Ein klares politisches Signal an die regionalen Nachbarn sowie an Land und Bund hat jetzt der Fachausschuss des Heidenheimer Kreistags gesendet: Der Landkreis ist gemessen am Streckenanteil bereit, den Löwenanteil der regionalen Planungs- und Finanzierungskosten für die Brenzbahn zu übernehmen. Allerdings nur dann, wenn das Land die Hälfte übernimmt und sich die anderen Stadt- und Landkreises angemessen beteiligen. Der Beschluss im Ausschuss für Infrastruktur und Umwelt war einstimmig. Der Kreistag wird am Mittwoch, 16. Oktober, abschließend entscheiden. Landrat Peter Polta sprach Klartext: „Wir machen weiter, aber wir erwarten angemessene Beteiligung von allen, die dabei sind.“
Es geht um viel Geld, 620 Millionen Euro insgesamt, aber gleichzeitig auch um das derzeit wichtigste Infrastrukturprojekt in der Region: den streckenweise zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Brenzbahn. Oliver Dümmler, Geschäftsführer Regio S-Bahn Donau-Iller, stellte zusammen mit Landrat Polta, der politischer Verhandlungsführer für die Region gegenüber Land und Bahn ist, den aktuellen Planungsstand vor.
Wie soll die Brenzbahn verbessert werden?
Damit mehr Personen- und Güterverkehr auf die Brenzbahn kommen kann, wurden drei Ausbaupakete geschnürt, deren betriebswirtschaftliche Wirksamkeit mittlerweile weitgehend bestätigt ist.
Ziel eins ist der stündliche Express zwischen Ulm und Aalen sowie die Verlängerung der Regio S-Bahn Ulm-Langenau bis Sontheim. Dafür muss die Brenzbahn zweigleisig werden auf neun Kilometern zwischen Thalfingen und Langenau sowie auf fünf Kilometern zwischen Niederstotzingen und Bergenweiler.
Ziel zwei ist der Halbstundentakt zwischen Aalen und Heidenheim sowie zusätzliche Halte im Süden von Aalen und beim Zeiss-Werk in Oberkochen. Zehn Kilometer zweigleisiger Ausbau zwischen Unterkochen und Königsbronn sind dafür nötig. Für die beiden Brenzbahnpakete zusammen betragen die ermittelten Ausbaukosten laut Dümmler circa 224,6 Millionen Euro. Dabei werden 24 Kilometer, dies entspricht einem Drittel der Gesamtstrecke der Brenzbahn, zweigleisig ausgebaut.
Ziel drei ist die Elektrifizierung, die nach aktuellen Berechnungen wesentlich teurer wird als bisher angenommen: 252 statt 125 Millionen Euro. Teurer würde es deshalb, weil der Tunnel für den Einbau der Oberleitung umgebaut werden müsste, ebenso viele Brücken, so Dümmler. „Die Summen sind beachtlich“, sagte Landrat Polta. Doch für ihn führt nichts an der Investition vorbei, soll der Landkreis zukunftsfähig werden.
Wer bezahlt was beim Brenzbahn-Ausbau?
Die Kosten klettern bei jeder neuen Planungsstufe weiter. Die Gesamtprojektkosten werden jetzt mit Stand Ende August 2024 mit rund 620 Millionen Euro angegeben. Davon trägt der Bund voraussichtlich 390 Millionen Euro, wobei die abschließende Zusage noch fehlt, das Land 87 Millionen Euro. Ein großer Batzen, nämlich 133 Millionen Euro, bleibt an der Region hängen. Diesen Betrag müssen der Landkreis Heidenheim, der Ostalbkreis, der Alb-Donau-Kreis sowie der Stadtkreis Ulm unter sich aufteilen. Unabhängig davon, ob das Land noch zu einem höheren Zuschuss bereit ist, um eine Beteiligung kommt die Region laut Polta nicht umhin: „Das ist ein Bähnle im Osten des Landes, das nicht an einem Hauptkorridor liegt. Drastisch gesagt: Wenn wir nichts tun, passiert hier nichts.“
Worüber sind sich die Landkreise entlang der Brenzbahn uneins?
