Meisterkonzert

Wie das Trio E.T.A. in der Waldorfschule zum Dahingleiten einlud

Das Trio E.T.A. stellte in der Waldorfschule "Unbekannte Bekannte" vor und überzeugte restlos mit einem anspruchsvollen Programm

Wie das Trio E.T.A. in der Waldorfschule zum Dahingleiten einlud

An der Witterung lag es wohl, dass sich doch deutlich weniger Publikum als gewöhnlich zum Meisterkonzert in der Waldorfschule. Die Furcht vor dem Dahingleiten auf Schnee und Eis mag manche davon abgehalten haben. Allerdings verpassten sie dadurch auch das Dahingleiten auf anspruchsvoller und nicht so häufig zu hörender Musik. War es ein ununterbrochenes Dahingleiten? Und war das überhaupt Brahms?

Doch der Reihe nach. Zunächst einmal standen auf dem Programm „Unbekannte Bekannte“. Und dieser Titel mag durchaus auch für die Akteure des Abends gelten: Das Trio E.T.A. besteht aus Violinistin Elene Meipariani, Pianist Till Hoffmann und Cellist Hayk Sukiasyan, bezieht seinen Namen aus der gemeinsamen Verneigung vor E.T.A. Hoffmann und dessen Vielseitigkeit, existiert seit vier Jahren und spielt in dieser Besetzung seit gerade mal seit einem Vierteljahr zusammen.

Und das allein würde schon staunen lassen: Die Harmonie, das Zusammenspiel nur auf Blicken und Nicken basierend, das Aufeinandereingespieltsein, und das in dieser Virtuosität, das alles hätte auf jahrelange Übung schließen lassen. Dem ist also nicht so, und die gemeinsame Probenzeit damit auch recht kurz – und dennoch wurde ein Programm voller Herausforderungen geboten. Und gemeistert. Das vorneweg.

Faszinierende schroffe Wechsel

Die „Unbekannten Bekannten“ finden sich auch im Programm wieder. Joseph Haydn zum Beispiel, war hier mit einer unbekannten Seite zu erleben. Es war E.T.A. Hoffmann, der über Haydns Musik sagte, sie kenne nur den Himmel, nicht aber die Hölle. Damit dürfte das im Programm befindliche Trio fis-Moll Hob. XV 26 auch dem Namensgeber des Trios unbekannt gewesen sein: Hier neigt sich nichts dem heiteren Dur, das Haydn auch im Moll so gerne anklingen lässt, hier bleibt es melancholisch und schwermütig auch über die Tanzmelodie bis hin zum dramatischen Schluss. Was aber nun nicht hieße, es ließe an Spannung und Kraft vermissen. Ganz im Gegenteil: Dunkel und grüblerisch in der Grundstimmung, geht doch eine große Faszination vom wiederkehrenden, immer variierenden Thema aus, noch mehr von den Wechseln, die Haydn hier nahezu schroff vornimmt. Diese impulsiven Wendungen verfehlten ihre Wirkung beim Publikum nicht, und das lag ganz sicher auch am tadellosen Vortrag durch das perfekt harmonierende Trio E.T.A.

Der Auftakt mit den unbekannten Bekannten also absolut gelungen. Mit César Franck, einem der bedeutendsten französischen Komponisten des 19. Jahrhunderts, stand dann gar noch ein wesentlich unbekannterer als Haydn auf dem Programm, und das ebenfalls mit einem Trio fis-moll op. 1/1. Und das bestach bereits in seinem reizvollen Auftakt: markante Klavierakzente, einfallendes Cello und wie zufällig dazustoßende Violine. Und es blieb auch so reizvoll, denn Franck hat unglaublich viel an Ideen in dieses Trio gepackt. Mal bildet das Klavier in Stakkato-Grundtönen quasi Säulen, um die sich Violine und Cello girlandenhaft winden, mal braust das Klavier in wildem Fluss zum Pizzicato von Violine und Cello, mal bilden die beiden Streicher mit feinstem Bogenstrich gerademal einen Hauch von Ton, während des Pianisten Finger nur so über die Tasten flitzen. Der Wechsel ist hier die Konstante, die sich durch das ganze Werk zieht. Und so manche Hürde für die Künstler darstellt – das Trio E.T.A. nahm sie scheinbar mühelos.

Werk von schillernder Pracht

Und mittendrin Brahms. Oder auch nicht Brahms. Darüber streiten die Gelehrten. Das Trio A-Dur op. Posthum wurde erst 1924 entdeckt, und der Komponist lässt sich nicht einwandfrei belegen. Zweifelsohne steckt vieles drin, das an Brahms denken lässt, vieles aber auch nicht. Das sei aber mal dahingestellt, denn die schillernde Pracht überzeugte das Publikum restlos von diesem Werk. Und vom Können des Ensembles. Denn Kontraste und Tempo gehen hier einträchtig einher, und selbst das Lento, das so unerhört luftig-leise klingen kann, ist hier gar nicht so langsam wie die Bezeichnung es vermuten ließe. Partien von größter Innigkeit wechseln sich ab mit schnellen Läufen, die im Presto geradezu wild aufbauschen dürfen. Und kaum ist der Zuhörer vom überbordenden Volumen eingenommen, wird er von weicher Zartheit erfasst. Und auch hier scheinen die Wechsel impulsiv, immer überraschend für den Zuhörer, dessen Dahingleiten immer wieder eine neue Volte erfährt. Aber ein Dahingleiten war es, das gesamte Konzert über – ein Genuss durch und durch, den das Publikum mit langanhaltendem Applaus belohnte. Und dafür wurde es wiederum vom Trio E.T.A. belohnt: Mit dem langsamen Satz aus Mozarts Trio C-Dur, auch zu den wenig gespielten Werken gehörig, setzte das Trio E.T.A. noch einen drauf, bewies abermals sein großes Können. Und machte das Dahingleiten für die Zuhörer zum Dahinschmelzen. Was nicht für den Schnee draußen galt – und das Dahingleiten hoffentlich auch nicht für den Heimweg.

Vielfach ausgezeichnet

Das besondere Interesse des Trios E.T.A. gilt neben den Meisterwerken für Klaviertrio auch weniger gehörten Neuentdeckungen und der Neuen Musik. 2021 gewann das junge Ensemble den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs, den Sonderpreis des Rotary-Clubs Bonn sowie den Preis der Freunde junger Musiker Deutschlands. 2023 hat der Südwestrundfunk das Trio E.T.A. in sein exklusives Förderprojekt SWR2 New Talent aufgenommen.

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