Glasfaser-Ausbau #1

Das perfekte Netz? Was Kommunen für schnelles Internet aus der Hand geben

Will eine Kommune nicht abgehängt werden, braucht sie mittlerweile vor allem eines: schnelles Internet. Die Sache mit dem Glasfaserausbau aber ist kompliziert. Ist sie auch riskant? Lesen Sie hier hier den Auftakt zu unserer Serie zum Thema Glasfaserausbau.

Das perfekte Netz? Was Kommunen für schnelles Internet aus der Hand geben

Vor einigen Jahren noch war es vielleicht undenkbar, doch mittlerweile gehört das Internet voll und ganz zu unserem Leben dazu. Wir brauchen zuverlässige Verbindungen, um arbeiten zu können – und zwar beinahe überall. Schnelles Internet kann im selben Atemzug genannt werden wie gute Einkaufsmöglichkeiten, bezahlbare Wohnungen oder ausreichend Kita-Plätze. Kurzum: Wo es kein schnelles Internet gibt, da möchte in aller Regel auch keiner mehr hinziehen.

Spätestens die Pandemie hat uns gezeigt, dass Deutschland in Sachen stabiles und schnelles Internet nicht gerade gut organisiert ist. Vielmehr erinnert es an Stückwerk: Hier geht es, hier geht es nicht, hier wird gerade gebaut, manchmal gibt es Fördergelder, manchmal nicht. Statt flächendeckend alle Haushalte mit schnellem Internet zu versorgen, soll sich jede Gemeinde selbst mit dem Thema herumschlagen – ein komplexes Unterfangen. Vergangenes Jahr im Oktober waren die vom Bund zur Verfügung gestellten drei Milliarden ausgeschöpft, die Förderung wurde also erst mal gestoppt. Zwar ging es 2023 damit weiter, für wegweisende Entscheidungen von Kommunen spielte dieser Stopp aber mit eine Rolle.

Gerade weil das Internet für unsere Zukunft so wichtig ist, neben Privathaushalten beispielsweise für die Digitalisierung an Schulen oder die Konkurrenzfähigkeit von Firmen, werden wir uns in drei aufeinanderfolgenden Berichten damit beschäftigen, wie es momentan im Kreis Heidenheim in Sachen Glasfaser aussieht. Der Fokus liegt auf den beiden Städten Heidenheim und Giengen, wo in den kommenden Jahren unter anderen das Telekommunikationsunternehmen BBV den Breitbandausbau eigenwirtschaftlich übernehmen wird.

Städte haben kaum Einfluss auf den Ausbau der Infrastruktur

In beiden Kommunen ist die Vorvermarktungsphase mittlerweile abgeschlossen, unter dem Markennamen „Toni“ sollen die Kunden, die sich dafür entschieden haben, vorerst kostenlos ihren Glasfaseranschluss bekommen. Mit beiden Kommunen hat die BBV einen Kooperationsvertrag geschlossen, abgesehen davon aber sind die Städte kaum in den Ausbau involviert und müssen auch nichts an die BBV zahlen.

Im August feierten indes vier Gemeinden gemeinsam die künftige Zusammenarbeit mit der Netcom BW aus Ellwangen: Sontheim, Hermaringen, Niederstotzingen und Herbrechtingen haben mit dem Unternehmen Verträge ausgehandelt, auch die Netcom BW wird sich wie die BBV eigenwirtschaftlich um den Ausbau kümmern. Sontheims Bürgermeister Tobias Rief betonte in diesem Zusammenhang, dass man mit der Netcom BW „ein sicheres Gefühl“ habe. Eine Garantie für einen erfolgreichen Ausbau bedeutet das natürlich nicht, durch den eigenwirtschaftlichen Ausbau gibt die Kommune schließlich alle Verantwortung aus der Hand.

Sontheim: Entscheidung fürs geringste Risiko

Letztlich entschied sich die Gemeinde, so einer der Gründe, für das geringste Risiko: Die Anteilseignerstruktur des Unternehmens, so hieß es im Gemeinderat, lasse darauf schließen, dass das ausgebaute Breitbandnetz langfristig von der Netcom BW betrieben wird. Das Risiko, dass die Infrastruktur nach der Fertigstellung an Investoren aus dem Ausland verkauft wird, wurde hingegen als gering eingeschätzt. Nachgefragt bei der NetCom BW erklärt Pressesprecherin Silvia Schick die Gesellschafterstruktur des Unternehmens: 54,54 Prozent gehören der EnBW Telekommunikation GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der EnBW AG. Weitere 25,10 Prozent gehören der OEW-Energie-Beteiligungs GmbH, einem Zusammenschluss von neun oberschwäbischen Landkreisen und neben dem Land Baden-Württemberg einer der Hauptanteilseigner der EnBW AG. Die letzten 20,36 Prozent gehören der EnBW Ostwürttemberg Donau Ries, einem Tochterunternehmen der EnBW AG.

