Im Streit um die Rückzahlung der Corona-Soforthilfen aus dem Jahr 2020 scheint das Land den Kürzeren zu ziehen. Darauf deutet jedenfalls eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart hin. Gegenüber standen sich der Heidenheimer Friseurmeister Holger Schier, einer von drei Inhabern des Friseursalons City-Friseur, und die L-Bank, die im Namen des Landes zunächst die Coronazuschüsse ausgezahlt und später zu einem großen Teil wieder zurückgefordert hatte. Schier wehrte sich, doch die L-Bank wies seinen Widerspruch – wie den vieler anderer Betroffener – ab.
Der City-Friseur hatte vom Land 15.000 Euro erhalten, nachdem der Salon im Frühjahr 2020 sechs Wochen lang schließen musste. Weil der Salon nach dem Lockdown gut zu tun hatte und entsprechend Umsatz erzielte, forderte die Bank zwei Drittel der Hilfen zurück. Dies wurde über automatisierte Formschreiben abgewickelt, in denen kein Fall einzeln bewertet worden sei, so Schiers Vorwurf.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nun ein klarer Sieg für den Heidenheimer: Die 17. Kammer hob die Widerrufs- und Erstattungsbescheide der L-Bank Baden-Württemberg ebenso auf wie die Ablehnung des Widerspruchs des Klägers. Das bedeutet: Die Rückforderungen sind rechtswidrig, der City-Friseur kann das Geld behalten.
„Wir haben Grund zu feiern“, jubelt Holger Schier, der bei der mündlichen Verhandlung seine Sichtweise dargelegt hatte. Die Richter seien sehr gut vorbereitet gewesen. Schon während des Prozesses habe man schon eine klare Einschätzung erkennen können. „Und die war zu unseren Gunsten.“ Parallel zum Heidenheimer Fall verhandelte das Gericht auch den Fall eines Hotelbetriebs aus Lauchheim – mit gleichem Ergebnis.
Heidenheimer Fall kann wegweisend sein
Nach diesem Urteil können sich auch andere Betroffene Hoffnung machen, die Coronahilfen behalten zu dürfen. Laut Dr. Matthias Modrzejewski, Richter und Pressesprecher am Verwaltungsgericht Stuttgart, handelt es sich zwar um keinen Musterprozess im eigentlichen Sinne. Dennoch könnte das Urteil Auswirkungen auf andere Verfahren haben, sagt er. „Denn in der Praxis stellen sich in den anderen Fällen die gleichen Rechtsfragen“, so der Richter. Wenn diese nun geklärt seien, sei zu erwarten, dass sich folgende Verfahren daran orientieren. Und das sind nicht wenige: Nur vier der insgesamt 23.000 Widersprüche waren erfolgreich. Dies hatte der Vertreter der L-Bank auf Nachfrage von Schier am Verwaltungsgericht gesagt.
Warten auf die Urteilsbegründung aus Stuttgart
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Bis zum endgültigen Schlusspunkt werden voraussichtlich noch einige Monate vergehen. Denn das Gericht hat eine Berufung zugelassen. Ob die L-Bank davon Gebrauch macht, ist derzeit unklar. Zunächst muss die schriftliche Urteilsbegründung vorliegen. Danach hat die L-Bank einen Monat Zeit, Berufung einzulegen, die innerhalb von zwei Monaten begründet werden muss. Passiert dies, kann sich auch die Gegenseite, also der City-Friseur, noch einmal schriftlich äußern. Der Fall wird dann an den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim weitergeleitet.
Die Stuttgarter Richter stehen mit ihrer Einschätzung nicht allein da. Schon im Juni hatte das Verwaltungsgericht Freiburg in ähnlichen Prozessen zugunsten der Kläger entschieden und die Rückforderungen der Soforthilfen für rechtswidrig erklärt. Auch in diesen Fällen fehlt jedoch noch die schriftliche Urteilsbegründung.
Holger Schier hofft darauf, dass die Politik die Reißleine zieht und das Urteil anerkennt. „Die klaren Niederlagen der L-Bank in Freiburg und Stuttgart sind ein Signal dafür, dass hier erhebliche Fehler der Regierung und der L-Bank passiert sind. Das sollte man anerkennen und nicht noch weitere Steuermittel in zusätzliche Prozesse stecken“, sagt Schier.
Andreas Stoch bringt Thema in den Landtag
Der Heidenheimer SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Stoch und Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion hatte nach dem Urteil schnell reagiert und das Thema bei einer Landtagssitzung zur Diskussion gestellt. Die Corona-Soforthilfen des Landes seien für Selbstständige und kleine Unternehmen überlebensnotwendig gewesen. Sie jetzt unter geänderten Bedingungen zurückzufordern, sei ein Unding.
„Wir fordern das Land auf, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ernst zu nehmen und auf Rechtsmittel zu verzichten. Nur so wird diesem für alle Betroffenen unwürdigen Chaos ein Ende gesetzt“, so Stoch. „Die Landesregierung spricht permanent von Bürokratieabbau. Jetzt könnte sie beweisen, dass sie es auch ernst meint.“ Eine Entscheidung dazu wurde vonseiten der Regierung nicht getroffen.