Wechsel im Stadtarchiv

Wie sich der neue Archivar Alexander Gebhardt mit der Giengener Geschichte vertraut macht

Das Giengener „Langzeit-Gedächtnis“ steht seit 1. März unter neuer Leitung. In der Übergangsphase ist Alexander Gebhardt dankbar über Unterstützung durch Vorgänger Alexander Usler.

Für Alexander Gebhardt war’s ein doppelter Sprung ins kalte Wasser: Am 28. Februar kam der gebürtige Oberpfälzer nach Giengen. Zwei Tage später saß er bereits am Schreibtisch des Giengener Stadtarchivs in der Friedrich-List-Straße 8. Ziemlich exakt 200 Kilometer von seinem bisherigen Heimatort Sulzbach-Rosenberg entfernt, begann für den 30-Jährigen quasi über Nacht ein neuer privater und beruflicher Lebensabschnitt.

Inzwischen hat Gebhardt die ersten Wochen in Giengen hinter sich und kommt in der Stadt weitgehend „ohne Navi zurecht“. Das Einarbeiten wurde und wird ihm vor allem auch dadurch erleichtert, dass er in der Übergangsphase noch wertvolle Unterstützung von seinem Amtsvorgänger erhält. Der trägt zufällig denselben Vornamen – was man durchaus als gutes Omen dafür werten kann, dass Alexander Usler und Alexander Gebhardt problemlos miteinander klarkommen.

„Ich erfahre hier wirklich eine gute Einarbeitung“, lobt Gebhardt das Zusammenwirken mit seinem Vorgänger. Dr. Usler ist seit April vergangenen Jahres in Ruhestand, die Leidenschaft für die bewegende Geschichte seiner Heimatstadt macht es ihm aber leicht, bei Bedarf gerne hilfreich zur Seite zu stehen. „Irgendwie ist das ja auch mein Baby“, sagt der Pionier unter den hauptamtlichen Leitern des Giengener Stadtarchivs, der mehr als drei Jahrzehnte lang die historische Schatzkammer gehütet hatte.

Bedeutung des Kinderfests sofort erkannt

Es gehe natürlich darum, „die interne Logik“ möglichst schnell zu begreifen, beschreibt Alexander Gebhardt das erste große Ziel. Darüber hinaus ist es für den bislang ortsfremden Neu-Giengener aber auch wichtig, schnell zu erfassen, welche Ereignisse oder Namen in der Großen Kreisstadt von besonderer Bedeutung sind. So weiß Gebhardt inzwischen um die Bedeutung des Giengener Kinderfestes als lokaler „Nationalfeiertag“ und kann beispielsweise auch mit den wichtigsten Personen der Familie Hähnle einiges anfangen.

Fürs Forschen bleibt Gebhardt in der Anfangsphase allerdings nicht viel Zeit. Erst einmal muss einiges aufgearbeitet werden.  Eine immense Aufgabe wartet auf ihn aufgrund des geplanten Abrisses des Gebäudes gegenüber dem Rathaus in der oberen Marktstraße. Dort ist bislang das Bauamt der Stadt untergebracht, und im Keller lagern Unmengen von Akten, die ins Magazin des Stadtarchivs geholt werden und dann bearbeitet werden müssen. Dabei sind Vorgaben zu beachten: Ratsprotokolle, Haushaltspläne oder Standesamtsunterlagen etwa dürfen nicht entsorgt werden.

Tagesgeschäft wird nicht vernachlässigt

Da gleichzeitig auch das Tagesgeschäft, wie etwa das Bearbeiten von Anfragen, nicht zu vernachlässigen sei, werde sicherlich einige Zeit verstreichen, bis dieser Aktenberg abgearbeitet sei. Auch in dieser Hinsicht ist Gebhardt dankbar, wenn ihm sein Vorgänger noch unter die Arme greift.

Doch auf den Neuen in der Giengener Stadtverwaltung kommen auch ganz neue Aufgaben zu. Dazu gehört beispielsweise die Digitalisierung. In dieser Sache verfügt Gebhardt über wertvolle Erfahrungen, die er im Rahmen seiner vorausgegangenen Tätigkeit im Archiv des Sankt-Katharinen-Spitals in Regensburg gesammelt hat.

Auch in anderer Hinsicht bringt der jetzige Leiter des Stadtarchivs Fähigkeiten mit, die sehr nützlich sein werden. „Er kann Handschriften aus dem 15. Jahrhundert sehr gut lesen. Das kann man nicht lernen, das muss man üben“, verrät Usler über seinen Nachfolger.

Damals, so Gebhardt, habe es ja noch keine Hochsprache gegeben. „Man hat so geschrieben, wie man gesprochen hat.“ Und ist bei der Anordnung von Buchstaben teilweise auch dem Sprachgefühl gefolgt, das wiederum je nach Dialekt ganz unterschiedlich sein konnte. „Ich habe zum Beispiel das Wort Ayr entdeckt. Im Textzusammenhang lässt sich dann erschließen, dass es sich um Eier handelt“, berichtet Gebhardt.

Wolle man den Eigenheiten der damaligen Stadtschreiber auf die Spur kommen, helfe es bisweilen, „mal selbst so zu schreiben, vielleicht sogar ein bisschen auf dem Blatt zu schmieren“. Durch das Einüben in den Schreibstil lasse sich mancher Buchstabe und manches Wort besser entschlüsseln. Aufgrund solcher Vorkenntnisse kann sicher auch manches Unerforschte aus dem 15. Jahrhundert noch ans Tageslicht befördert werden. „Mit der Belagerung Giengens im Jahr 1462 beispielsweise hat sich noch nie jemand beschäftigt“, nennt Alexander Usler eine der historischen Lücken.

Was der neue Archivar bisher machte

Alexander Gebhardt hat in Regensburg Geschichte studiert (Bachelor und Master) sowie im zweiten Hauptfach Politikwissenschaft (Bachelor). Nach dreijähriger Tätigkeit im Spitalarchiv in Regensburg bewarb er sich bei mehreren Kommunen im süddeutschen Raum auf jeweilige Stellengesuche für archivarische Tätigkeiten.

Die Stelle in Giengen war für ihn vor allem auch deshalb historisch interessant, weil es sich um eine Stadt mit reichsstädtischer Vergangenheit handelt. Hier gebe es sicher auch über auswärtige Quellen noch einiges zu entdecken. Von der Zeit vor dem Stadtbrand 1634 etwa existieren im Giengener Archiv gerade noch sechs Bände an Ratsprotokollen.

In seiner Freizeit beschäftigt sich Gebhardt gerne mit 3-D-Drucken, er baut und bemalt Modelle und schaut Serien, vorzugsweise im Bereich D&D (Dungeons&Dragons).

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