Theaterring

Alles andere als platt und plakativ: „Jugend ohne Gott“ in der Heidenheimer Waldorfschule

Subtil und beeindruckend: Das fünfköpfige Ensemble des „Theater Poetenpack“ zeigte „Jugend ohne Gott“ nach Ödön von Horváth in der Waldorfschule.

Platt und plakativ zu erzählen, den Vorwurf muss sich das „Theater Poetenpack“ wahrlich nicht gefallen lassen. Ganz im Gegenteil: Dessen Inszenierung von „Jugend ohne Gott“ nach dem Roman von Ödön von Horváth, die am Mittwochabend in der Waldorfschule im Rahmen des Theaterrings http://www.heidenheim.de gezeigt wurde, lebt von subtiler Symbolik, die dem Zuschauer jede Menge Stoff zum Nachdenken aufgibt.

In seinem Roman stellt von Horváth anhand einer Schulklasse die Mechanismen dar, die Werte und Moral der Gesellschaft im Nationalsozialismus ins Wanken bringen und Freiheit und Demokratie in Richtung Verrohung und Diktatur abdriften lassen. Die Inszenierung geht darüber hinaus, indem sie die Allgemeingültigkeit dieser Mechanismen in den Vordergrund rückt.

Subtilität mit Tücken

Und dabei bleibt die Inszenierung immer hintergründig. Der Lehrer, dessen pädagogischer Anspruch mehr und mehr von herrschender und offiziell verkündeter Meinung durchsetzt wird, die Schüler, die jede Schwäche ausnutzen und Denunziation nicht scheuen, die Direktorin, die aus unterschiedlichen Motiven zur Vorsicht vor missverständlichen Äußerungen warnt, die Gesellschaft, die sich im vergnüglichen Treiben nicht von Problemen stören lässt, die Außenseiterin, die „verlorene Seele“, die erste Adresse, wenn es darum geht, einen Sündenbock zu finden – all das sind Charaktere, wie sie von Horváth beschrieben hat und die in dieser Inszenierung allesamt zu Identifikationsfiguren werden können für all die Eigenschaften, die Ideologien und totalitären Regimes Vorschub leisten und die in jedem Menschen zumindest schlummern können.

Das darzustellen, gelingt dem fünfköpfigen Ensemble bestens, wobei manche Spieler gleich in mehrere Rollen schlüpfen und dabei unterschiedliche Typen gut auf den Punkt bringen. Welchen Bezug zu Gesellschaft, Bekannten oder auch der eigenen Person hergestellt werden kann, das bleibt dem Zuschauer überlassen. Die Inszenierung bietet dazu jede Menge Gelegenheit. Freilich hat die Subtilität auch ihre Tücken: Die Szenen können auf den ersten Blick Ratlosigkeit hervorrufen, ihre ganze Wirkung entfalten sie erst in der Auseinandersetzung mit dem Gesehenen, mit der Einordnung letztlich für sich selbst. Und das gilt nicht nur für den Lehrer in seinem Ringen um Anstand und Wahrhaftigkeit, darum, sich auch im Unreinen das Reine zu bewahren, sondern auch für Worte und Taten seines Umfelds.

Holzkästen als Bühnenbild

Zeit und Ort spielen dabei in der Inszenierung keine Rolle, und beide Punkte werden auch an keiner Stelle festgemacht. Weder Bühnenbild noch Kostüme können eingeordnet werden, was die Allgemeingültigkeit unterstreicht und den Zuschauer zusätzlich fordert. Das Bühnenbild aus schlichten, flexiblen Holzkästen wird effektiv eingesetzt, um Enge und Bedrängnis, aber auch Hierarchien und Standpunkte einzuordnen. Die immer wieder wechselnde Anordnung nimmt zwar für einen Umbau sehr viel Zeit in Anspruch, das dabei fortdauernde Spiel der Akteure versteht es aber, diese vermeintlichen Pausen als Bindeglied zwischen den Szenen zu nutzen. Schlicht und effektiv auch die Kostüme, die die Charaktere unterstreichen, dabei aber ebenfalls zeitlos bleiben, wobei der Gedanke an die heutige Gesellschaft nicht nur durch die Sonnenbrillen durchaus naheliegt.

Und es ging auch ganz einfach darum, einen Mord aufzuklären, ein Krimi also, bei dessen Aufklärung das Publikum durchaus mitzuraten eingeladen ist. Dass die Gerichtsverhandlung hierüber in der Inszenierung – wie auch im Roman – letztlich gut ausgeht und worauf dies zurückzuführen ist, nämlich der Mut zur Wahrheit statt bequemen Ausflüchten, auch das kann zum Nachdenken anregen. Sollte es auch.

Komödie rund ums Erben

Um Erben als Lotteriespiel geht es bei der nächsten Veranstaltung des Theaterrings: Am Donnerstag, 13. März wird die Komödie „Jeeps“ von Nora Abdel-Maksoud im Konzerthaus gezeigt. Dann wird die Württembergische Landesbühne Esslingen zu Gast sein.

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