Sie war schon auf dem Bauernhof und im Klinikum, im Kinderhort und in der Schleiferei, in der Garage und natürlich in der WCM. Die „Open“ hat es bereits an so manche, teils kuriose Orte im Landkreis Heidenheim geführt. Und das auf außerordentlich konsequente Art und Weise. Seit nunmehr 25 Jahren veranstalten die Künstlerinnen und Künstler des Heidenheimer Schmelzofen-Vereins jährlich am Muttertagswochenende eine große Kunstausstellung. Wechselnde Orte und variierende Konstellationen sind das Markenzeichen der „Open“.
Am 11. und 12. Mai ist es wieder so weit. Einmal mehr hält die Ausstellung dann in der ehemaligen Schwabengarage in Heidenheim Einzug. Wie damals in der WCM alles angefangen hat, warum hinter der „Open“ viele turbulente Jahre liegen und weshalb die Zukunft der Ausstellung praktisch schon immer ungewiss war, darüber sprechen die „Open“-Mitglieder Albrecht Briz, Johanna Senoner, Beate Gabriel, Nicoline Koch-Lutz und Gabriele Schneeweiß im Interview.
Vor ziemlich exakt 25 Jahren fand die allererste „Open“-Ausstellung statt. Wie war die eigentlich so?
Beate Gabriel: Die war toll! Als es morgens um 10 Uhr losging, hatten wir allerdings noch die Befürchtung, dass überhaupt keine Besucher kommen. Erst eine Stunde später trafen die ersten ein.
Gabriele Schneeweiß: Damals in der WCM war die „Open“ mit all den Bewohnern des Gebäudes durchmischt. Das war alles sehr lebendig.
Albrecht Briz: Gudula Pascher, die damals die Anlagen verwaltet hat, war glücklicherweise total Pro-„Open“. Im Prinzip meinte sie zu uns nur: Macht einfach mal.
Wurde das zum Motto der „Open“? Einfach machen?
Nicoline Koch-Lutz: Nein, eigentlich waren wir schon immer sehr strukturiert. Wir wollten nie groß von der Stadt subventioniert werden oder dass uns jemand reinredet, sondern stets freie Hand haben.
Schneeweiß: Selbst Sponsoren durften uns nur unterstützen, nie für sich selbst werben.
Die Zeit nach der Gründung des Schmelzofen-Vereins haben Sie mal als „lange, harte Pubertät“ bezeichnet. Was war da los?
Gabriel: 25 Künstler mit 25 Meinungen waren da los … (lacht)
Schneeweiß: Bei unseren Sitzungen ging es anfangs zu, das kann man sich gar nicht vorstellen. Doch es war immer sehr lebhaft.
Koch-Lutz: Es ging dabei vor allem um unsere Unabhängigkeit. Die „Open“ sollte nicht für Kommerz stehen. Wir haben damals auch Leute aus dem Verein ausgeschlossen, wisst ihr noch?
Briz: Ja, das wird uns auch teilweise heute noch vorgeworfen. Wir haben uns eben angemaßt, zu entscheiden, was Kunst ist und was vielleicht nur beiläufig entsteht. Da kann man sicher heute noch darüber diskutieren.
Koch-Lutz: Und das ist auch gut so.
Hitzige Diskussionen, impulsive Charaktere, chaotische Zustände – welche dieser Künstler-Klischees treffen zu?
Gabriel: Wir können schon ein bisschen chaotisch sein, solange wir jemanden haben, der den Überblick bewahrt.
Koch-Lutz: Inzwischen ist es weniger Chaos und mehr Routine. Sobald wir wissen, wo wir in dem Jahr ausstellen, beginnen Abläufe, die sich wiederholen. Dazu gehört Einladungen zu drucken, Sponsoren zu finden, Rundgänge zu planen und natürlich Künstler-Gäste einzuladen.
Diese Routine spricht ja für die lange Erfolgsgeschichte der „Open“. Was ist Ihr Geheimnis?
Gabriel: Vermutlich, dass es zwischen zwei Ausstellungen immer eine lange Pause gibt.
Johanna Senoner: Das sind die einzigen beiden Tage im Jahr, an denen wir alle zusammen sind. Dieser Termin ist fest eingeplant.
Schneeweiß: Ich arbeite das Jahr über auf diesen Tag hin, dadurch ist bislang jedes Jahr eine neue Arbeit entstanden. Ohne die „Open“ würde ich meine Werke vielleicht gar nicht öffentlich zeigen.
Briz: Im Grunde ist es eher verwunderlich, dass so eine Gruppe bereits seit 25 Jahren besteht. Dass es einen Kern gibt, der in der Lage ist, Streitereien und Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Die größte Frage ist heute eher, wo wir jeweils im nächsten Jahr ausstellen.
Die Auswahl schrumpft …
Koch-Lutz: Viele Industriebauten gibt es einfach nicht mehr. Diese Gebäude wurden in den vergangenen Jahren abgerissen.
Gabriel: Die Frage ist auch immer, wo es überhaupt genug Platz für so viele Künstler gibt.