Heidenheim und Giengen: Quote der BBV noch nicht bekannt

Die Vorvermarktung beginnt im Oktober in Sontheim, anschließend in Niederstotzingen und schließlich in Herbrechtingen und Hermaringen. Mindestens 35 Prozent der Gebäude werden jeweils benötigt, um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Als die Vorvermarktungsphase der BBV in Heidenheim zu Ende ging, lag die Quote für Heidenheim und Giengen zusammen gerade mal bei 21 Prozent. Das Unternehmen hatte sich eigentlich mehr erhofft. Als die Vorvermarktungsphase auch in Giengen beendet war, ist die benötigte Quote Unternehmenssprecher Olaf Urban-Rühmeier zufolge erreicht worden. Welche Stadt letztlich abschließend welche Quote hatte, darüber gibt die BBV momentan noch keine Auskunft: „Wir werden die jeweilige Quote zunächst mit den Stadtverwaltungen besprechen“, heißt es auf Anfrage. Für den eigenwirtschaftlichen Ausbau werden hohe Summen fällig: Die BBV investiert allein in Giengen rund 25 Millionen Euro, in Heidenheim rund 50 Millionen Euro.

Mittels Glasfaser sollen etliche Haushalte im Kreis in den kommenden Jahren an schnelles Internet angeschlossen werden. stock.adobe.com/SciePro

Giengen übrigens arbeitet ebenfalls bereits mit der Netcom BW zusammen, dort übernimmt sie den Netzbetrieb für alle Glasfaserausbauten, die gefördert werden, oder für die Netzausbauten, die von der Stadt hergestellt werden. Unterschieden werden muss beim Breitbandausbau in den Kommunen nämlich immer zwischen geförderten und nicht geförderten Gebieten, den so genannten weißen und grauen Flecken, was die Sache nicht gerade einfacher macht.

Stückwerk überall: Wie sieht es in weiteren Gemeinden aus?

Ein Beispiel: Gerstetten hat einen Vertrag mit der Netcom für den geförderten Ausbau von 141 Anschlüssen, also die weißen Flecken, während SDTnet sowie die Netcom in den Teilorten Heldenfingen, Dettingen und Heuchlingen eigenwirtschaftlich ausbauen. Für den geförderten Ausbau zahlen sie rund 7,6 Millionen Euro, 90 Prozent werden aber von Bund und Land übernommen.

Oder Nattheim: Bis Juli dieses Jahres verfügte die Gemeinde über erst 91 Glasfaseranschlüsse. Im Rahmen der weißen Flecken sollen 220 weitere folgen und die Netcom BW will bis 2025 1900 weitere Anschlüsse fertiggestellt haben. Die Arbeiten im Rahmen der weißen Flecken kosten die Gemeine sechs Millionen Euro, fünf Millionen davon sind aber Fördergelder.

Oder Dischingen: Die Gemeinde befindet sich bei den weißen Flecken momentan in der Planung, die Netcom hat aber schon viele Anschlüsse eigenwirtschaftlich ausgebaut und wird das im Rahmen der grauen Flecken auch weiterhin tun. Hinzu kommen Anschlüsse der Gemeinde.

Beispiel Giengen: Leerrohre sind seit einigen Jahren da

Wie langwierig der Ausbau des schnellen Internets ist, zeigt allein die Tatsache, dass in Giengen schon vor mehr als zehn Jahren die Leerrohre für Glasfaser verlegt worden sind. Um das Marktgefüge nicht zu beeinträchtigen, durfte die Kommune den Ausbau aber nur in den weißen Flecken mit einer Versorgung von unter 30 Megabit/Sekunde vornehmen. Erst durch die Förderung begann vergangenes Jahr der Ausbau im Ried und in Hohenmemmingen.

Noch lässt sich nicht sagen, wie schnell und wie gut der Ausbau in den kommenden Jahren in den Kommunen verlaufen wird. Fakt ist: Wir brauchen ihn. Die Frage ist: Zu welchem Preis?

Glasfaserausbau der BBV: Wie sieht der Zeitplan aus?

Wann wird es in Heidenheim und Giengen so richtig losgehen mit den Bauarbeiten? Unternehmenssprecher Olaf Urban-Rühmeier zufolge sind die Planungsarbeiten schon angestoßen. Die BBV gehe davon aus, dass in Giengen noch bis Ende des Jahres die Bauarbeiten beginnen können. „Wir rechnen hier mit einer Bauzeit von rund zwei Jahren“, so Urban-Rühmeier.

Für Heidenheim hingegen könne noch keine eindeutige Aussage getroffen werden. Wegen der deutlich höheren Einwohnerzahl und der Größe der Stadt benötige die Detailplanung mehr Zeit. Generell, so heißt es weiter, spielten externe Faktoren, die die BBV teilweise nicht beeinflussen könne, eine Rolle. Als Beispiel nennt Urban-Rühmeier die Beschaffenheit des Untergrunds oder die Frage nach der vorhandenen Infrastruktur von Leerrohren. Er ergänzt: „Auch wird die tatsächliche Bauzeit unter anderem von der Witterung beeinflusst.“

Im April dieses Jahres hieß es seitens der BBV noch, dass die Detailplanung für Heidenheim Anfang März begonnen habe und dass im späteren Verlauf des Sommers mit dem Start der Bauarbeiten zu rechnen sei. Veranschlagt hatte die BBV zu diesem Zeitpunkt etwa eineinhalb Jahre Bauzeit.

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