Nichtöffentliche Sitzungen

Wann dürfen Gemeinderäte im Landkreis Heidenheim hinter verschlossenen Türen beraten?

Gemeinderatssitzungen müssen grundsätzlich öffentlich sein, damit sich jeder ein Bild von der Entscheidungsfindung in seiner Kommune machen kann. Nichtöffentliche Beratungen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Welche das sind und wieviel in den Kreisgemeinden hinter verschlossenen Türen beraten wird:

Wann dürfen Gemeinderäte im Landkreis Heidenheim hinter verschlossenen Türen beraten?

Nicht immer geht es in den Gemeinderäten harmonisch zu: Es wird auch mal kontrovers diskutiert, auch mal gestichelt oder gar gestritten. Nicht immer hat ein Bürgermeister die richtige Antwort auf eine kritische Frage und nicht immer bekleckert sich ein Ratsmitglied mit seiner oder ihrer Aussage mit Ruhm.

Das alles aber sind keine Gründe, einen Tagesordnungspunkt von einer öffentlichen in eine nichtöffentliche Sitzung zu verschieben. Per Gesetz, in diesem Fall Paragraf 35 der Gemeindeordnung, müssen Gemeinderatssitzungen nämlich öffentlich sein. Es gibt aber auch Fälle, in denen Themen hinter verschlossenen Türen beraten werden müssen. Welche sind das, was geht und was ist nicht erlaubt? Antworten darauf liefert die Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums Stuttgart:

Gemeinderatssitzungen haben grundsätzlich öffentlich zu sein. Wann ist es erlaubt, nichtöffentlich zu beraten?

Ja, Gemeinderatssitzungen sind im Grundsatz zunächst öffentlich. Allerdings gibt es durchaus auch Dinge, die nichtöffentlich beraten oder beschlossen werden müssen. Dies ist dann der Fall, wenn es das öffentliche Wohl oder die berechtigten Interessen Einzelner erfordern. Notwendig hierfür ist, dass Tatsachen dafürsprechen, dass durch das Bekanntwerden eines Sachverhalts oder der Entscheidung des Gemeinderats das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner beeinträchtigt werden.

Das klingt sehr theoretisch. Gibt es Beispiele?

Das betrifft zum Beispiel Grundstücksangelegenheiten: alle Angelegenheiten, die die Regelung konkreter Rechtsbeziehungen zu bestimmten Grundstücken zum Gegenstand haben, also den Erwerb, die Veräußerung, die An- und Vermietung – wenn sie die wirtschaftlichen und/oder sozialen Verhältnisse der Eigentümer bzw. Bewerber mitumfassen. Es gilt auch dann, wenn mit einer Diskussion über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Vertragspartners zu rechnen ist.

Bei Vergabesachen wiederum muss dann nichtöffentlich beraten werden, wenn es um die persönlichen oder wirtschaftlichen Aspekte des Bieters geht oder wenn zum Beispiel betriebsinterne Fragen besprochen werden. Zudem muss nichtöffentlich beraten werden in Personalangelegenheiten der Gemeinde oder wenn es zum Beispiel um wirtschaftliche oder strategische Fragen einer gemeindeeigenen GmbH geht.

Das klingt alles sehr weit gefasst.

Das liegt daran, dass die Voraussetzungen für die Nichtöffentlichkeit nicht pauschaliert zu bestimmen sind, sondern immer im Einzelfall gesondert geprüft werden müssen.

Darf ein Gemeinderat nichtöffentlich vorberaten, nur weil ein Thema zunächst unangenehm sein oder sehr kontrovers diskutiert werden könnte – quasi, um sich vor der öffentlichen Diskussion abzustimmen?

Es ist nicht ausreichend, dass es bequemer erscheint oder eine freiere oder sachlichere Aussprache zu erwarten ist, wenn hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.

Darf der Gemeinderat im Anschluss an eine öffentliche Sitzung ein Thema von der dortigen Tagesordnung nichtöffentlich weiterdiskutieren?

Es ist zulässig, dass der Gemeinderat öffentlich berät und dann aber Dinge und Angelegenheiten, die den gleichen Tagesordnungspunkt betreffen, nichtöffentlich bespricht oder sogar besprechen muss, wenn sie die bereits erwähnten berechtigten Interessen der Allgemeinheit oder Einzelner tangieren.

