Im Prozess am Landgericht Ellwangen wegen versuchten Mordes an einem 25 Jahre alten Mann aus Oberkochen sagte am Dienstag der Geschädigte als Zeuge aus. Er war am 11. Juli 2024 kurz nach 5 Uhr auf einem asphaltierten Weg zwischen Schnaitheim und Aufhausen blutüberströmt und schwer verletzt von einem Radfahrer aufgefunden worden. Er soll rund zwei Stunden zuvor von einem 21-jährigen Heidenheimer mit Faustschlägen, Tritten und einem Gegenstand massiv verprügelt und dort liegen gelassen worden sein.
Mit dem 21-Jährigen angeklagt sind zwei 22 und 25 Jahre alte Frauen. Das Trio soll den Mann vom gemeinsamen Treffpunkt auf dem Parkplatz eines Gartenmarkts in Schnaitheim bis zum Tatort mit dem Auto verfolgt haben. Die Frauen saßen während der Gewalttat im Auto. Die 22-jährige Giengenerin, die gefahren ist, hatte am ersten Verhandlungstag angegeben, dass sie über ein auf Lautsprecher geschaltetes Telefon Kontakt zu dem 21-jährigen Täter hatten und die Tat mitangehört hätten. Gesehen haben wollen die Frauen nichts, da die Scheinwerfer des Autos ausgeschaltet gewesen seien.
Liebesbeziehung zwischen Opfer und mutmaßlicher Täterin
Der 25-jährige Geschädigte, der im Prozess auch als Nebenkläger auftritt, berichtete, wie er am Abend vor der Tat gegen 19 Uhr in Oberkochen von der 22-jährigen Frau mit dem Auto abgeholt wurde. Auch die 25 Jahre alte Heidenheimerin, mit der der 21-jährige Täter eine Liebesbeziehung hatte, war beim Abholen dabei. Das Opfer und die beiden Frauen verbrachten gemeinsam den Abend, erst nach Mitternacht stieß der 21-jährige Angeklagte dazu. Er habe den Mann nicht gekannt und noch nie zuvor gesehen, sagte der 25-Jährige aus.
Die Atmosphäre des Treffens habe sich sehr stark verändert, als der 21-jährige Lkw-Fahrer hinzukam, erzählte der 25-Jährige, der als Lagerist arbeitet. Die 22-jährige Frau habe ihm vorgeworfen, er hätte etwas mit der 25-jährigen Frau gehabt. Er habe daraufhin zugegeben, dass er zu einem früheren Zeitpunkt mal in diese verliebt gewesen sei. Ein Verhältnis habe aber nicht bestanden. Mit der 22-Jährigen sei er in einer „On-off-Beziehung“ gewesen, berichtete der 25-Jährige. Allerdings war diese verheiratet, einige Monate vorher kam es auch zu einer verbalen Auseinandersetzung mit deren Ehemann in einer Gaststätte am Bahnhof Oberkochen.
Welche Rollen hatten die beiden Frauen?
Über die Rollen der beiden Frauen bei dem Tatgeschehen gab es verschiedene Aussagen: Der 21-jährige Angeklagte hatte am ersten Prozesstag berichtet, er sei von der 22-jährigen Frau zur Tat angestachelt worden, da diese wütend auf den 25-Jährigen gewesen sei. Diese Aussage hatte er laut einem Protokoll, das der Vorsitzende Richter Jochen Fleischer verlas, schon im November anlässlich einer Haftprüfung gemacht. Bei der ersten Vernehmung hatte er noch komplett abgestritten, den 25-Jährigen zusammengeschlagen zu haben.
Später wurden in der Verhandlung Chats zwischen dem 21-jährigen Täter und der mitangeklagten 25-Jährigen verlesen, die bei dem Mann als „Schatz“ im Telefon abgespeichert war. Neben zahlreichen Liebesschwüren und den gegenseitigen Versicherungen, sich im Gefängnis zu besuchen, verabredeten die beiden Ende August – und damit vor der Vernehmung bei der Polizei – die Schuld auf die 22-Jährige zu schieben. „Wir wussten von gar nichts“, so die Übereinkunft der beiden.
Das Opfer berichtete, dass die 22-Jährige ihn in der Tatnacht nicht mehr nach Hause fahren wollte, obwohl sie dies zuvor versprochen hatte. Auch der 21-Jährige wollte ihn nicht fahren, er wurde aufgefordert, nach Oberkochen zu laufen. Nachdem er sich auf den Weg gemacht hatte, hielt die 22-Jährige mit ihrem Auto, in dem auch die anderen beiden Beteiligten saßen, an der B19 neben ihm an. Der 21-jährige Mann stieg aus, habe ihm vorgeworfen, dass er auf seine Freundin stehe, und habe ihn mehrmals mit der Faust links und rechts in die Rippen geschlagen. Daraufhin fuhr das Trio wieder davon und er sei zu Fuß weitergegangen.