Schneeweiß: In Königsbronn mit dem Langen Haus, dem Torbogenmuseum und der ehemaligen Feilenschleiferei war es sehr schön, gleichzeitig aber auch schwierig, diese mächtigen Räume zu gestalten.
Dieses Jahr findet die „Open“ zum zweiten Mal in Folge in der ehemaligen Schwabengarage statt. Ist das ein Glücksfall oder eher aus der Not heraus entstanden?
Gabriel: Es ist prima, dass wir die Schwabengarage zweimal nutzen dürfen. Dort gibt es genug Platz, um auch Gäste einladen zu können.
Briz: Die Schwabengarage hat fast schon ein gewisses WCM-Feeling. Die sehr dunklen Räume und die sehr hellen Bereiche – da besteht eine gewisse Verwandtschaft zur WCM. Letztlich wissen wir am Morgen der Ausstellung selber noch nicht, wie diese am Ende aussehen wird. Was bringen die Gäste mit? Wie sehen deren Werke in Konstellation mit unseren Arbeiten aus? Kein professioneller Museumsmacher würde sich darauf einlassen. Wir wagen das. Diese Schwierigkeit ist unsere Stärke. Da wird immer etwas Lebendiges daraus.
Gab es trotzdem mal eine Location, bei der es in die Hose ging?
Briz: Eigentlich nicht. Nur in der Corona-Zeit, als wir in den Schaufenstern der Innenstadt ausgestellt haben, war es etwas schwierig. Aber das hat ja die gesamte Kunstszene betroffen.
Gabriel: Wir hatten für 2020 einen schönen Plan für das Elmar-Doch-Haus gehabt. Dann kam Corona. Und unter den damaligen Abstandsregeln hätte das nicht funktioniert.
Welche Räumlichkeiten stehen auf Ihrer Wunschliste?
Gabriel: Das Gebäude in der Bergstraße, in dem früher die Jobschmiede untergebracht war, steht auf meiner Liste. Aber es ist schwierig. Viele Menschen, bei denen wir anfragen, sagen uns ab. Letztes Jahr war es total knapp.
Koch-Lutz: Da war drei Wochen vor dem Muttertag noch nicht klar, ob es überhaupt was wird. Wir haben die verrücktesten Alternativ-Pläne entwickelt. Zum Beispiel eine Kofferraum-Ausstellung.
Bei aller Unsicherheit: Was waren Ihre schönsten „Open“-Momente?
Gabriel: Da gehört für mich die Ausstellung auf dem Talhof dazu. Das war schön und schräg.
Briz: Der Bauer hat extra für uns mehrere Tage lang seine Halle leerräumen lassen. Hinterher meinte er zu uns, wir dürften gerne wiederkommen, aber vielleicht nicht im nächsten Jahr (lacht).
25 Jahre hat der Schmelzofen-Verein geschafft. Wo geht nun die Reise hin?
Koch-Lutz: Unser größtes Anliegen ist es, mehr junge Leute miteinzubeziehen. Menschen, die sich engagieren. Momentan sind es wir fünf hier, die das alles tragen.
Briz: Die das gerne tragen!
Schneeweiß: Es gibt hier etliche künstlerisch begabte junge Menschen. Die gehen aber irgendwann aus Heidenheim weg.
Briz: Manche reisen aber extra für die „Open“ an und stellen als unsere Gäste aus.
Dieses Jahr sind es zehn Gäste. Gab es jemals schon so viele?
Schneeweiß: Höchstens zu WCM-Zeiten. Ich denke, der Reiz für sie liegt in dem Erlebnis an sich. So etwas gemeinsam in der Gruppe zu machen und gleichzeitig die anderen Künstler und deren Arbeiten vor Ort zu erleben. Das ist etwas Besonderes.
„Open“ 2024 wie immer am Muttertags-Wochenende
Die diesjährige „Open“-Ausstellung findet am Samstag, 11. Mai, sowie am Sonntag, 12. Mai, jeweils von 10 bis 18 Uhr statt. Ort des Geschehens ist die ehemalige Schwabengarage, Schnaitheimer Straße 171 in Heidenheim.
Es stellen aus: Cornelia Baumann, Johanna Bauer, Albrecht Briz, Carla Chlebarov, Beate Gabriel, Evi Fischer, Arjann Härtner, Ignacio Iturrioz, Nicoline Koch-Lutz, Michael Köpf, Lars Maurmaier, Günther Reger, Gabriele Schneeweiß, Johanna Senoner, Karl-Heinz Stufft-Fischer, Jürgen Stimpfig, Erika Theilacker und Brigitte Vogel.
Als Gäste eingeladen sind: Annabell Angus (Heidenheim), Freya Blösl (Öllingen), Edgar Braig (Münsingen), Romina Ferrarotti (Heidenheim), Mechthild Grossmann (Nürtingen), Heide Nonnenmacher (Nattheim), Robert Palleis (Heidenheim), Günter Reichenbach (Stuttgart), Kerstin Schaefer (Stuttgart) und Axel Winter (Halle (Saale).