Ganz so viele Fahrzeuge wie angekündigt waren es dann noch nicht. Aber immerhin: An die 400 Fahrzeuge, ein Großteil von ihnen Traktoren, nahmen am Donnerstagvormittag auf dem Festplatz Nördlinger Straße in Heidenheim Aufstellung. Mit der Aktion wollten die Landwirte im Rahmen ihrer bundesweiten Protestwoche auch auf der Ostalb Profil zeigen und gegen die geplanten Kürzungen der Bundesregierung Flagge zeigen, die die Landwirtschaft treffen sollen.
Aus dem Ostalbkreis, dem Landkreis Göppingen, aber auch aus dem benachbarten Bayern und dem Alb-Donau-Kreis waren Bauern nach Heidenheim gekommen, um gemeinsam mit den Landwirten aus dem Landkreis Heidenheim, aber auch mit Handwerkern ein klares Zeichen zu setzen. Angesichts dessen, dass nicht, wie angekündigt, 1000 Teilnehmer kamen, blieb ein Verkehrschaos in der Innenstadt weitgehend aus, und die vorsorgliche Sperrung der Seewiesenbrücke konnte schon am Vormittag wieder aufgehoben werden.
Forderung nach mehr Verlässlichkeit
Bei der Kundgebung verdeutlichte Hubert Kucher, Vorsitzender des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim, einmal mehr die Forderungen der Landwirte an die Politik: Sie wehren sich gegen den Abbau der Regelungen für Agrar-Diesel und gegen die Streichung weiterer Subventionen. „Aber diese Überlegungen haben das Fass nur zum Überlaufen gebracht“, betonte Kucher und beklagte ganz allgemein, dass vieles auf den Schultern der Landwirte ausgetragen werde. „Wir bringen seit Jahrzehnten unsere Leistung für unsere Gesellschaft und produzieren hochwertige und günstige Lebensmittel, mit denen die Menschen in diesem Land ernährt werden. Ein Prozent der Bevölkerung ernährt mehr als 80 Millionen Menschen, aber dafür brauchen wir Landwirte auch Verlässlichkeit“, so Kucher.
Andere Berufsgruppen streikten für zehn Prozent mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten. „Wir demonstrieren nur dafür, dass uns das, was wir haben, nicht weggenommen wird.“ Kucher beklagte auch den stark zunehmenden Bürokratismus, der die Landwirtschaft treffe: „Wir wissen teilweise gar nicht mehr, was wir überhaupt noch dürfen. Wir sind bestens ausgebildete Landwirte, aber der Staat traut uns nicht zu, dass wir unsere Betriebe ordentlich bewirtschaften, die Ampel-Politiker denken, sie wissen besser als wir, was gut für uns und die Landwirtschaft ist.“
Mangel an Wertschätzung beklagt
Das alles zeuge von einem Mangel an Wertschätzung. Gehe die Politik weiterhin so mit den Bauern um, dann mache er sich große Sorgen um den Nachwuchs. „Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert, wenn junge Menschen nicht mehr in die Landwirtschaft wollen.“ Das nämlich würde die Abhängigkeit vom Ausland erhöhen, „wir müssten viel mehr Lebensmittel importieren. Und was die Abhängigkeit bedeutet, sehen wir bei Medikamenten, Energie, Mikrochips und vielem anderem“. Es müsse sichergestellt werden, dass die deutsche Landwirtschaft die deutsche Bevölkerung ernähren kann, „aber auch die Landwirte müssen überleben und sind angewiesen auf die Subventionen. Wir machen unseren Job gerne, aber teils 16 bis 18 Stunden am Tag richtig hart. Aber dafür sollen unsere Familien auch den Lebensstandard der anderen Menschen haben“.
Der Bundesregierung warf Kucher vor, den Menschen entrückt zu sein und nicht zu wissen, was die Basis benötigt. „Die Bevölkerung muss wieder mitgenommen werden, es müssen Ziele gesetzt werden, die erreichbar sind.“ Er forderte auch mehr Wertschätzung für die Arbeit der Landwirte und mehr Zuverlässigkeit, auch was den Verdienst betrifft: „Wer hart arbeitet, soll auch ordentlich verdienen.“
Großer Rückhalt in der Bevölkerung
Wie andere Redner auch lobte Kucher den Rückhalt in der Bevölkerung, den die Landwirte derzeit von vielen Seiten erführen: „Die Menschen haben Verständnis für unsere Anliegen und unseren Protest. Das gibt uns Kraft und hilft uns, weiterhin zusammenzuhalten und auf die Straße zu gehen“, so der regionale Bauernverbandsvorsitzende.
Diesen Rückhalt in der Bevölkerung lobte auch Kuchers Kollegin aus dem Landkreis Göppingen: „Diese Wertschätzung hat uns lange gefehlt, in der Politik fehlt sie leider immer noch.“ Subventionen in der Landwirtschaft seien notwendig, weil die Menschen in Deutschland günstig einkaufen sollen, und das bei hohen Standards. „Und das soll auch so bleiben, ohne Subventionen können unsere Betriebe nicht überleben.“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und unter anderem zuständig für Ernährung und Landwirtschaft, warnte bei der Kundgebung vor einer Spaltung der Gesellschaft und mahnte ein faires und friedliches Miteinander an. Dazu gehöre auch, dass man den Landwirten Bedingungen schaffe, unter denen sie gute Ware produzieren und auch etwas dabei verdienen. Für den aktuellen Protest der Landwirte sei einzig und allein die Bundesregierung verantwortlich.
Veränderungen nicht über die Köpfe hinweg
Steffen Renner, Vorsitzender der Landjugend-Kreisgruppe Heidenheim, sprach davon, dass auch Junglandwirte Sicherheit und Verlässlichkeit bräuchten, um ihre Existenz zu sichern: „Wir sind dem Einzelhandel ausgeliefert und brauchen deshalb die Zuschüsse von der Politik.“ Die zahlreichen Veränderungen und vielen zusätzlichen Vorschriften ließen die jungen Landwirte unsicher in die Zukunft blicken. „Wir brauchen Veränderungen, aber an denen müssen wir gemeinsam arbeiten, das darf nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden werden.“
Unterstützung aus dem Handwerk
Dass sich auch das Handwerk mit den Landwirten solidarisiert, machte Kreishandwerksmeister Robert Smejkal deutlich: „Die Bauern sind das Rückgrat der Gesellschaft, wir müssen die lokalen Betriebe schützen und stärken, indem wir auf lokale Produkte setzen.“ Auch die Handwerker hätten unter immer mehr Bürokratismus und Steuerlast zu leiden, müssten immer höhere Qualitätsmaßstäbe einhalten und könnten dafür keine höheren Preise verlangen. „Wir alle müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Wertschätzung gegenüber uns und unserer Arbeit erhöht wird.“ Stefan Mickley, Obermeister der Heizungs- und Sanitärinnung, sprach von der gemeinsamen Sorge, „dass die Regierung an uns Menschen vorbei regiert“. Was derzeit im Land von Seiten der Politik geschehe, habe nichts mit der Realität zu tun. „Es wird nur noch verboten und reguliert, das ist der falsche Weg. Wir brauchen keine ideologischen Gesetze, den Verbänden muss wieder mehr Gehör geschenkt werden.“