Die Giengener Rehaklinik ist geschlossen und geräumt, das lange Kapitel der Krankenhausgeschichte am Fuße des Schießbergs ist geschlossen. Im Hintergrund laufen derzeit Gespräche, wie es mit der Immobilie weitergehen wird, die der Heidenheimer Klinikgesellschaft gehört. Giengens Oberbürgermeister Dieter Henle bestätigt, dass auch die Stadtverwaltung eine künftige Nutzung auslotet. Konkrete Pläne gebe es aber noch nicht. Sicher ist wohl nur eines: Ganz an den Ursprung seiner Nutzung wird das Gebäude nicht zurückkehren. Damals nämlich war es ein Bierkeller.
Das Klinikgebäude wandelte sich über Jahrzehnte immer wieder
Sicher ist auch: Das Klinikgebäude an der Hirschstraße war einmal eine regelrechte Schönheit. Auf einer Postkarte vom Anfang des 20. Jahrhunderts ist das damalige städtische Krankenhaus zu sehen. In der Mitte erhebt sich ein dreistöckiger Giebel, zwei niedrigere Seitenflügel schließen sich an. Das Gebäude wirkt wie ein herrschaftliches Haus. Erkennen kann man diesen frühen Zustand nur noch anhand des mittigen Balkonvorbaus mit seinen verzierten Eisensäulen, der heute noch vorhanden ist. Später wurde aber aufgestockt, links und rechts wurde neue Trakte angebaut. Die Zweckorientierung ließ den architektonischen Reiz weitgehend verblassen. Die Klinik könnte auch ein Wohnblock aus den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts sein. Giengens Klinikgeschichte ist aber noch einmal rund hundert Jahre älter.
Ab 1864, so lässt es sich im Archiv der Heidenheimer Zeitung nachlesen, betrieb die Stadt Giengen im ehemaligen Siechenhaus an der Heidenheimer Straße ein sogenanntes Dienstbotenkrankenhaus. Optimale Versorgung war dort aber offenbar nicht gewährleistet, wie der Giengener Stadtarzt Dr. Piesberger 1887 in einem Bericht an den Gemeinderat rückmeldete. Man war sich zwar einig, dass Giengen – damals rund dreitausend Einwohner stark – ein modernes Krankenhaus brauchte. Der Wunsch scheiterte freilich an der Finanzierung, das gab es auch schon im 19. Jahrhundert.
Die Lage für die Kranken in Giengen und Umgebung änderte sich freilich, als wenige Jahre später etliche Krankenversicherungen entstanden, darunter die Betriebskrankenkasse der Vereinigten Filzfabriken. Deren damaliger Vorstand machte am 10. Mai 1889 Nägel mit Köpfen und bot der Stadt an, den einstigen Kannenkeller an der Hirschstraße zum Bau überlassen. Das Gebäude gehörte zu dieser Zeit den Filzfabriken. Mehr noch: Man legte sogar noch 10.000 Mark für den Umbau obendrauf. Der Gemeinderat zierte sich nicht lange und griff zu.
Im 19. Jahrhundert war das Giengener Krankenhaus fast so groß wie das Heidenheimer
Im Jahr 1890 wurde der Bierkeller umgebaut, das Gebäude erhielt Krankenzimmer, einen Operationssaal, eine Küche, Waschräume und auch Räume für die Krankenschwestern. Damals eröffnete das Krankenhaus mit 24 Betten. Nur eine Handvoll mehr hatte es zuletzt auch in der Nutzung als geriatrische Rehaklinik. Das wenige Jahre zuvor gegründete Bezirkskrankenhaus in Heidenheim war kaum größer und verfügte seinerzeit über 35 Betten.
So modern das Haus auch war, aus heutiger Sicht herrschten noch recht rustikale Sitten: „Leicht erkrankte Personen haben bei der Reinigung ihrer Zimmer behilflich zu sein und auch nach Anordnung des Krankenhausarztes bei sonstigen Haushalts- und Gartengeschäften mitzuwirken.“ So stand es in der Hausordnung.
Einige Jahrzehnte lang konnte das Giengener Stadtkrankenhaus auf dieser Basis gut wirtschaften. Als die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zuzug Heimatvertriebener stark wuchs, musste auch die Krankenversorgung nachziehen. Anfang der 1950er-Jahre wurde an der Hirschstraße kräftig angebaut, die Bettenzahl wuchs auf 39.
Gut zehn Jahren später gab es noch deutlich größere Pläne: Nach einem Beschluss des Gemeinderats und des Kreistags sollte der Landkreis die Trägerschaft des Giengener Krankenhauses übernehmen und es auf rund 100 Betten ausbauen. Die Übernahme wurde zwar zum 1. Januar 1966 vollzogen, zum erneuten Ausbau kam es allerdings nicht mehr, nachdem das Land beschlossen hatte, nur noch ein Großkrankenhaus in der Kreisstadt zu bezahlen.
Ab 1998 wurde die Geriatrische Rehaklinik betrieben
Weitere zwei Jahrzehnte später, Mitte der 1980er-Jahre, wurde die Wirtschaftlichkeit des kleinen Krankenhauses erneut hinterfragt, eine Schließung rückte bedrohlich nahe, wurde zunächst jedoch abgewendet. Nach einer Generalsanierung standen 30 Betten für Innere Medizin und eine chirurgische Ambulanz zur Verfügung.
In den Neunzigerjahren endete nach gut einhundert Jahren dennoch die Ära des regulären Krankenhauses. Im Oktober 1996 erfolgte der Spatenstich für den sechs Millionen Mark teuren Umbau für die nun letzte Nutzung. „Geriatrische Rehaklinik soll den Weg ins Heim ersparen“ titelte die HZ anlässlich des Baustarts. 25 Jahre lang wurden ab 1998 noch betagte Menschen nach schweren Erkrankungen oder Operationen hier versorgt. Im vergangenen Dezember beschloss der Kreistag endgültig die Schließung.
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