„Es bewegt mich sehr, ich freue mich ungemein“, kommentierte CDU-Bundestagsabgeordneter Roderich Kiesewetter seinen Sieg im Wahlkreis Aalen-Heidenheim. Mit einem Wahlergebnis von rund 41 Prozent konnte er erneut das Direktmandat erringen. Auch im Landesvergleich erzielte Kiesewetter ein herausragendes Ergebnis: Sein Resultat liegt mehr als zehn Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt. „Es ist nicht selbstverständlich, nach 16 Jahren erneut so großen Rückhalt in der Bevölkerung zu haben“, sagte er.
Kiesewetter wird in der kommenden Legislaturperiode der einzige Vertreter des Wahlkreises im Bundestag sein. Daher betonte er: „Ich sehe es als meine Verpflichtung an, für alle da zu sein.“ Er wolle, wie bereits von 2009 bis 2013, Abgeordneter der Gesamtregion sein. Allerdings müsse das Erstarken der AfD – auch im Wahlkreis – ein Weckruf für die demokratische Mitte sein.
Roderich Kiesewetter wünscht sich „Koalition des Zusammenhalts"
Trotz des guten Abschneidens vor Ort herrschte beim Treffen von Parteifreunden im Heidenheimer CDU-Büro am Wahlabend keine ausgelassene Feierstimmung, als die ersten Hochrechnungen bekannt wurden. Kiesewetter bedankte sich bei seinen Unterstützern. Er habe weder 2017 noch 2021 so viel Rückhalt nur in der Union, sondern in der Gesamtgesellschaft gespürt.
„Die nächsten zwei bis drei Jahre werden heftig“, sagte er mit Blick auf das Weltgeschehen. Deshalb appelliere er an Berlin, eine „Koalition des Zusammenhalts“ zu gründen und klarzumachen: „Wir stehen auf dem Boden der Verfassung.“ Kiesewetter kann sich eine Koalition mit einer SPD vorstellen, die von Boris Pistorius geprägt ist, oder auch mit den Grünen im Sinne der Realos. Es sei jedoch ebenso wichtig, dass die Union ihre eigene Kontur zeige. „In den nächsten Jahren werden wir das Soziale betonen müssen, aber auch die Freiheit im Sinne von Frieden in Freiheit und Selbstbestimmung.“ Zudem müsse klar werden, welche Aussagen wahr sind und welche Fakenews gezielt Verunsicherung schüren.
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Dr. Jeannette Behringer: Mehr Bürgerbeteiligung
„Ich bin nicht ganz unzufrieden“, sagte die Grünen-Kandidatin Dr. Jeannette Behringer. Angesichts des „Grünen-Bashings“ habe sie damit gerechnet, noch mehr Stimmen zu verlieren. Beim Straßenwahlkampf habe sie jedoch eine leichte Trendwende wahrgenommen. „Schade, dass wir nicht noch mehr herausholen konnten.“ Der Wahlkampf sei kurz gewesen und die Zeit knapp, um in der Region bekannter zu werden. Sie hoffe, dass sich die Wahrnehmung der Grünen wieder ändere. Es sei ein Trugschluss, dass ihre Partei für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich gemacht werde und zu weit von den Bürgern entfernt sei. „Beides ist nicht wahr“, betonte sie und setzt auf mehr Bürgerbeteiligung. Wichtig sei ihr, dass die Menschen nicht das Gefühl hätten, es gebe eine „Berliner Blase“, die weit weg von der Lebensrealität der Menschen sei.