Müssen nichtöffentlich gefasste Beschlüsse öffentlich bekanntgegeben werden?

Ja, nichtöffentlich gefasste Beschlüsse sind nach der Wiederherstellung der Öffentlichkeit oder dann in der nächsten öffentlichen Sitzung bekannt zu geben.

Wer kontrolliert denn, ob sich Verwaltung und Gemeinderat an den Grundsatz der Öffentlichkeit halten?

Der Gemeinderat und seine Beschlüsse unterliegen der Rechtsaufsicht. Das ist entweder das Landratsamt als untere Verwaltungsbehörde oder aber das Regierungspräsidium. Diese Kontrolle erfolgt jedoch nicht von Amts wegen bei jedem gefassten Beschluss, sondern vielmehr dann, wenn sich Anhaltspunkte ergeben, dass eine mögliche Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes vorliegt. Dies können Anfragen von Bürgern oder auch Gemeinderatsmitgliedern selbst sein.

Kann ich als Bürgerin oder Bürger auch schon im Voraus beantragen, dass etwas öffentlich beraten wird?

Nein. Herr der Tagesordnung ist vor dem Einberufen der Sitzung der Bürgermeister. Nach dem Beginn der Sitzung, also nach Eintritt in die Tagesordnung, ist der Gemeinderat Herr des Verfahrens. Aber die Bürgerin oder der Bürger kann sich bei Bedenken an die jeweilige Rechtsaufsicht wenden.

So oft beraten die Gemeinderäte im Kreis Heidenheim nichtöffentlich

Wir haben in den Kommunen des Landkreises (außer den Städten Giengen und Heidenheim) nachgefragt, wie oft in den vergangenen zwölf Monaten nichtöffentliche Sitzungen stattfanden und wie viele Tagesordnungspunkte dabei hinter verschlossenen Türen beraten wurden. Sechs Gemeinden haben geantwortet:

Üblicherweise findet direkt nach oder vor einer öffentlichen Gemeinderatssitzung auch eine nichtöffentliche statt. Deshalb ist das Verhältnis hier in vielen Kommunen ausgeglichen. Einen Ausreißer bildet lediglich Hermaringen: Hier wurde im Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2022 und dem 30. Juni 2023 13 Mal öffentlich und 19 Mal nichtöffentlich getagt. Was die Tagesordnungspunkte anbelangt, befinden sich die Hermaringer aber im Mittelfeld unter den Kommunen: Wie auch in Steinheim und in Nattheim kamen dort auf einen nichtöffentlichen Tagesordnungspunkt im Durchschnitt 2,3 öffentliche. Niederstotzingen bildet hier wiederum einen Ausreißer nach oben: Wurde ein Thema nichtöffentlich beraten, folgten im Durchschnitt 3,2 Themen vor Publikum und Presse. Andersherum sieht es derweil in Dischingen und Königsbronn aus: Im Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2022 und dem 30. Juni 2023 standen in Königsbronn einem nichtöffentlichen Tagesordnungspunkt lediglich 1,9 öffentliche gegenüber (18 Sitzungen öffentlich, 19 Sitzungen nichtöffentlich). In Dischingen waren es durchschnittlich sogar nur 1,5 öffentliche Tagesordnungspunkte zu einem nichtöffentlichen.

Die Zahlen im Überblick:

Königsbronn: 18 öffentliche, 19 nichtöffentliche Sitzungen; 164 öffentliche, 85 nichtöffentliche Tagesordnungspunkte

Niederstotzingen: Elf öffentliche, elf nichtöffentliche Sitzungen; 98 öffentliche, 30 nichtöffentliche Tagesordnungspunkte

Steinheim: 15 öffentliche, 15 nichtöffentliche Sitzungen; 125 öffentliche, 53 nichtöffentliche Tagesordnungspunkte

Nattheim: Zwölf öffentliche, zwölf nichtöffentliche Sitzungen; 91 öffentliche, 39 nichtöffentliche Tagesordnungspunkte

Hermaringen: 13 öffentliche, 19 nichtöffentliche Sitzungen; 109 öffentliche, 47 nichtöffentliche Tagesordnungspunkte

Dischingen: Zwölf öffentliche, elf nichtöffentliche Sitzungen; 180 öffentliche, 118 nichtöffentliche Tagesordnungspunkte