Der Haken: Zwar haben sich die Partner auf einen Berechnungsschlüssel gemessen an Strecke und Einwohner weitgehend geeinigt, doch will sich der Alb-Donau-Kreis laut Landrat Polta im Moment nicht an den Kosten bezüglich der Elektrifizierung beteiligen. Auch in Ulm steht noch eine Entscheidung aus. „Was sollen wir denn machen mit der Brenzbahn, weiter mit Diesel fahren, in welchem Jahrhundert sind wir denn?“, sagte Polta nicht ohne Enttäuschung über diese Haltung.
Wie wichtig die Elektrifizierung ist, machte Dümmler klar, nachdem dazu die fahrplantechnische Prüfung der Bahn vorliegt: Da E-Loks schneller beschleunigen, ergibt sich ein Fahrzeitgewinn zugunsten eines stabilen Fahrplans und zusätzlicher Halte. Verbessert wird zudem der Güterverkehr, da nicht mehr von Elektro auf Dieselfahrzeuge umgespannt werden müsse. Da die Dieselloks schwächer sind, müssten die Züge derzeit auf zwei Fahrten geteilt werden. Künftig könnte der Güterverkehr in gesamter Länge durchfahren.
Welche Kosten kommen auf den Landkreis Heidenheim zu?
Von den regionalen Kosten müsste der Landkreis insgesamt 76 Millionen Euro schultern, wobei der Batzen nicht auf einmal fällig ist. Im Moment geht es vor allem um die Vorfinanzierung der Planungskosten, die auf insgesamt 63,7 Millionen Euro beziffert werden, für den Landkreis macht das 36,8 Millionen Euro aus. Nach Angaben der Bahn ist von einem Zeitraum von bis zu acht Jahren auszugehen, sodass pro Jahr für den Landkreis 5 bis 6 Millionen Euro anfallen würden. Landrat Polta ist jedoch optimistisch, den Betrag für die Region noch drücken zu können: „Das Land sieht ein, dass es sich an den Vorplanungskosten stärker beteiligen muss, um die Hürde für die regionalen Partner zu verringern.“ Es habe in Aussicht gestellt, die Hälfte der Planungskosten zu finanzieren. Klappt dies, wäre der Landkreis mit zwei bis drei Millionen Euro jährlich dabei. „Ich halte das für stemmbar.“
Worst-Case-Szenario: Wie viel Geld setzt der Landkreis Heidenheim in den Sand?
Werner Häcker (Freie Wähler) richtete seine Kritik an Land und Bund: Angesichts der Diskussion über Klimaneutralität und CO₂-Einsparung müsste der Brenzbahn-Ausbau Priorität Nummer eins sein. „Doch zwischen Reden und Taten gibt es einen massiven Unterschied.“ Auch Wilhelm Oszfolk (SPD) pflichtete bei: Für das Ziel Klimaneutralität müsse jeder in den Zug einsteigen.
Alfons Jakl (CDU/FDP-Fraktion) skizzierte den schlimmsten Fall: Was wäre, wenn das Brenzbahn-Projekt scheitert angesichts dessen, dass die anderen Landkreise sich zieren? „Dann setzt der Landkreis 20 Millionen Euro für die Planungskosten in den Sand“, rechnete er vor, selbst wenn das Land eine Ausfallbürgschaft übernehme. Deshalb sei jetzt der wichtigste Schritt, sich mit den Partnern zu einigen. „Den Fall, dass es nichts wird, haben wir nicht auf dem Schirm“, so Landrat Polta, der jedoch ein gewisses Risiko einräumte. In allen Land- und Stadtkreisen werde darüber in den kommenden Wochen in den politischen Gremien abgestimmt. Mit Blick auf die Verkehrsprognose für die 2030er Jahre müsse etwas passieren: „Sonst haben wir den Verkehrsinfarkt auf der B19.“