Der Online-Handel boomt, und mit ihm der Transport von Päckchen und Paketen quer durch die Republik. Packstationen sollen helfen, die Zahl vergeblicher Zustellversuche zu reduzieren, weil die Empfänger nicht zu Hause sind. Mitunter stößt der Standort eines solchen Automaten auf Vorbehalte, so wie jetzt in der Heidenheimer Oststadt.
Wer auf der Römerstraße stadtauswärts unterwegs ist und nach rechts in die Lessingstraße abbiegt, befindet sich in einer Spielstraße. Im Zuge des 2019 erfolgten Umbaus sei der Gehweg entfernt worden, um die Fahrbahn etwas zu verbreitern, sagt ein Anwohner. Die Straße ist in beiden Richtungen befahrbar, allerdings so schmal, dass eine kleine Ausweichfläche in Anspruch genommen werden muss, sobald sich zwei Pkw begegnen. Sie wird allerdings häufig als Stellfläche genutzt.
Viele Kinder spielen auf der Straße
Mancher stehe übergangslos auf der Straße, sobald er sein Grundstück verlasse, berichtet ein Anlieger, und schon mehrfach sei es zu gefährlichen Situationen gekommen. Den Blick lenkt Andreas Weber, ebenfalls ein Anwohner, vor allem auf die Kinder, die die Spielstraße gerne zum Spielen nutzten, weil das Ballspielen auf den Rasenflächen rund um die Wohnblocks in dem Gebiet verboten sei.
Mancher dachte zunächst an einen Abstellplatz für Mülleimer, als Ende Januar hinter einem Mehrparteienhaus der Vonovia auf einer Grasfläche am Fahrbahnrand eine befestigte Bodenplatte entstand. Auf Nachfrage stellte sich dann heraus, dass an dieser Stelle eine Packstation des Paket- und Brief-Express-Dienstes DHL Platz finden soll. Es erschließe sich ihm nicht, so Weber, „wie eine Spielstraße, die verkehrsberuhigt ist, zu einer Durchfahrtsstraße für die Dienstleistungen eines Unternehmens werden kann“.
Autos mit überhöhtem Tempo unterwegs
Entgegen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von sieben Stundenkilometern seien dort regelmäßig Autos mit überhöhtem Tempo unterwegs. Weber prognostiziert auch, während des Be- und Entladens der Station werde es zu Verkehrsbehinderungen kommen. Stadträtin Sabine Bodenmüller, die ebenfalls Anliegerin ist, hält es nicht für sinnvoll, mit Blick auf die Packstation Kurzzeitparkplätze auszuweisen, da Stellflächen in diesem Bereich ohnehin schon rar seien.
Ihr Vorschlag, auf eine alternative, wenige Meter entfernt gelegene Fläche auszuweichen, auf der auch Pkw-Parkplätze angelegt werden könnten, fand keine Beachtung. Gleiches gilt für den Einwand, die Stadt habe die Möglichkeit, eine Unterlassung auszusprechen, da die Station von der Straße aus bedient werde.
Stadt: keine Baugenehmigung nötig
Auf Anfrage teilt die Stadtverwaltung mit, für das Aufstellen einer Packstation in der vorgesehenen Größe bedürfe es keiner Baugenehmigung. Mit Blick auf das Überschreiten der Baugrenze sei eine Befreiung von den Festsetzungen des bestehenden Bebauungsplans erfolgt: „Diese baurechtliche Entscheidung konnte erteilt werden, da keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstanden.“ Hinsichtlich der Sicherheit sei „im Straßenverkehr davon auszugehen, dass sich die Teilnehmenden an die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung halten“. Ein Baustopp sei nicht erfolgt.
Ein Vor-Ort-Termin hat nach Auskunft des Rathauses stattgefunden, auch seitens DHL. Dabei seien keine Bedenken hinsichtlich des Standorts gesehen worden, so die Mitteilung der Stadt, „da aus der Sicht von DHL eine solch kleine Packstation von Bürgerinnen und Bürgern aus der näheren Umgebung genutzt werden wird“. In vergleichbaren Wohngebieten würden derartige Stationen meist fußläufig aufgesucht. Die Packstation soll nach derzeitigem Stand im März aufgestellt werden.
Auf Anfrage teilt Dieter Nawrath von der Pressestelle der DHL-Group mit, die Vorbehalte bezüglich des Standorts an der Lessingstraße seien bekannt. „Sorgen hinsichtlich der Verkehrssicherheit sind unbegründet“, so Nawrath, „da die Anwohner im direkten Wohnumfeld ihre Sendungen empfangen und versenden können und nicht per Auto zu entfernter gelegenen Automaten oder Filialen müssen.“ Die Baufreigabe liege vor, und DHL halte an dem Standort fest.
Sabine Bodenmüller will sich mit der Genehmigung des Vorhabens durch die Stadtverwaltung nicht zufriedengeben. Sie hat im Rathaus schriftlich Einspruch eingelegt.
Mehr als 15.000 Packstationen
DHL verfügt eigenen Angaben zufolge bundesweit über mehr als 15.000 Packstationen. Diese sind ausschließlich für DHL-Pakete vorgesehen. Das DHL-Tochterunternehmen „Dein Fach“ bietet unterdessen Automaten an, die auch Pakete anderer Dienstleister annehmen. Eine solche Station ist an der Lessingstraße vorgesehen. Erklärtes Ziel ist es, Einzelhändlern, Paketunternehmen und Kunden an zentralen und gut erreichbaren Orten ein flexibles Einliefern und Abholen von Paketen und Waren zu ermöglichen.