„Kleine heile Welt“ am Bahnhof

30 Jahre KHW: So blickt Stefan Schaefer auf die Entwicklung der Heidenheimer Kneipenszene

Drei Jahrzehnte im selben Laden hinter der Theke: Stefan Schaefer von der „Kleinen heilen Welt“ am Bahnhof in Heidenheim hat viel erlebt. An das Aufhören denkt er (noch) nicht.

Eines ist seit dem ersten Tag gleich geblieben in der Kneipe am Bahnhof: Auch jetzt, noch 30 Jahre nach der Eröffnung, kommen Menschen in die „Kleine heile Welt“, die nichts bestellen, sondern ihre Notdurft verrichten wollen. Fast allen gestattet Stefan Schaefer und sein Team den Weg aufs WC – das zehntausende Gäste gesehen hat.

Schaefer gehört in Heidenheim zu einer Art aussterbender Spezies. Er ist Kneipenwirt, übt diesen Beruf seit Jahrzehnten aus und steht als Chef in der KHW seit 1994 hinter dem Tresen. Derzeit gibt es in der Stadt sicherlich nur ganz wenige, die über eine derart lange Erfahrung an einem Fleck in der Gastro-Szene verfügen.

Ein Neuling war er freilich nicht, als er die Gaststätte am Bahnhof für sich entdeckte. Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann mit Erfahrung im Spirituosen-Großhandel war im Gesellschaftsgarten aktiv, wollte aber „was Eigenes“. „Es war eine Zeit, in der viele Kneipen aufgemacht haben“, sagt der heute 57-Jährige.

Bevor Schäfer mit dem Eigentümer, der Bahn, einen Vertrag unterzeichnete, war in der 1990 umgebauten Gaststätte ein griechisches Lokal beheimatet – die „Drehscheibe“. Im hinteren Bereich erreichte man vom Bahnsteig aus vor dem Umbau die „Alte Lok“. Vorne Grieche, hinten traditionelle „Bahnhofsromantik“.

In den ersten Tagen gab es einige Rausschmisse in der KHW

„Eigentlich war das zu groß. Ich wollte eher eine kleinere Bar eröffnen“, sagt Schaefer. Die ersten Tage seien auch nicht wirklich gut gelaufen. „Die Klientel von der Vorgänger-Kneipe war nicht gut, ich musste täglich bis zu zehn Leute rauswerfen“, so die Erinnerung des Kneipiers. Doch nach ein paar Wochen sei der Laden gut gelaufen – die KHW reihte sich ein in die Perlenschnur an Ausgehmöglichkeiten in der Stadt: „Bistro“, „Gesellschaftsgarten“, „K2“, „Subway“, „Klappe“, „Tempo“, „Felsen“, „Blue“, „Stattgarten“ und so weiter – Möglichkeiten an Zerstreuung gab es zuhauf. Und: Alle Kneipen, Klubs und Bars waren voll. „Ich hatte damals eine Wohnung über dem Bahnhof, und wenn ich da aus dem Fenster geschaut habe, habe ich gesehen, wie viele Leute unterwegs waren. Es war eine gute Zeit“, sagt Schäfer, der einer der Ersten war, der Frühstück auf der Karte hatte.

Das Angebot sei viele Jahre gut angenommen worden – Frühstück in der „Kleinen heilen Welt“ war für viele fester Bestandteil des Kneipenbesuchs. „Allmählich verlagerte sich das Frühstücken aber in die Bäckereicafés. Für uns hatte es sich dann nicht mehr gelohnt und wir stellten es ein. Nach 25 Jahren haben wir die Öffnungszeiten geändert und nicht mehr morgens um sieben aufgemacht“, so Schaefer.

2009 wurde das Blumengeschäft abgerissen und der Biergarten der KHW vergrößert. Auch die Telefonzellen sind längst gewichen. Archiv/Rudi Weber

An der KHW, deren Biergarten 2009 nach dem Abriss des lange leer stehenden ehemaligen Blumengeschäfts vergrößert wurde, ging der Wandel in der Gaststättenbranche auch auf einem anderen Gebiet nicht vorbei: einst war das Tagesessen ein Renner, die Schnitzel mit Kartoffelsalat legendär. Dann ließ die Nachfrage nach, und zu kochen lohnte sich nicht mehr. „2016 habe ich die Küche geschlossen“, sagt der Wirt, der heute über vielfältige Erfahrung im Gewerbe verfügt: Er betrieb unter anderem das „Molly's", das „News", war Teilhaber eines Klubs.

Einige Wirte werden in den nächsten Jahren in Ruhestand gehen

„Der Markt, wie es ihn früher gab, existiert nicht mehr“, sagt der Kneipenwirt ohne Verbitterung. Ausgehen habe bei jungen Leuten nicht mehr den Stellenwert wie früher. War abends auch unter der Woche spätestens ab Mittwoch richtig was los, herrsche jetzt öfter Leere vor. Andererseits sind viele Wirte in einem Alter um die 60 Jahre. Zuletzt hatte sich beispielsweise Michael Kneule („Swing“) zur Ruhe gesetzt. „Da kommt nichts nach“, so der 57-Jährige.

Er selbst fokussiert sich auf das Tagesgeschäft und einzelne Abende. Es kämen Stammgäste, Gäste, die auf den nächsten Zug warten würden. Und bei gutem Wetter sei der Biergarten gefragt. Samstagsnachmittags, bei Heimspielen des FCH, schließt Schaefer die „Kleine heile Welt“ allerdings. Das liege einerseits an den oft schon angetrunkenen Gästefans, die mit dem Zug an- oder abreisen. Zudem würden die Heim-Fans nach dem Spiel nicht mehr ausgehen, sondern eher im Stadion am Kiosk feiern.

„Trotz allem macht das immer noch Spaß“, sagt Schaefer, der mit der Eigentümerin Bahn noch einen Vertrag bis 2030 habe. Er habe nicht vor, bis dahin etwas anderes anzufangen.

30-Jähriges wird am 19. Oktober gefeiert

Das 30-jährige Bestehen der KHW am Bahnhof wird am Samstag, 19. Oktober gefeiert und ist eingebettet in eine Veranstaltungsreihe des Kulturbündnisses Heidenheim vom 18. bis 20. Oktober. In der KHW wird bei der Geburtstagsfeier abends das „Cleanheart International Soundsystem“, unter anderem Björn Branicki, der in den ersten Jahren in der KHW arbeitete, Musik auflegen.

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