Zwischen Lachen und Beklemmung - So war die Sherlock-Holmes-Premiere im Naturtheater Heidenheim
Es beginnt scheinbar harmlos und wird dann beklemmend: Es wird eine leichte Musik gespielt, man sieht eine Parkkulisse, eine junge Frau und einen Mann mit Spazierstock. Die Frau zündet sich eine Zigarette an, der Mann bittet um Feuer, sie empfindet ihn nicht als bedrohlich. Doch dann, während noch die leichte Musik weiterspielt, schlägt die Szene schlagartig um, der Mann geht auf sie los, sie hat keine Chance. Er tötet sie und lässt ihre Leiche liegen.
Das Publikum im voll besetzten Naturtheater war mucksmäuschenstill. Dann kommt eine von vielen Wendungen in dieser bemerkenswerten „Mord(s)komödie“. Denn nun wird es lustig: Auftritt des eitlen Sherlock Holmes, prima den ganzen Abend über dargestellt von Constantin Ciobanu, mit, ebenso witzig, Inspektor Abberline (Carsten Fleck) und Frau Dr. Watson (Vera Hommel), die sich in ihren zunächst scheinbar stereotypen Rollen dann doch schleichend weiterentwickeln: Holmes, zunächst als der geniale Meisterdetektiv angesehen, fast angehimmelt von dem Inspektor, im Hintergrund die Assistentin Watson, zeigen im Verlauf des wendungsreichen, manchmal fast absurd komischen Stückes, dass nichts ist, wie es zunächst scheint.
Der Täter verspottet Holmes per Social Media
Holmes stellt eine Reihe von Theorien auf, wer der grausame Mörder sein könnte, um dann jedes Mal vollkommen danebenzuliegen und von einem noch schlimmeren Mord des ihn per Social Media verspottenden Täters eingeholt zu werden.
Das Stück, witzig und gekonnt in die Moderne versetzt, unterhält bestens und schafft einen dauernden Wechsel von grausamem Ernst zu komödiantischen Einlagen und vielen kleinen Gesten. Das macht großen Spaß anzusehen, jede Szene hält neue Regie- und Schauspieldetails bereit und es gibt nur wenige Augenblicke, wo es etwas zu stark ins Alberne abgleitet. Ansonsten hält die „Mord(s)komödie“ jede Menge Überraschungen, Witz, große Schauspielkunst und auf der anderen Seite eine sich fantastisch, geradezu genial steigernde Beklemmung der dargestellten fünf Frauenmorde bereit. Jede Figur macht große Freude und ist ausgearbeitet: die herrliche Vermieterin Mrs. Hudson (Cornelia Härtner), die Pathologie und die Frauen im Park, die Social-Media-Journalistin, dann die Darstellungen von Stefan Kübler, Günther Herzog, Axel Ostermayer, Jürgen Stern, wunderbar nuanciert gespielt (die Rollen sollen hier nicht verraten werden) – das Stück lebt von großer Abwechslung und vielen Ideen.
Bis heute unaufgeklärte Frauenmorde
Was der Regie unter Carolin Bader und Christoph Valentin sowie der Regieassistenz von Alexandra Hirschberger und Cora Widmann hier gelungen ist, kann sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen. Obwohl es sich um einen realen Hintergrund mit – bis heute unaufgeklärten – fünf Frauenmorden im Jahr 1888 im Londoner East End handelt, gelingt es dem Stück und den Schauspielern, das Publikum mühelos mitzunehmen auf eine Achterbahnfahrt zwischen herzhaftem Lachen und atemloser Stille.
Beim letzten Mord, der in aller Ausführlichkeit dargestellt beziehungsweise hinter dem grandiosen Bühnenbild immer nur so halb zu erahnen ist, war die Beklemmung im Publikum so groß, der Realitätsbezug so deutlich – es könnte überall genauso passieren – , dass man fast keine Luft mehr bekam.
Grausig und furchtbar, fantastisch dargestellt. Und, auch dies sei verraten, es gelingt in der Inszenierung tatsächlich, das Stück mit einem Clou und einem Witz zu beenden, dass man nicht vollkommen zerstört nach Hause geht, sondern wieder mit einem Lachen. Sherlock Holmes allerdings hat grandios versagt. Ein hoch spannender und vergnüglicher Abend im Naturtheater.
Vorstellungen sind ausverkauft
Für die weiteren Vorstellungen des Stücks im Naturtheater gibt es nur noch wenige Restkarten. Die Abende sind alle ausverkauft.