Zwei Männer verurteilt

Attacke auf Passanten in Heidenheim mündet in Freiheitsstrafen für die Angreifer

Richter Rainer Feil stellte infrage, ob der angeklagte 30-jährige es überhaupt schaffen kann, ein straffreies Leben zu führen. Auch für den weiteren Angeklagten gab es keine gute Prognose. Wie der Prozess für die beiden Angeklagten ausging:

Attacke auf Passanten in Heidenheim mündet in Freiheitsstrafen für die Angreifer

Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass die beiden jungen Männer vor Gericht standen. Ein 30-Jähriger wurde direkt aus der Haft vorgeführt, der 27-Jährige war bisher mit Geldstrafen davongekommen. Bedrohungen, Beleidigungen und Diebstahl reihten sich in den letzten Jahren offenbar in kurzen Abständen aneinander. Jetzt waren die beiden gemeinsam unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Dabei ging es um einen Vorfall im Februar 2022 in der Heidenheimer Innenstadt. Aus dem Nichts heraus gingen die beiden Angeklagten eine Gruppe von zwei jungen Männern und einer Frau an. Vor allem ein 25-Jähriger erlitt dabei erhebliche Verletzungen. Zunächst habe ihn der jüngere der beiden Angeklagten mit Fäusten und Reizgas traktiert, der zweite habe ihm mit einem Messer einen Schnitt auf dem Nasenrücken verpasst, sagte der Geschädigte vor Gericht aus. „Der lügt doch“, empörte sich der 30-jährige Angeklagte lautstark. Immer wieder störte er die Verhandlung durch Zwischenrufe und musste von Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil mehrfach gerügt werden. Aus der Sicht des Mannes hatte sich die Situation ganz anders abgespielt: Das sei eine Angelegenheit des anderen Angeklagten gewesen, er habe nur schlichten wollen, obwohl das Mädchen ihn grundlos geohrfeigt habe. Ein Messer habe er auf keinen Fall in der Hand gehalten, lediglich seinen Hausschlüssel.

Zeugin hatte große Angst um ihren Freund

Ob ein Messer im Spiel war und wer genau das Reizgas eingesetzt hatte, ließ sich vor Gericht nicht klären. Auch deshalb, weil sich Zeugen nicht mehr so eindeutig äußerten, wie bei der polizeilichen Vernehmung. Bei der jungen Frau spielte offenbar Angst vor Repressalien eine große Rolle. Sie hatte angefragt, ob sie überhaupt persönlich vor Gericht aussagen müsse. Der zweite Zeuge, ihr Bruder, ließ sich zunächst telefonisch entschuldigen und kam erst nach Aufforderung zur Verhandlung. Vor Gericht sagte die 22-Jährige aus, dass der ältere Angeklagte einen „Gegenstand“ in der Hand gehabt habe, den sie aber nicht eindeutig als Messer identifizieren konnte. Sie sagte aber auch, als ihr Ex-Freund direkt nach dem Angriff flüchtete, habe sie große Angst gehabt, dass er „abgestochen“ worden sei.

Ihr Bruder blieb vage in seiner Aussage. Er habe nur Umrisse eines Gegenstandes gesehen und könne nicht sicher sagen, ob es sich um ein Messer gehandelt habe. Auch seine Angabe bei der Polizei, dass einer der beiden Männer ihn vor dem Angriff auf seinen Freund gefragt habe, ob er Kokain kaufen wolle, wiederholte der Zeuge vor Gericht nicht.

Wenige Stunden nach der Attacke konnte eine Polizeistreife die beiden Angeklagten stellen. Der Jüngere flüchtete, der Ältere wurde festgenommen und unter Beleidigungen gegen die Beamten ins Auto gesetzt. Eigentlich sollte der Angeklagte nach der Durchsuchung seiner Kleidung nur nach Hause gebracht werden, doch als seine Handschließen geöffnet wurden, erhob er die Faust gegen den Polizisten, der ihn daraufhin zu Boden rang. An sein Verhalten wollte sich der Angeklagte nicht erinnern, beschwerte sich aber lautstark vor Gericht, dass er „Gras“ in der Tasche gehabt habe und nicht in der Akte stehe, wo das hingekommen sei. „Ihr macht mich aggressiv“, schob er die Schuld den Polizeibeamten zu. Er werde generell von der Polizei schlecht behandelt: “Die provozieren mich immer, das ist immer dasselbe mit der Polizei“.

