Amazon auf dem Rinderberg: Was der Online-Händler hier versendet
Das erste, was beim Betreten der riesigen Halle auffällt, ist die Stille. Wer hektische Betriebsamkeit und laute Förderbänder erwartet, Menschen, die im Akkord Produkte verpacken, ist zunächst perplex. Kein Mensch ist zu sehen, keine Gabelstapler, die mit blinkenden Lichtern ameisengleich durch die Gänge wuseln. „Arbeitet hier überhaupt jemand?“ fragt sich der Besucher des Amazon-Logistikstandorts auf dem Rinderberg vor den Toren Nattheims.
Logistik auf 53.000 Quadratmetern
„Natürlich, aber das verläuft sich auf der großen Fläche in den Gängen“, sagt Thomas Branz, Regionalmanager bei Amazon. 53.000 Quadratmeter groß ist die Logistikfläche, auf der hier rund 5000 unterschiedliche Produkte gelagert und umgeschlagen werden. Bis zu 4,60 Meter hoch werden hier im sogenannten Blocklager die Artikel gestapelt, aufeinander, ohne Paletten. Und scheinbar ohne System: Backöfen stehen neben Tischkreissägen, Flachbildfernseher neben Gasgrills, Klimageräte neben Kaffee-Vollautomaten. „Das ist chaotische Lagerhaltung, aber wir wissen genau, wo was steht“, erläutert Branz. In diesem Bereich finden sich Artikel, die hundertfach auf Lager sind und entsprechend häufig umgeschlagen werden.
Gabelstapler tragen Namen
Hier sind sie auch zu finden, die Mitarbeiter. Die meisten fahren mit Gabelstaplern durch die weitläufigen Gänge, jeder Stapler trägt einen eigenen Namen. „Super Mario“ ist ebenso vertreten wie „Superman“, „Spiderman“ und viele andere Comicfiguren. „Wir versuchen, jedem Standort etwas Besonderes zu geben und hier sind die Gabelstapler nach Comicfiguren benannt“, so der Regionalmanager. Außerdem hat das Logistikzentrum ein eigenes Logo: einen Bullen, der an den Standort auf dem Rinderberg erinnern soll.
Nur große Produkte
Über 100 Standorte verfügt der Logistikriese Amazon in Deutschland, allein zehn davon in Baden-Württemberg. Der Heidenheimer unterscheidet sich von vielen anderen dadurch, dass hier nur großvolumige Produkte gelagert und versandt werden. „Alles, was über die Maße 30x40x40 Zentimeter hinausgeht oder schwerer ist als 31 Kilogramm, wird hier gelagert“, erklärt Branz. Damit ist auch erklärt, warum es hier keine Förderbänder gibt, kein Verpacken im Akkord. „Das ist hier am Standort gar nicht möglich, die Produkte müssen einzeln aus den Regalen geholt werden.“
Von Kühlschränken über Polster- und Gartenmöbel bis hin zu Badewannen und Wäschetrocknern: das Portfolio des weltweit größten Online-Händlers, das von Heidenheim aus verschickt wird, ist riesig. „Grundsätzlich können wir nach ganz Deutschland liefern, aber der Großteil geht nach Süddeutschland“, so Branz. Bis zu einem Umkreis von 70 Kilometern um den Standort werden die Produkte den Kunden sogar direkt durch Amazon geliefert – auch, wenn das Subunternehmer übernehmen.
Derzeit 130 Mitarbeiter
Im Bereich der Anlieferung herrscht mehr Betriebsamkeit. Mitarbeiter entladen einen Lkw mit Staplern, andere sind mit Sackkarren und Hubwagen unterwegs. Von großer Hektik ist auch hier nicht viel zu spüren. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten nicht langsam, sondern bewusst“, betont Branz. Das sei auch der Sicherheit geschuldet. Etwa 130 Mitarbeiter sind beim Logistikstandort beschäftigt, sie arbeiten in zwei Schichten. Ziel des Unternehmens ist, bis zum Jahresende auf 200 Mitarbeiter zu kommen. Ein Großteil der Beschäftigten arbeitet im logistischen Bereich, darunter auch zahlreiche Frauen.
Noch nicht unter Volllast
Zwar ging der Standort schon im Oktober vergangenen Jahres in Betrieb, doch unter Volllast arbeitet er noch nicht. „Wir sind aktuell zwischen 30 und 40 Prozent der maximalen Kapazität, aber das Ziel sind auch nicht hundert Prozent, auch wenn es Spitzen geben kann“, erklärt Branz. Dementsprechend hält sich bisher auch der Lieferverkehr in Grenzen. „Derzeit haben wir rund 40 Lkw täglich, die Ware bringen und abholen.“
Große Photovoltaikanlage kommt aufs Dach
Die letzten Bauarbeiten am Logistikstandort und den Außenbereichen sind nahezu abgeschlossen. Auffällig ist, dass es auf dem weitläufigen Parkplatz für Mitarbeiter erstaunlich viele Ladestationen für E-Fahrzeuge gibt. „Amazon versucht, so ökologisch wie möglich zu arbeiten“, sagt der Regionalmanager. Demzufolge soll auf dem Dach der riesigen Halle auch noch eine sehr große Photovoltaikanlage installiert werden. Wenn alle anderen Arbeiten abgeschlossen sind, werden sich die Techniker mit der Planung und Ausführung beschäftigen. Wie groß und leistungsstark diese Anlage sein wird, steht Branz zufolge noch nicht fest. „Aber es ist vorgesehen, dass sie mehr Strom produziert als der Standort benötigt.“
Verteilzentrum in Giengen
Nicht weit entfernt vom Rinderberg wird in wenigen Monaten ein weiterer Amazon-Standort in Betrieb gehen: Seit Sommer vergangenen Jahres wird ein Verteilzentrum in Giengen gebaut, das noch im Juni in Betrieb gehen soll. Trotz örtlicher Nähe sollen der Heidenheimer Logistikstandort und das neue Verteilzentrum in Giengen bei Lieferungen nicht zusammenarbeiten. Die Verteilzentren in der Region werden nicht von Heidenheim, sondern einem Logistikzentrum in Graben bei Augsburg beliefert. Das gilt auch für das Zentrum in Neu-Ulm.