Heidenheimern gelingt Rekord

Ballonfahrer Moritz Frieß auf der Jagd nach dem Außergewöhnlichen

Moritz Frieß vom Ballonsportclub Hellenstein fährt so lange durch die Nacht wie sonst noch niemand in Deutschland. Eine außergewöhnliche Ballonfahrt mit Nervenkitzel am Ende.

Ballonfahrer Moritz Frieß auf der Jagd nach dem Außergewöhnlichen

Stockdunkel ist es. Nicht einmal der Mond scheint mehr, als Moritz Frieß über dem Donauried den Ballon absinken lässt. Unten steht die Bodencrew bereit und hofft auf spektakuläre Fotos von einer außergewöhnlichen Ballonfahrt. Moritz Frieß will so lange mit einem normalgroßen Ballon durch die Nacht fahren wie kein anderer in Deutschland zuvor. „Du kannst wieder aufsteigen“, meldet Dennis Straub, ebenfalls Ballonfahrer im Ballonsportclub Hellenstein, per Funk nach oben. Gemeinsam mit Benjamin Fischer bildet er die Bodencrew und verfolgt den Ballon per Auto.

Das perfekte Foto vom glühenden Ballon vor dem Sternenhimmel ist im Kasten. Ein Notscheinwerfer zeugt einen Lichtkegel. Der Lichtspot ist für den Notfall dabei, falls eine Landung in der Dunkelheit nötig sein sollte. Wer zufällig weit nach Mitternacht in den Himmel schaut, könnte meinen, ein Ufo zu sichten.

Moritz Frieß: Weltmeister im Speed Skydiving

Moritz Frieß ist ein Mann mit Hang zu außergewöhnlichen Unternehmungen in der Luft. Jahrelang war er Fallschirmspringer, gewann 2018 in Australien die Weltmeisterschaft im Speed Skydiving. Da geht es darum, so schnell wie möglich abwärts zu fallen, meist bei einem Tempo von mehr als 500 km/h.

Vor einigen Jahren entdeckt der Neu-Ulmer den Ballonsport, auf den er sich seit der Coronazeit konzentriert. Im Ballonsportclub Hellenstein in Heidenheim findet er Mitstreiter, mit denen er auch mal Außergewöhnliches auf die Beine stellen kann.

Wieder reizen ihn die Grenzen, wieder betreibt er den Sport exzessiv. Zusammen mit Dennis Straub überquerte er zum Beispiel per Ballon die Alpen. Ein anderer Flug dauert 13,5 Stunden und führt von Ulm in die West-Karpaten. Und wieder ein anderes Mal versucht er sich in der Höhe: Auf 8000 Meter geht es hinauf. Das sind Bereiche, wo es ohne Sauerstoff nicht mehr geht. 10.000 Höhenmeter würde Frieß gerne noch knacken.

Eine besondere Nacht für einen besonderen Ballon-Ritt

Zuvor aber erst ein anderer Rekord, die längste Nachfahrt: „Das geht nur an wenigen Tagen, weil wir eine der kürzesten Nächste im Jahr brauchen und es kalt sein muss“, erzählt Frieß. Wetter, Wind und Temperatur müssen passen. In dieser Nacht kühlt es auf zehn bis zwölf Grad ab. Das sind die Voraussetzungen, um möglichst wenig Gas zu verbrauchen, damit das für die Fahrt reicht. „Solche Nächte gibt es in zehn Jahren einmal, sagt Dennis Straub, der mit geplant hat. Deshalb war der Samstag am Sonnwend-Wochenende der perfekte Zeitpunkt.

Moritz Frieß lässt den Ballon glühen vor dem nächtlichen Sternenhimmel. Zu diesem Zeitpunkt befindet er sich über dem Donauried bei Leipheim. Foto: Dennis Straub

Die Route der Ballonfahrt

Das Team des Ballonsportclubs Hellenstein entscheidet sich für den Flugplatz Eichstätt südlich von Nürnberg als Ausgangspunkt. Die Route wird an die Flugkontrolleure in Frankfurt und München gemeldet, die den Ballon per Transponder auf dem Schirm haben. Sie ist wegen der Windrichtungen in verschiedenen Höhenlagen nicht gerade, sondern führt an Augsburg vorbei Richtung Donaumoos, Ulm wird im Norden passiert, Bad Urach im Süden, um kurz vor Reutlingen zu landen. Start war kurz vor Sonnenuntergang gegen 21 Uhr, die Landung am Sonntagmorgen gegen 6.30 Uhr.

