Bleibt der Planentwurf unverändert, könnten ab Oktober dieses Jahr etwas mehr als 2,6 Prozent der Fläche Ostwürttembergs als Vorranggebiete für die Windkraft ausgewiesen sein. Einen weiteren Schritt auf diesem Weg hat der Planungsausschuss des Regionalverbands Ostwürttemberg am vergangenen Freitag in der Königsbronner Hammerschmiede mit dem Beschluss des zweiten Anhörungsentwurfs bewältigt: Die Zahl der geplanten Gebiete wurde von 30 auf 20 verringert, viele der Flächen wurden in der Größe angepasst. Am 26. Februar wird sich die Verbandsversammlung bei ihrer Sitzung in Oberkochen mit dem Entwurf befassen.
Das Verfahren läuft schon seit Ende 2022. Grundsätzlich in Frage gestellt wurde die Windkraftnutzung im Ausschuss daher nur am (rechten) Rande. In der ersten Runde der Bürgerbeteiligung und Anhörung der Träger öffentlicher Belange gingen beim Regionalverband 359 Stellungnahmen ein, die in den zweiten Entwurf eingearbeitet wurden. Dennoch wollte der Bopfinger Bürgermeister Dr. Gunter Bühler (CDU-Fraktion) nicht ausschließen, dass eine dritte Anhörungsrunde nötig werden könnte.
Diskussion um die Nummer 43
Bezogen auf den Landkreis Heidenheim wirft das Windkraft-Vorranggebiet mit der Nummer 43 auf Gerstetter Gemarkung derzeit womöglich die meisten Fragen auf. Die Verbandsverwaltung hatte das mit 24 Hektar recht kleine und zudem zweigeteilte Gebiet östlich von Heutenburg und nördlich von Erpfenhausen wegen Kleinräumigkeit und Artenschutzbedenken gestrichen, so der Verbandsvorsitzende Gerhard Kieninger. Bühler wiederum verwies auf einen Gerstetter Gemeinderatsbeschluss zugunsten des Gebietes. „Muss man da so streng sein?“, fragte auch der frühere Aalener Oberbürgermeister und IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler (SPD). Es gebe für diese Fläche ein konkretes Projekt der Stadtwerke Heidenheim, das auch schnell umgesetzt werden könnte. Der Ellwanger Bürgermeister Volker Grab (B90/Die Grünen) wollte die beiden Flecken in einer Einheit mit dem nicht weiter umstrittenen Vorranggebiet 65 („Schönbühl“) sehen, das im östlichen Anschluss auf Gemarkung von Gerstetten und Herbrechtingen liegt. Das Argument der Kleinräumigkeit entfalle daher.
Werner Häcker (Freie Wähler), langjähriger Gerstetter Gemeinderat und früherer Ortsvorsteher von Gussenstadt, warnte hingegen eindringlich vor einer Wiederaufnahme der beiden Kleinflächen: „Das Gebiet ist nur ein Streitthema.“ Die Menschen in den betroffenen Weilern fühlten sich als „Bürger zweiter Klasse“. Als Gussenstadter wisse er, dass Windkraftnutzung nur mit Akzeptanz der Bürgerschaft machbar sei: Rund um den Gerstetter Teilort sind bereits 13 Anlagen in Betrieb.
Herbrechtinger Windpark einen Schritt weiter
Das Gebiet „Schönbühl“ ist im Zuge der ersten Anhörung von 267 auf 201 Hektar reduziert worden. Entfallen sind laut Verbandsverwaltung Teilflächen mit geringer Windhöffigkeit und solche, für die es derzeit kein Umsetzungsinteresse gibt. Die Stadt Herbrechtingen plant in diesem Bereich bereits seit geraumer Zeit mit einem Investor einen kommunalen Windpark. Gänzlich entfallen ist ein Vorranggebiet westlich von Bolheim im Bereich Rothau.
Die geplante Erweiterung des Vorranggebiets nördlich von Gussenstadt ist von 70 auf 42 Hektar verringert worden, auch um diesen Bereich zu entlasten. Ganz gestrichen wurde mit demselben Argument ein 36 Hektar großes Gebiet nordöstlich von Gussenstadt. Nicht zuletzt soll dadurch auch der Dudelhof bei Söhnstetten entlastet werden. Dass im Steinheimer Gemeinderat unlängst dennoch der Bau zweier Windräder östlich des Dudelhofs diskutiert wurde, ist planungsrechtlich kein Widerspruch: Kleinflächige Gebiete für Windkraft können von den Kommunen in Eigenregie über Bebauungsplanverfahren festgelegt werden.
Nahezu unverändert wurde eine Erweiterung des bestehenden Vorranggebiets südlich von Gnannenweiler nach Westen hin um 88 Hektar beschlossen.
Transformation: Windpark soll Zeiss versorgen
Als wichtigen Baustein für den wirtschaftlichen Transformationsprozess in der Region werden im Regionalverband zwei Teilflächen gewertet, die vor allem auf Oberkochener und Aalener Gemarkung liegen, zum Teil aber auch in das Gebiet von Königsbronn ragen. Auf diesen Flächen soll in namhafter Menge Windstrom für das geplante neue Zeiss-Werk nahe Ebnat erzeugt werden. Zum einen handelt es sich um die Erweiterung des Oberkochener Vorranggebiets östlich des neuen Industriegebiets an der B19, die nach der ersten Anhörung von 53 auf 44 Hektar reduziert wurde. Der Königsbronner Gemeinderat hatte die Erweiterung in seiner Stellungnahme abgelehnt, sodass man sich im Ausschuss darauf einigte, das Gebiet nach Möglichkeit so zu verkleinern, dass die Königsbronner Gemarkung nicht mehr berührt ist.
Weitaus mehr Fläche, nämlich 469 Hektar, sollte das Vorranggebiet südwestlich von Ebnat umfassen. Im zweiten Entwurf ist es nur noch 278 Hektar groß, weil man planerisch die An- und Abflugschneise des Elchinger Flugplatzes freigeräumt und Teilflächen mit geringer Windhöffigkeit herausgenommen hatte.
Vorranggebiet vs. Steinbruch
Entfallen ist zudem eine 38 Hektar große Erweiterung eines bestehenden Gebiets östlich von Ochsenberg. Der Grund: Südlich davon liegen die Steinbrüche im Waibertal, deren Abbaumöglichkeiten langfristig gesichert bleiben sollen. Gestrichen wurden auch 98 Hektar im Bereich Pfaffentäle und Diepertsbuch, beiderseits der Autobahn auf Heidenheimer Gemarkung. Dort nahm man an, dass durch einen weiteren Windpark die Orte Niesitz und Nietheim überlastet würden. Ebenfalls deutlich verkleinert wurde die geplante Erweiterung des Gebiets östlich der Autobahn im Bereich von Kleinkuchen und Nattheim. Statt 146 Hektar kommen lediglich noch 36 Hektar auf Nattheimer Gemarkung dazu. Von 211 auf 81 Hektar geschrumpft ist ein Gebiet zwischen Fleinheim und Dischingen, hauptsächlich um Fleinheim zu entlasten. Die Restfläche erstreckt sich entlang der Landkreisgrenze Richtung Syrgenstein.
Vollkommen geräuschlos passierte hingegen ein 127 Hektar großes Vorranggebiet östlich von Hermaringen den Ausschuss. Auch der örtliche Gemeinderat hatte der Fläche zugestimmt. Im Wald zwischen Burgberg im Norden, Sontheim/Brenz im Osten und Niederstotzingen im Süden soll zudem ein Vorranggebiet ausgewiesen werden, das jetzt noch rund 326 Hektar umfasst.
Was sind Vorranggebiete?
Die sogenannten Vorranggebiete sind Elemente der Regionalplanung. Wird eine Fläche zum Vorranggebiet für Windenergie erklärt, bedeutet dies nicht automatisch, dass dort auch umgehend ein Windpark gebaut wird. Allerdings ist nach der Festlegung eines Vorranggebiets dort keine andere „raumbedeutsame“ Nutzung mehr zulässig, es kann zum Beispiel dort nicht zusätzlich auch eine Freiflächen-Photovoltaikanlage entstehen.