Baumann am Eugen-Jaekle-Platz

Warum Heidenheims ältestes Schuhgeschäft demnächst schließt

Seit mehr als 100 Jahren ist der Name Baumann in Heidenheim mit Schuhen verbunden. Nun gibt die Inhaberfamilie das Geschäft am Eugen-Jaekle-Platz schweren Herzens auf.

Noch sind die Regale gefüllt mit Schuhen aller Größen und Farben, doch die Anzeichen für die Schließung sind nicht zu übersehen: „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe – alles muss raus“ steht in den Schaufenstern und auf Aufstellern vor dem Geschäft, das so exponiert in Heidenheims Mitte wie kaum ein anderes liegt und das Stadtbild prägt.

„Uns fiel der Schritt nicht leicht“, sagt Ina Kammerer, Ururenkelin des einstigen Firmengründers. Sie führt das Geschäft in der langen Familientradition seit 2019 und hatte zuvor bereits im Laden gearbeitet. Voraussichtlich Ende Mai wird das Geschäft geschlossen, ein genauer Termin steht noch nicht fest. Mit dem Ausräumen von Büro und Lager hat die Familie bereits begonnen.

Weniger Frequenz in der Heidenheimer Fußgängerzone

„Ich hatte viel vor, wollte den Laden modernisieren“, erzählt Ina Kammerer. „Doch dann kam Corona.“ Allein dieser Satz verrät, was folgte: Das Geschäft erlitt Umsatzeinbußen. Kunden wanderten in den Versandhandel ab. Zwar kehrte ein treuer Kundenstamm zurück, der die Beratung durch den Fachhandel und das Angebot an Bequemschuhen schätzt, auf das sich Baumann spezialisiert hat. Doch vollständig erholen konnte sich das Geschäft nicht: „Danach wurde es nie mehr so wie davor“, sagt die Geschäftsführerin. Sie beobachtet auch eine geringere Frequenz in der Fußgängerzone – und damit weniger Laufkundschaft.

Anders als viele glauben, gehört das Haus nicht der Familie, auch wenn das Gebäude heute untrennbar mit dem Namen Baumann verbunden ist. Es ist seit jeher angemietet. Doch der verschnörkelte Leuchtschriftzug prangt seit Jahrzehnten an der Fassade. Dass dort einst an gleicher Stelle „Ploucquet“ stand, wissen nur wenige. Tatsächlich befand sich hier die Keimzelle der späteren großen Heidenheimer Textilfabrik.

Die historische Zeichnung von Heidenheim zeigt das Gebäude, in dem Christoph Friedrich Ploucquet sein Geschäft im Jahr 1806 eröffnete. Verkauft wurden hier hauptsächlich Stoffe, Wäsche und Bekleidung aller Art. HZ-Archiv

Seit 1926 ist das Gebäude Standort des Schuhgeschäfts Baumann, dessen Ursprünge jedoch noch weiter zurückreichen. Wann genau das Gründungsjahr war, ist nicht bekannt – aber eine alte Rechnung aus dem Jahr 1897 zeigt, dass es das Schuhhaus Baumann damals bereits in Bürg bei Heilbronn gab. Inhaber war der Schuster Johann Baumann.

Eine lange Familientradition in Heidenheim

Später zog die Familie nach Heidenheim. Sohn Christian Baumann – ebenfalls Schuster – ließ sich 1920 in der Brenzstraße 22 nieder. Heute befindet sich unter dieser Adresse ein Friseursalon an der Ecke Bahnhofstraße. Sechs Jahre später folgte der Umzug an den Eugen-Jaekle-Platz 3 – in der Zeit von Alfred und Emmi Baumann. 1966 eröffnete Emmi Baumann zusammen mit ihrem Sohn Hans-Peter einen weiteren Laden in der Grabenstraße 5, der 40 Jahre später wieder geschlossen wurde.

1976 erfolgte der nächste Generationenwechsel, der auch mit einem Namenswechsel einherging: Hans-Peter Baumann verstarb, deshalb führte seine Schwester Doris Rupp das Geschäft zusammen mit ihrem Sohn Harald Rupp weiter, – also Oma und Vater von Ina Kammerer. 1981 begann die Zeit der Rupp-Brüder, als Klaus Rupp ebenfalls ins Geschäft einstieg und es gemeinsam mit seinem Bruder jahrzehntelang betrieb – bis schließlich Ina Kammerer an der Reihe war.

„Es fiel den Familien Rupp und Kammerer nicht leicht, sich nach so langer Tradition zu diesem Schritt zu entscheiden“, sagt Ina Kammerer. Kommen langjährige Kunden in den Laden, bedankt sie sich häufig persönlich für das Vertrauen. Vier Angestellte arbeiten derzeit im Geschäft, drei davon sind eigentlich bereits im Ruhestand, kommen aber weiterhin in Teilzeit – aus Verbundenheit. Einige haben hier ihre Lehre gemacht. „Wir waren eben ein Familienbetrieb.“

Die Zukunft des Gebäudes

Was passiert nun mit dem Gebäude, wenn der Schuhladen schließt? „Es wird nicht abgerissen, wie viele schon befürchten“, sagt Ina Kammerer. Schon der Denkmalschutz verbietet es. Der in München ansässige Vermieter suche derzeit einen Nachfolger.

Wohn- und Geschäftshaus mit Geschichte

Das Anwesen am Eugen-Jaekle-Platz 3 in Heidenheim gehört zu den Kulturdenkmalen des Landes Baden-Württemberg und steht unter Denkmalschutz. Es besteht aus einem Vorderhaus mit Fachwerkfassade und Zwerchhaus sowie einem Rückgebäude mit Mansarddach und Verbindungssteg. Der Kernbau des Vorderhauses stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, 1816 wurde er klassizistisch umgestaltet und nach Norden erweitert. Das Rückgebäude wurde vermutlich um 1790 errichtet.

Erbaut wurde das Ensemble von der Heidenheimer Kaufmannsfamilie Kodweiß/Brindeau, 1806 erwarb es der Stuttgarter Handelsmann Christoph Friedrich Ploucquet. Die von ihm eröffnete Tuchhandlung war Ursprung der bis heute bestehenden Firma C.F. Ploucquet.

Die Gebäude gelten als bedeutende Zeugnisse der Stadt- und Wirtschaftsgeschichte. Das Vorderhaus markiert bis heute den Zugang zur Altstadt. Im Inneren des Rückgebäudes finden sich Rokoko-Elemente wie ein reich ornamentiertes Holztreppengeländer und zwei tonnengewölbte Lagerkeller.

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