. Ganz besonders galt dies für die Filmmusik, die Gläser im Programm hatte: „Interstellar“ beispielsweise von Hans Zimmer sorgte für eine geradezu außerirdische Stimmung.

In der Stadtbücherei ließ Rainer Markus Wimmer Erfolgsautor Michael Ende, der heuer seinen 95. Geburtstag gefeiert hätte, hochleben. In der Bergschulturnhalle gab es Folk-Rock von „Vivid Curls“, der verzaubern konnte, und immer wieder wechselten die Besucher die Lokalität, um unter anderem auch eine Stärkung im Haus der Jugend zu sich zu nehmen – die über vier Stunden Programm forderten schließlich ihren Tribut.

Hymne auf das Dampfbügeleisen

Volles Haus auch in der Schranne. Markus Brandhuber

Und als wäre das nicht schon alles bunt und attraktiv genug, gab es in der Schranne auch noch A-Cappella-Gesang vom Feinsten. Wobei mit „Gesang“ nur unzureichend beschrieben ist, was „Cash-n-Go“, die „Mehrgenerationentruppe“ aus Augsburg da abzogen. Eine wahre Show lieferte das Ensemble da ab mit ihren frischen eigenen Arrangements bekannter Hits quer durch die Genres da ab. Die Mischung aus Lieblingshits aus der Pubertät der fünf Sänger und ihrer Sängerin, die mit „Raumschiff Enterprise“, „Grease“ und Ixis „Knutschfleck“ ganz wild daherkam, noch wilder gar die Melange aus 86 Liedern, alle basierend auf vier Akkorden, von „Atemlos“ bis „Aisha“, von „Down under“ bis zu den „Country Roads" – zu schnell, um mitzuzählen, zu gut, um nicht hingerissen zu sein, der Kraftwerk-Hit „Das Model“ abgewandelt zu „Sie heißt Rowenta und sie sieht gut aus“ als Hymne auf das Dampfbügeleisen mit all den Synthesizer-Hooklines im Gesang, das war so recht nach dem Geschmack des Publikums, das Humor und Harmoniegesang der Gruppe mit Beifall im Stehen belohnte. Das „Saturday Night Fever“, das in dem Bee-Gees-Medley urkomisch wie beeindruckend in den höchsten Tönen wie bei den Gibb-Brüdern besungen wird, es stand an diesem Abend für die komplette Kulturnacht, die Herz, Kopf und Beine auf das Schönste in Bewegung hielt.

Und auch zum Ausklang nochmals Geigen: „Larún“ ließ nochmals die Kelten und ihre Musik aufleben. Wobei damit noch lange nicht Schluss war: Die Stadtkapelle Giengen sorgte dafür, dass auch weiterhin die Nacht zum Tag gemacht werden konnte und all die Nachtschwärmer und Nachteulen auch weit nach Mitternacht auf ihre Kosten kamen.

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