Wenn es Stress gab, war er immer dabei

Tatsächlich gab es schon viele Zusammentreffen mit den Ordnungshütern. So viele, dass selbst Verteidiger Alexander Schneider meinte, dass sein Mandant aufgrund der Vielzahl gleichgelagerter Situationen wohl keine differenzierte Erinnerung habe: „Wenn es irgendwo Stress gab am ZOH, war er eigentlich immer dabei“.

Und Stress gab es auch bei einem Vorfall im Januar 2022 vor einem Supermarkt an der Giengener Straße. Dort beleidigte und bespuckte der 30-Jährige einen Mann und bedrohte ihn schließlich mit einem Schlagring. Schmerzen habe er keine davongetragen, sagte das Opfer vor Gericht aus. Der Geschädigte alarmierte aber die Polizei und für die Beamtinnen und Beamten gab es einmal mehr jede Menge Beleidigungen, Bespucken, Widerstand und versuchte Körperverletzung.

Beide Angeklagte haben eine lange Liste an Vorstrafen

Staatsanwältin Vogt zeigte sich in ihrem Plädoyer überzeugt, dass bei der Auseinandersetzung in der Innenstadt ein Messer im Spiel gewesen sei. Die Aggression und die Schläge gegen das Opfer seien aber wohl vom zweiten Angeklagten ausgegangen. Verteidiger Schneider zweifelte am Einsatz eines Messers. Er versuchte Verständnis für seinen Angeklagten zu wecken, indem er auf dessen schwierige Lebenssituation verwies. Als 18-Jähriger sei dieser allein aus seinem Heimatland nach Deutschland geflüchtet: „Den Sprung, mit beiden Beinen hier zu landen, hat er nicht geschafft“.

Das zeigte auch eine lange Liste an Vorstrafen, die verlesen wurde. Erst im Mai 2022 war der Angeklagte zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Auch dabei ging es um verschiedene Auseinandersetzungen bei denen der Angeklagte ein Messer dabei hatte. Und auch im damaligen Prozess wollte ein Zeuge aus Angst zunächst nicht aussagen, weil er offenbar Drohungen erhalten hatte.

Für seinen Mandanten sah Verteidiger Thomas Jordan nur eine untergeordnete Tatbeteiligung. Zudem habe der Mann ein Alkoholproblem, das er auch angehen möchte. Auch dieser Angeklagte hatte als Jugendlicher allein die Flucht nach Europa angetreten. Sein Asylantrag sei jedoch abgelehnt worden.

Richter Feil hat Bedenken bezügliche einer straffreien Zukunft

Das Schöffengericht verurteilte schließlich den 30-Jährigen, der derzeit eine zweijährige Haftstrafe verbüßt, zu weiteren 16 Monaten Haft. Der 27-jährige erhielt eine Freiheitsstrafe von acht Monaten und zwei Wochen ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. 

Gegenüber beiden Tätern äußerte Richter Feil deutliche Worte. Die Strafen des 30-Jährigen würden von Mal zu Mal höher, hätten aber offenbar nicht ausgereicht, um dessen Verhalten zu ändern. Auch sein unangemessenes und aufbrausendes Verhalten in der Verhandlung lasse befürchten, „dass Sie sich nicht so unter Kontrolle haben, dass Sie ein straffreies Leben führen“. Der jüngere Angeklagte gebe ebenfalls Anlass zur Sorge. Er habe auf offener Straße willkürlich ein Opfer ausgewählt, obwohl es keinen Grund für Aggression gegeben habe.

Wann ist eine Körperverletzung gemeinschaftlich?

Eine Körperverletzung gilt als gemeinschaftlich, wenn sie mindestens von zwei Personen begangen wird. Juristisch wird die Tat dann als gefährliche Körperverletzung gewertet. Dabei muss der Mittäter nicht eigenhändig mitwirken. Allein schon das Anfeuern oder Anstiften wäre strafbar.