Vernissage

Neue Ausstellung im Heidenheimer Kunstmuseum: Berieselung in Salz

Unter großem Besucherandrang wurden im Heidenheimer Kunstmuseum die Ausstellungen „Kristallisationspunkte“ und „Remains of Paranoia“ eröffnet.

Zucker und Salz gehören ja eigentlich in die Küche und nicht ins Museum, so Bürgermeisterin Simone Maiwald bei der Eröffnung der beiden Ausstellungen „Kristallisationspunkte“ und „Remains of Paranoia“ am Samstag. Dass sich die weiße Würze allerdings auch im Museum gut macht, konnten die zahlreichen Besucher der Vernissage feststellen. Sehr angetan waren diese von den zahlreichen Exponaten, in denen Zucker und Salz entweder als Werkstoff oder auch als Inhalt gezeigt wurden. Inspirierend und ideenreich, zu diesem Schluss kamen die Besucher angesichts der Vielseitigkeit der Ausstellung, bei der vieles eigens für Heidenheim angefertigt wurde.

Etwa der garantiert nicht zuckerfreie Stadtplan von Heidenheim, das sich hier in Häuserreihen ganz aus Würfelzucker präsentiert. Künstlerin Patricija Gilytes hat hier eine aparte Ansicht der Stadt geschaffen, bei der man sich gerne auf die Suche nach Bekanntem macht. Manches ist auch erst in letzter Sekunde entstanden, wie beispielsweise Jonas Etters Werk: Er hat gebrannten Zucker in einen Kastenrahmen gefüllt, was schon mal ein Bild ergibt. Und das wandelt sich im Lauf der Ausstellung: Die Schwerkraft lässt den Zucker herauslaufen. Zusammen ergibt das einen faszinierenden Prozess: Das Bild wird heller, die Tropfen länger und sie bilden schließlich ein neues Rund am Boden. Dieser Faszination der ständigen Veränderung gaben sich die Betrachter gerne hin.

Die Ausstellungseröffnung war sehr gut besucht. Bürgermeisterin Simone Maiwald hielt eine Ansprache. Oliver Vogel

Gut gewürzte Performance

Manches entstand auch tatsächlich erst an diesem Abend: Künstler Fadi al-Hamwi hatte eine Performance vorbereitet: Dazu notwendig waren diverse Säcke mit Salz, die verschiedensten Glasgefäße bis hin zum kleinen Salzstreuer, ein riesiges Sieb, verschiedene Holzlatten, Stäbe, einen Fahrradreifen als Antrieb. Die Betrachter wurden damit Zeuge, wie aus Einschütten, Umschütten, Sieben und Berieseln ein immer neues, immer verändertes Werk entstand, in dem jede Vase, jedes Holz, ja jeder Klang ein Puzzleteil des Werks darstellte. Der Klang des rieselnden Salzes in Glas ebenso wie der des auf den Boden fallenden, der Klang des Salzes im Sieb, ähnlich leichtem Sommerregen, das Entstehen von Salzpfaden durch das Ziehen des Holzes. Dabei war Fadi al-Hamwi unermüdlich dabei, das Werk zu verändern und immer neu entstehen zu lassen. Dabei wurde jeder Zufall einbezogen, der dem Konzept noch weitere Würze gab.

Die Veränderungen, von denen Simone Maiwald in ihrer Eröffnungsrede sprach, sie zeigten sich gerade an dieser Performance deutlich. Auch weitere Exponate sind Beispiele dafür, dass die Veränderung wesentlicher Bestandteil des Werkes ist. Die Geschichte von Salz und Zucker und damit ihr Werdegang vom seltenen Luxusgut zur im Überfluss vorhandenen und mit Vorsicht zu genießender Würze wird ebenfalls skizziert. Die Veränderungen wurden auch deutlich in der Ausstellung „Remains of Paranoia“ mit Fotos des gebürtigen Heidenheimers Alfred Diebold, der die Hinterlassenschaften des Diktators Hoxha in Albanien auf bedrückende Weise eingängig präsentiert. „Es zeigt uns, wie instabil Macht und Grenzen sind“, so Maiwald.

Ihr Dank galt Museumsdirektor Marco Hompes für diese ungewöhnliche Ausstellung, und der wiederum dankte seinem Team, und auch das sehr ungewöhnlich: Er hatte eigens jedem im Team einen Orden gefertigt. Und der größte Dank für alle war wohl dies: Die beiden Ausstellungen sind jede für sich äußerst sehenswert. Das kristallisierte sich bereits in den Reaktionen der Betrachter an der Vernissage heraus. Und auch dies: Möglicherweise muss das Kunstmuseum weitere Stühle anschaffen. Denn offenbar werden es von Vernissage zu Vernissage mehr Besucher.

Spezialführung am Ostermontag

Die Ausstellungen laufen noch bis zum 2. Juni und können zu den Öffnungszeiten des Kunstmuseums Heidenheim besichtigt werden. Die nächste öffentliche Führung findet statt am Ostermontag, 1. April, ab 11:15 Uhr. Es handelt sich dabei um eine Spezialführung mit Künstler Rainer Jooß.

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