Noch nie zuvor ausgestelltes Portrait jetzt in Heidenheim zu sehen
In hohem Maße interessant ist auch die zweite Auflage der Ausstellung „Ausgepackt“ im Heidenheimer Schlossmuseum. Einen Untertitel hat sie auch: „Alte Sammlung, neu entdeckt“. Bis die Schau mit Beginn des Novembers in den Winterschlaf fällt, stellen wir an dieser Stelle in unregelmäßigen Abständen besondere Ausstellungsstücke und deren Geschichte vor.
Die Sammlung, von der hier die Rede ist, wurde in den vergangenen 120 Jahren zusammengetragen und geht auf die Initiative des Gymnasialprofessors Eugen Gaus (1850 – 1934) zurück, der 1901 in Heidenheim den Heimat- und Altertumsverein gründete, und zwar zu dem Zwecke, im Schloss eine Altertümer-Sammlung einzurichten. Gesammelt wurde eigentlich alles. Und es sammelte sich auch einiges an. Rein zeitlich betrachtet, deckt die Sammlung über 50.000 Jahre ab, beginnend mit Fundstücken aus der unterhalb des Schlosses entdeckten Heidenschmiede, einem Rastplatz der Neandertaler. Im Jahr 1993 ging das Sammelsurium in den Besitz der Stadt über. Doch erst 2019 schaffte man es, zirka 80 Prozent des Sammlungsbestandes in einem Zentralmagazin in der Schmelzofenvorstadt einzulagern, wobei Überraschungen und Neuentdeckungen nicht ausblieben. Folgerichtig werden in der Ausstellung auch Objekte gezeigt, die noch nie in der Öffentlichkeit zu sehen waren. Zum Beispiel: das Portrait von Sophie Albertine von Württemberg (1728–1807).
Der Eroberer von Menorca
Es ist anzunehmen, dass dieses Portrait kurz nach ihrer Hochzeit mit Ludwig Eugen von Württemberg (1731 – 1795) entstand. Albertine war damals 34. Ein vermutlich vom selben Künstler stammendes Portraitgemälde ihres Gemahls befindet sich ebenfalls im Sammlungsbestand. Albertine und Ludwig, das vermuten wir jetzt mal, leisteten sich den Luxus einer Liebesheirat. Denn die Braut, Tochter eines kursächsischen Geheimen Rats, wurde als alles andere als standesgemäß für einen zweiten Sohn des Herzogs von Württemberg erachtet. Wir haben es in diesem Fall mit einer sogenannten morganatischen Ehe zu tun, weshalb sich Ludwig nach der Hochzeit auch ins Privatleben zurückzog.
Und hier wurde er, aus heutiger Sicht, womöglich noch interessanter als zuvor in seinem Heldenleben als Soldat, der 1756 im Siebenjährigen Krieg zwischen Frankreich und England als Chef eines deutschen Reiterregiments für Frankreich die Insel Menorca einnahm. Da war er 25.
Briefwechsel mit Rousseau
Sechs Jahre älter war er 1762 bei der Hochzeit mit Sophie Albertine. Drei Töchter entsprangen der Ehe, und Ludwig – bestimmt in Absprache mit Albertine, nehmen wir einfach mal an – begann diesbezüglich einen regen Briefwechsel mit dem „Kinderflüsterer“ jener Tage, dem in dieser Beziehung auch heute noch berühmten Schriftsteller, Philosophen, Pädagogen, Naturforscher und Opernkomponisten Jean-Jacques Rousseau, dem Vater der antiautoritären Erziehung.
Albertine und Ludwig hatten Rousseaus Bestseller „Émile“ gelesen, der voller, wie man heute sagen würde, fortschrittlicher Ideen steckte und zum meistgelesenen Erziehungsbuch der Weltliteratur avancieren sollte. Ludwig fragte beim Vielbewunderten nach, inwiefern dessen Grundsätze Anwendung bei der Erziehung der drei Prinzessinnen finden könnten. Der so sicherlich nicht erwartete Vorschlag Rousseaus, Ludwig solle seine Töchter von einer Gouvernante erziehen lassen, dürfte für einige Verwunderung gesorgt haben. Jedenfalls bedankte sich Ludwig nicht ohne den Hinweis, seine Kinder lieber selber erziehen zu wollen, weil sich seine Gemahlin und er dieses „göttliche Recht“ nicht aus der Hand nehmen lassen möchten.
Freiheit und Ketten
Rousseaus Antwort mag vielleicht nicht so sehr überraschen, wenn man weiß, dass der groß praktizierende Theoretiker selber nie ein Kind großgezogen hat. Seine fünf eigenen Kinder nämlich hatte er jeweils kurz nach deren Geburt in ein Findelhaus gegeben. Als Gründe nannte er unter anderem seine Armut (er könne nicht dichten, wenn er wisse, die Nachkommen seien nicht versorgt), aber auch den Umstand, seine Frau, die als Wäscherin zunächst lange allein für den Unterhalt des Ehepaares sorgen musste, nicht auch noch mit der Sorge um eigene Kinder belasten zu wollen. Hier handelte Rousseau, wenn man so will, frei nach der berühmten selbstgewonnenen Erkenntnis „Der Mensch ist frei geboren – und überall liegt er in Ketten“.
Die Kinder womöglich zurückzuholen, hat Rousseau auch später erst gar nicht versucht. Man könnte das alles auch als ein Beispiel für die Manier allzeit zu findender Ideologen werten, die sich selber als so wichtig für ihre Heilslehre erachten, dass sie sich die Freiheit herausnehmen, die von ihnen aufgestellten Regeln nicht beachten zu müssen, weil sie das darin behindern würde, diese segensreich für alle anderen gültig durchzusetzen.
Herzog und Herzogin, um zum Ausgangspunkt zurückzukehren, wurden Ludwig und Albertine dann übrigens doch auch noch. Ludwig folgte 1793 seinem älteren Bruder als Chef des Hauses Württemberg nach, starb aber allerdings schon knapp zwei Jahre später. Albertine überlebte ihn um zwölf Jahre.
Noch bis Ende Oktober geöffnet
Die Ausstellung „Ausgepackt“ im Schlossmuseum in Heidenheim ist bis zum 30. Oktober von Dienstag bis Samstag von 11 bis 16 Uhr und sonn- und feiertags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen für Gruppen oder museumspädagogische Angebote, etwa für Schulklassen, sind auf Anfrage (Tel. 07321.327-4710, museen@heidenheim.de) auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich.