Wie Robert Werner aus Giengen seine Arbeit in der katholischen Kirche erlebt und was er über deren Lage denkt
Robert Werner ist aus der katholischen Kirchengemeinde Giengen wohl nur schwer wegzudenken. Knapp 20 Jahre begleitete er als Jugendreferent unter anderem die St.-Georgs-Pfadfinder und die Kolpingjugend, organisierte Ministrantenfreizeiten, war in der offenen Jugendarbeit tätig und etablierte das Projekt "HimbeEr". Sein Abschied ist auch kein wirklicher Abschied: Als Referent für Engagemententwicklung bleibt der 59-Jährige der Gemeinde in ähnlicher Funktion erhalten.
Herr Werner, Sie haben knapp zwei Jahrzehnte mit jungen Menschen zusammengearbeitet. Warum haben sie ihre Stelle als Jugendreferent aufgegeben?
Nach Corona ist die traditionelle Entwicklung, dass man als Ministrant beginnt, dann Gruppenleiter wird und später die Freizeiten vorbereitet, eingebrochen. Die Jugendarbeit hätte also wieder neu angefangen und aufgebaut werden müssen. Da fand ich dann, mit 59 Jahren ist es an der Zeit zu sagen, das sollen dann jüngere Leute machen. Ein Problem war auch, dass es den Jugendlichen immer schwerer fiel, mich zu duzen (lacht).
Was waren denn ihre Aufgaben als Jugendreferent?
Die Kernaufgabe der Jugendarbeit ist nicht, für die Jugendlichen etwas zu machen, sondern sie zu befähigen, dass sie es machen können. Zum Beispiel Jugendgottesdienste waren dann am erfolgreichsten, wenn die jungen Menschen den Gottesdienst selber gestaltet und gefeiert haben. Die zweite wichtige Aufgabe ist, Rahmenbedingungen zum Beispiel im Jugendhaus zu schaffen und auch immer als starkes Back-Up zur Seite zu stehen.
Was war Ihnen bei der Arbeit mit jungen Menschen besonders wichtig?
Die Grundvoraussetzung ist die Beziehung auf Augenhöhe. Das Zweite ist, dass Jugendliche ganz viel Potenzial haben, sich aber selber oft im Weg stehen. Diesen Knoten aufzumachen und zu sagen "Du kannst das. Mach das" finde ich sowas von spannend, wenn es dann gelingt. Das ist einfach genial.
Sie haben auch das Projekt "HimbeEr" begleitet. Was hat es damit auf sich?
"HimbeEr" ist eine Abkürzung für "Himmel berührt Erde". Es geht darum, zusammen mit den Jugendlichen Orte zu finden, an denen man das erfahren kann. In der Regel ist das bei der Diakonie der Fall, also wenn man anderen Menschen helfen kann. Beispielsweise beim Sozialprojekt 72-Stunden-Aktion zu spüren, dass es eben mehr ist als nur nett beieinander zu sein und einen Tag schulfrei zu haben.
Die katholische Kirche hat aus verschiedenen Gründen gerade bei jungen Menschen einen schweren Stand. Inwiefern haben Sie das in Ihrer Arbeit bemerkt?
Ich hatte damit eigentlich überhaupt kein Problem. Rein zahlenmäßig waren wir nicht viel schwächer als vor 30 Jahren. Die Jugendlichen haben sich auch gegenseitig motiviert, das hat sehr gut funktioniert. Die Pfadfinder hatten 2009 eigentlich keine Gruppenarbeit mehr, aber haben sich dann wieder berappelt und hatten wieder 50 bis 60 aktive Mitglieder. Es war eher so, dass etwa im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ein Präventionskonzept erstellt werden musste. Nach Corona, wo Traditionen wie gemeinsames Übernachten ein bisschen abgerissen sind, haben Eltern aber dann mehr Fragen gestellt und diejenigen die eh schon distanziert zur Kirche waren, fühlen sich jetzt bestätigt.
Haben Sie trotzdem das Gefühl, dass die katholische Kirche etwas verändern muss, um bei den jungen Menschen wieder besser anzukommen?
Die Herausforderung für die Kirche sind die jungen Familien. Das ist die Zielgruppe, die wir am meisten verloren haben. Grundsätzlich ist natürlich die Frage: Was ist die Zukunft? Wohin wollen wir gehen? Da geht es um die Frage der Frauen, die Offenheit für sexuelle Orientierungen und so weiter. Es ist einfach lächerlich, als Kirche überhaupt über die Themen zu reden. Selbst wenn man sie umsetzt, ist man ja erst bei Null.
Was meinen Sie damit?
Wir sind noch nicht sympathisch dadurch, sondern haben nur unsere Hausaufgaben gemacht. Da muss viel schneller mehr passieren und diese Veränderung hat sicher auch mit Jugendarbeit zu tun. Die wird sich sicher weg von Gruppen entwickeln, eher in Richtung Projekte wie zum Beispiel die 72-Stunden-Aktion. Auch die Zusammenarbeit mit Schulen oder der kommunalen Jugendarbeit wird mehr werden müssen. Das wird eine spannende Herausforderung.
Einen Teil können sie vermutlich in Ihrem neuen Job als Referent für Engagemententwicklung in der Gemeinde beitragen. Was sind dort Ihre Aufgaben?
Es ist kein großer Unterschied zur Arbeit als Jugendreferent, nur eben für jede Altersklasse. Es geht darum, dass Menschen ihre Fähigkeiten und Talente entfalten können.
Was haben Sie sich denn selbst noch vorgenommen in ihrer Arbeit?
Wir werden noch größere Gemeinden, weniger pastorale Personen und auch weniger Ehrenamtliche bekommen. Ich will trotz dieser Probleme Lösungen finden und Ideen, was einen Christen ausmacht, entwickeln und umsetzen. Zudem will ich unser Café "OGG", das aktuell immer am Mittwochnachmittag stattfindet, ausbauen. Dort können wir dann Ideen sammeln. Das große Ziel ist, dass Menschen selbstständig sagen: Wir kümmern uns zum Beispiel darum, dass Obdachlose ihr Abendessen bekommen am Mittwoch.
Zur Person Robert Werner
Robert Werner ist in Herbrechtingen geboren und wuchs in Giengen auf. Er studierte Theologie und war anschließend viel unterwegs und vermittelte sein Wissen über den Glauben. 2001 kehrte er nach Giengen zurück, drei Jahre später trat er die 30-Prozent-Stelle als Jugendreferent in der katholischen Kirchengemeinde an. Inzwischen arbeitet der 59-Jährige mit 50 Prozent als Referent für Engagemententwicklung und lebt mit seiner Familie in Giengen.