Behringer zeigt sich trotz der Stimmenverluste nicht entmutigt. Sie freue sich darüber, dass die Mitgliederzahlen der Grünen bundesweit derzeit „durch die Decke“ gingen. Falls die Kreisverbände es wünschten, werde sie sich auch für die nächste Bundestagswahl als Kandidatin zur Verfügung stellen. Als Umwelt- und Klimawissenschaftlerin wisse sie um die Bedeutung dieser Themen. „Wenn wir uns darum nicht kümmern, können wir die gesamte Wirtschaftspolitik vergessen.“
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Chris-Robert Berendt: Vom Ergebnis nicht demotivieren lassen
„Es sollte kein Ergebnis sein, das einen demotiviert“, sagte FDP-Kandidat Chris-Robert Berendt, auch wenn sich sein Erstimmenergebnis im Wahlkreis mehr als halbiert habe. Angesichts der Umfragen habe es zuletzt einen leichten Aufwärtstrend für die FDP gegeben. Eine Rolle für sein Abschneiden habe unter anderem das neue Wahlrecht gespielt, sodass womöglich weniger Wähler von einem Stimmensplitting Gebrauch gemacht hätten. Wichtig sei es für die FDP, unabhängig von der parlamentarischen Situation, ihre Positionen klar darzustellen und zu vermitteln, wie Deutschland vorangebracht werden könne. Er nannte unter anderem den Bürokratieabbau.
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Das bundesweite Abschneiden der SPD ist für Cornelia True „sehr enttäuschend“, die CDU/CSU habe einen klaren Wählerauftrag erhalten. Aber auch ihr persönliches Ergebnis „hätte schon besser sein können. Aber es ist ok, wie es ist.“ Ihre Vorgängerin Leni Breymaier hatte bei der Wahl im Jahr 2021 noch 21,9 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis erhalten, True kam auf lediglich etwa mehr als 14 Prozent. „Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich weniger bekannt bin, ist aber auch auf den bundesweiten Trend zurückzuführen“, so die SPD-Kandidatin.
Im Wahlkampf habe es viel Gegenwind gegeben, und sie hätte sich gewünscht, mehr Zeit gehabt zu haben, um Werbung für sich und die SPD vor Ort zu machen. Mit CDU-Kandidat Roderich Kiesewetter, dem sie zum Sieg und zum Direktmandat gratuliert, habe sie einen sehr starken Gegner gehabt. Trotz ihres schlechten Ergebnisses kann True dem Wahlkampf etwas abgewinnen: „Ich habe viele interessante Menschen kennengelernt und persönlich eine steile Lernkurve hingelegt.“
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Die hohe Wahlbeteiligung sei bundesweit, aber auch im Wahlkreis, sehr erfreulich, sagt der AfD-Kandidat Dr. Jürgen Müller. Mit dem Ergebnis im Wahlkreis ist er sehr zufrieden, „damit setzt sich der Aufwärtstrend fort“. Dass er es geschafft hat, 23 Prozent der Erststimmen zu erhalten, schreibt Müller nicht unbedingt seinem eigenen Wahlkampf vor Ort zu: „Insgesamt glaube ich weniger, dass das an meiner Person liegt, sondern eher am bundesweiten Trend“. Der Wahlkampf sei für noch junge Parteien immer mit Schwierigkeiten belastet. Dass CDU-Mann Kiesewetter klarer Sieger im Wahlkreis ist, kam für Müller nicht unerwartet, denn der habe „einen Amtsbonus“.
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Mit seinem persönlichen Ergebnis ist Linken-Kandidat Thomas Jensen ebenso zufrieden wie mit dem bundesweiten Abschneiden seiner Partei. Alles in allem sind seiner Ansicht nach die Ergebnisse so ausgefallen wie erwartet. Im Wahlkreis erhielt er 5,03 Prozent der Erststimmen, „damit bin ich durchaus zufrieden, auch wenn es nicht nur mein Verdienst war. Ich war bestimmt nicht allein beteiligt.“ Im Wahlkampf habe er sich in Aalen mehr Mühe gegeben, räumt Jensen ein. Dass die AfD bundesweit, aber auch im Wahlkreis, so erfolgreich war, wundere ihn sehr, „aber auch das war zu erwarten“. Er habe gehofft, dass die SPD nicht so viele Stimmen verliert, „aber das Ergebnis ist so, wie es ist“.