Das Opfer fühlte sich verfolgt
Im weiteren Verlauf des Weges habe er Angst gehabt und sich verfolgt gefühlt, erzählte der Mann. Erinnern kann er sich nur noch an den Weg durch Schnaitheim, am Bahnhof vorbei und dann auf einem Weg, der in seiner Erinnerung rechts und links von Bäumen gesäumt war. Auch, dass ein Auto an ihm vorbeigefahren sei, wisse er noch. Dann könne er sich nur noch daran erinnern, im Krankenhaus aufgewacht zu sein, so der 25-Jährige.
Die Erinnerungslücke erklärt sich durch das schwere Schädel-Hirn-Trauma, das der Mann durch massive Schläge und Tritte gegen den Kopf erlitten hat. Rechtsmediziner Prof. Sebastian Kunze beschrieb dies aus Sicht des Rechtsmediziners und anhand eines Fotos, das von dem 25-Jährigen nach der Versorgung im Universitätsklinikum Ulm auf der Intensivstation aufgenommen wurde. Die zentrale äußere Verletzung war eine große Risswunde, die sich von der Nasenwurzel über die Stirn bis zum Haaransatz zog. Um diese zu verursachen, sei ein länglicher Gegenstand notwendig gewesen, so der Rechtsmediziner. „Nur mit einem Faustschlag ist das nicht zu bewerkstelligen“, sagte Kunze. Auch ein Sturz sei als Ursache dafür ausgeschlossen. In der Mitte der Stirn hatte der Mann eine flächige Verletzung, auf der ein Muster zu erkennen war. Dies sei typisch für den Kontakt mit einem besohlten Schuh, sagte Kunze.
Insgesamt seien mindestens acht Gewalteinwirkungen auf das Opfer festzustellen gewesen, mindestens eine mit einem Gegenstand ausgeführt. Daraus resultierte ein Bruch des Stirnbeins, beider Stirnhöhlen und einer Augenhöhle. Der 25-Jährige erlitt eine leichte Hirnblutung sowie einen Rippenbruch, durch den Luft in den Brustraum eindrang, was einen sogenannten Pneumothorax verursachte.
Keine akute Lebensgefahr dank Rettungsdienst
Für das Opfer habe keine akute Lebensgefahr bestanden, so der Rechtsmediziner. Dies sei allerdings der Tatsache geschuldet, dass der Mann zweieinhalb Stunden nach der Tat vom Rettungsdienst versorgt und vorsorglich intubiert worden sei. Wäre das nicht geschehen, wäre eine Lebensgefahr sehr wahrscheinlich gewesen. Und auch bei der Schwere der Verletzungen habe der Mann großes Glück gehabt: Wäre noch etwas mehr Gewalt im Spiel gewesen, wäre es für ihn sehr viel gefährlicher geworden, so Kunze.
Dass dem Mann geholfen wurde, hat er einem 45-jährigen Radfahrer zu verdanken, der zu sehr früher Stunde auf dem Weg zur Arbeit war. Er hat das Opfer entdeckt und sofort Polizei und Rettungsdienst verständigt. Dieser berichtete als Zeuge, dass der Mann zwar auf Ansprache reagierte und sich selbstständig aufsetzen konnte, aber nicht imstande war, sich zu artikulieren. Das angeklagte Trio hatte das Opfer nicht nur nach der Tat auf dem Feldweg liegen lassen, sondern war sogar noch einmal zurückgekehrt, um ihm das Handy abzunehmen und die Tatwaffe zu entsorgen.
Ermittlungen erst sechs Wochen nach der Tat
Für die Polizei sei die Situation anfangs unklar gewesen, berichtete ein 35-jähriger Kriminalpolizist aus Heidenheim. Das Opfer sei zunächst nicht vernehmungsfähig gewesen. Erst drei Tage später konnten überhaupt seine Personalien festgestellt werden. Am 20. August habe der 25-Jährige schließlich eine Aussage machen können, bei der er erzählte, an dem Abend mit den beiden Frauen unterwegs gewesen zu sein. Er gab an, dass noch ein Mann dabei gewesen sei, einen Namen wusste er aber nicht.
Der Kripobeamte konnte relativ schnell feststellen, um wen es sich bei dem weiteren Täter handelte, „mir war der Personenkreis aus anderen Ermittlungen bekannt“, so der Mann vor Gericht. Er erzählte auch, dass möglicherweise zwei Brandstiftungen an Fahrzeugen auf das Konto des 21-Jährigen gehen könnten. In beiden Fällen sei es darum gegangen, seiner 25-jährigen Geliebten etwas zu beweisen.
Der Prozess vor dem Landgericht Ellwangen wird am Mittwoch, 12. März, um 9 Uhr fortgesetzt. Möglicherweise kommt es an diesem Tag auch zu einem Urteil.