Moritz Frieß (links), Dennis Straub (Mitte) und Benjamin Fischer mit dem verdienten Landebier. Foto: Dennis Straub

Wie hält man so viele Stunden durch, nachts ganz allein im Korb oder im Auto? „Mit ein paar Energydrinks sind wir gut durch die Nacht gekommen“, sagt Frieß. Um ein Uhr hat er die einzige Durchhängephase. Es ist kalt, der Körper zittert. Sechs Minuten nach 1 Uhr geht auch noch der Mond unter und es wird noch dunkler als zuvor. Doch dann hat Frieß wieder zu tun. „Es hat schon fast etwas Meditatives, allein durch die Nacht zu fahren.“

Herausforderungen: extreme Höhenmeter und sensibler Ballon

Denn das Besondere in dieser Nacht sind die oft wechselnden Winde. Deshalb wechselt Frieß oft die Höhe. Am Ende der Fahrt stehen addiert 16.000 Höhenmeter. Das ist umgerechnet weit in die Atmosphäre hinein über die erste Luftschicht hinweg bis in die Stratosphäre. Mehrere Male steigt er von 500 auf 3000 Meter auf. „Das Steigen braucht viel Gas. Das ist als würde ich beim Autofahren ständig Gas geben und wieder bremsen.“ Überhaupt ist das Fahren in der Nacht schwerer als tagsüber, wenn die Sonne den Ballon erwärmt. „Der Ballon reagiert sensibler, Fehler werden nicht so gut verziehen.“

Gefahren wird mit Instrumenten. Ohne diese hätte Frieß oft nicht gewusst, wo er sich im Moment befindet. Orientierungspunkte gibt es nachts wenig. Die Städte ergeben durch die Straßenlaternen Licht-Muster, mal geordnet, mal wirr. Aber erkennen lassen sie sich nicht.

Kurz vor dem Start am Flugplatz Eichstätt. Foto: Dennis Straub

Die Fahrt gelingt nur, weil Frieß einen besonderen Ballon hat. Die Hülle ist silberbeschichtet, sodass das Gas weniger schnell entweicht. Die tragenden Teile sind aus Kevlar hergestellt, um Gewicht zu sparen, und auch die Gasflaschen selbst sind extrem leicht. Im Vergleich zu einem normalen Ballon mit sechs Passagieren verbrauche er ein Zehntel des Gases, erzählt Fries.

Dass er nicht auf Sparflamme fährt, zahlt sich am Ende aus. Denn Frieß muss länger in der Luft bleiben als geplant. Die Windverhältnisse sind so, dass der Ballon über den ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen fährt. Dorthin kann die Bodenmannschaft mit dem Auto nicht folgen. Fries hält den Ballon deshalb eine Stunde länger als geplant in der Luft, bevor er an der Albkante kurz vor Reutlingen im Beisein seiner beiden Kameraden landet.

Die Eckdaten der Rekordfahrt

Ein amtlich besiegelter Rekord ist es zwar nicht, den Frieß hinter sich hat. Einmal war jemand schon nachts unterwegs, allerdings mit einem viel größeren Ballon. Doch in Ballonfahrerkreisen kennt das ganze Team keine vergleichbare Fahrt. Neuneinhalb Stunden war er in der Luft, knapp acht Stunden davon in der Nacht, je nachdem, wie viel von der Dämmerung noch dazu gerechnet wird. Zurückgelegt hat Frieß rund 160 Kilometer. Die Nachtfahrt diente laut Frieß auch dazu, Erfahrung zu sammeln für eine weitere Extremfahrt. Denn will er 15 Stunden lang in der Luft sein, muss er wohl oder übel auch in der Nacht fahren.

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