Alternative Lösung fürs Elmar-Doch-Haus bekommt keine Chance
Fast zwei Stunden lang war die Zukunft des Elmar-Doch-Hauses am späten Donnerstagnachmittag Thema im Gemeinderat. Am Ende stand als Ergebnis fest: In einer von Stadträtin Petra Saretz (CDU) beantragten Abstimmung sprachen sich 17 Ratsmitglieder für das von Oberbürgermeister Michael Salomo vorgelegt Gastronomiekonzept aus, zwölf waren dagegen, es gab eine Enthaltung. Danach wurde die europaweite Ausschreibung für eine Großgastronomie beschlossen, die jetzt vorbereitet wird. Es gab bereits eine Ausschreibung, die allerdings nicht rechtssicher war, und trotz drei eingegangenen Bewerbungen wiederholt werden muss.
Nun soll nach Empfehlung des Fachanwalts Dr. Stefan Meßmer von der Kanzlei Baker Tilly aus Stuttgart ein zweistufiges Verfahren zur Anwendung kommen: Zuerst findet ein Teilnahmewettbewerb statt, nach dem die Stadt Bewerber aussucht, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden. Aus den Anbietern wird dann einer ausgewählt. Aus den eingegangenen Pachtangeboten ergebe sich der ortsübliche Marktpreis und die wirtschaftliche Begünstigung eines einzelnen Unternehmens könne ausgeschlossen werden, so Meßmer. Als realistische Dauer für so ein Verfahren nannte er einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten. Er riet dazu, sorgfältig zu verhandeln, da nach einer Vertragsunterzeichnung Änderungen generell schwierig seien.
Der interessantere Tagesordnungspunkt war jedoch der vorhergehende: Wirtschaftsförderer Ruven Becker stellte ein alternatives Nutzungskonzept fürs Elmar-Doch-Haus vor, das verwaltungsintern erarbeitet wurde und bei den fachkundigen Mitarbeitenden im Rathaus breite Unterstützung findet.
Street-Food und Veranstaltungsraum
Die als Community Lab bezeichnete Variante sähe folgende Nutzungen im Elmar-Doch-Haus vereint: Eine Gastronomie im Erdgeschoss im Sinne eines „Street-Food-Markts“, also mit mehreren kleineren Anbietern, eine konsumfreie Aufenthaltsmöglichkeit mit Treffpunkt-Funktion, einen Begegnungsort für Jugendliche mit Spiel- und Gaming-Angeboten, einen Veranstaltungsraum im historischen Ratssaal (2. OG) mit einer Bar im Foyer, ein Working-Café für Studenten, Flächen für Gründer im Einzelhandel (Pop-up-Stores) und Einzelbüros als Ergänzung des Angebots im Dock 33 für Start-ups.
„Das Konzept vermittelt wohl am stärksten eine Idee davon, welche Perspektive es für die Innenstädte Deutschlands geben könnte. Konsum ist möglich, aber kein Muss“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Auch ein Beispiel aus einer anderen Stadt wurde genannt: In Oldenburg wurde ein leerstehendes Kaufhaus mit einer ähnlichen Nutzung im April 2021 eröffnet. Das „Core“ beinhaltet eine Markthalle mit Bar und Streetfood-Ständen, hat einen Außenbereich, Co-Working-Spaces und einen Kulturbereich mit Tribüne und zwei Auditorien. In Oldenburg ist allerdings nicht die Stadt Träger des Projekts, sondern „ein Zusammenschluss von Investoren, Liebhabern und Visionären“.
Charmante Vielfalt
Ruven Beckers engagierter Vortrag stieß im Gemeinderat auf viel Begeisterung. „Die Lösung Community Lab würde mir sehr gut gefallen“, sagte beispielsweise Christoph Weichert (Freie Wähler). „Das ist eine Variante, die sich anzuschauen lohnt“, sagte Vera Wolf (Grüne). Die Vielfalt sei charmant, „wir sollten das als echte Alternative durchdenken“, forderte sie. Petra Saretz (CDU) bekundete, dass dieses Konzept alles enthalte, was sich ihre Fraktion in der Haushaltsrede gewünscht habe. „Wir sehen das als kommunale Nutzung, eine reine Gastronomie nicht“, meinte sie. „Dahinter könnten wir uns alle versammeln“, glaubte Saretz.
Außerordentlich begeistert war auch Michael Rieck (CDU): „Wir sehen zum ersten Mal ein Konzept, das bei allen Fraktionen auf Zustimmung stößt“, sagte er. Eine große Gastronomie sei wie ein statischer Elefant, der in der Innenstadt stehe. Das Community Lab hingegen würde kommunale Aufgaben erfüllen. Elisabeth Kömm-Häfner (Grüne) sprach sich auch für das Alternativ-Konzept aus: „Ich bin dagegen, dass ins Elmar-Doch-Haus eine Großgastronomie kommt“, sagte sie. Wenn es nach ein paar Jahren leerstehe, seien die Investitionen auch für die Katz gewesen. Laut Susanne Dandl (SPD) ist es nicht fair, dass die Kosten für das Community Lab und die Großgastronomie nicht gegenübergestellt worden sind.
Keine Abstimmung übers Lab
Die Weichenstellung, wie mit der Idee des Community Lab umgegangen wird, wurde allerdings schon in der Sitzungsvorlage vorgenommen: Der Vorschlag war nicht zur Abstimmung vorgesehen, sondern wurde dem Gremium nur „Zur Kenntnis“ vorgelegt. Oberbürgermeister Michael Salomo (SPD) begründete auch sofort nach Beckers Vortrag, warum er das so sieht: Seiner Meinung nach wären die vorgeschlagenen Nutzungen kontraproduktiv für alle anderen Einrichtungen in der näheren Umgebung wie etwa die Bibliothek, das Jugendhaus Treff 9, das Dock 33 und das Bürgerhaus im alten Eichamt. Allerdings war er auch der Meinung, dass es dort noch ein Café gibt, obwohl dieses schon seit einem Jahr geschlossen hat.
Zudem, so das übergeordnete Argument Salomos, sei eine alternative Variante nicht finanzierbar: „Wir können uns das in der jetzigen Lage nicht leisten“, so der OB. „Wenn ich das Geld hätte, würde ich morgen das Community Lab bauen“, sagte Salomo. Trotz dem, dass die Finanzierbarkeit als wichtigstes Argument vorgebracht wurde: Eine Berechnung, welche Kosten auf die Stadt zukommen, wurde dem Gremium nicht präsentiert, und zwar weder für das Community Lab noch für die Gastronomie-Lösung.
Beim Community Lab gäbe es zwar nur sehr geringe Pachteinnahmen, aber die Kosten für den Umbau wären auch insgesamt niedriger, schätzungsweise bei 6 bis 7 Millionen Euro. Bei einem Umbau für eine Großgastronomie werden die Kosten vermutlich eher zwischen 8 und 9 Millionen Euro liegen. Laut Fachanwalt Meßmer müssen über die Pacht des Gastronomie-Betreibers die Kosten für den Mehraufwand beim Umbau für eine gastronomische Nutzung genauso wie die laufenden Unterhaltskosten abgedeckt werden.
Wesentliche Risiken liegen bei der Stadt
„Die Pachtzahlungen werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Kosten der Stadt für den Umbau des Elmar-Doch-Hauses nicht decken“, so Meßmer. Die wesentlichen Risiken lägen bei einer längerfristigen Betrachtung (50 Jahre) bei der Stadt Heidenheim, „auch wenn ein erstmaliger Verpachtungszeitraum erfolgreich verläuft“. Auf Nachfrage von Stefani Schall-Uhl (Grüne) sagte Meßmer, dass bei einem Rückzug eines Pächters wieder eine europaweite Ausschreibung stattfinden müsse, um einen neuen zu finden.
OB Salomo fand für seine Betrachtungsweise Unterstützung beispielsweise bei Hans-Peter Neff (SPD): „Das Community Lab ist eine tolle Idee, wenn wir das Geld dafür hätten.“ Deshalb müsse man das Elmar-Doch-Haus verpachten, „damit wir jedes Jahr Geld in die Haushaltskasse bekommen.“ Auch Stefani Schall-Uhl war der Meinung, man dürfe sich nicht auf finanzielle Abenteuer einlassen: „Wir machen eine gescheite Gastronomie und haben dann auch Einnahmen.“
Für Norbert Fandrich (Die Linke) ist es folgerichtig, jetzt die europaweite Ausschreibung zu machen: „Ich halte nach wie vor an der Idee der Gastronomie fest“, sagte er. Hans Kurowski (Grüne) legte nahe, nun nach zwei Jahren Diskussion einfach diesen Schritt noch mit dem OB mitzugehen. Tanja Weise (SPD) dankte dem OB für „die positive Begleitung des Themas“ und kündigte an, dass ihre Fraktion mehrheitlich zustimmen werde. Auch Ralf Willuth (Freie Wähler) fand es folgerichtig, die Verwaltung mit der Ausschreibung zu beauftragen, „nur diesmal rechtssicher“.
Suche nach einem Gastronomen kostet
Die Suche nach einem Gastronomen hat bisher 60.000 Euro gekostet. Diese wurden aus dem Baubudget zur Verfügung gestellt und sind mittlerweile aufgebraucht. Für die Ausarbeitung einer erneuten europaweiten Ausschreibung hat der Gemeinderat weitere 25.000 Euro genehmigt.
Bei der ersten, nicht rechtssicheren Ausschreibung hatten sich drei Gastronomen gemeldet: zwei sogenannte System-Gastronomien, die deutschland- oder gar europaweit Filialen betreiben, und eine Gesellschaft des Heidenheimer Unternehmers Wolfgang Wilhelm Reich, wie dieser der HZ selbst mitteilte. Er habe gehört, dass das Unternehmen, an der die Klosterbrauerei Königsbronn AG beteiligt sei, aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden sollte. Deshalb habe er Akteneinsicht beantragt, so Reich.