"Ländle leben lassen"

Das sagen Akteure aus dem Landkreis Heidenheim zum Volksantrag gegen Flächenfraß

Für den Volksantrag „Ländle leben lassen“ gegen den Flächenfraß in Baden-Württemberg ziehen der Bauernverband und Naturschützer an einem Strang.

Das sagen Akteure aus dem Landkreis Heidenheim zum Volksantrag gegen Flächenfraß

Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen“, sagt Hubert Kucher. Kreisvorsitzender des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim. Und meint damit das breite Bündnis aus 17 Organisationen, darunter Umwelt- und Naturschutzverbände, aber auch die Bauernverbände, die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam Unterschriften für „Ländle leben lassen“, den Volksantrag gegen Flächenfraß, zu sammeln. „Wir haben dasselbe Ziel“, so Kucher weiter. Sowohl im Hinblick auf den Klimawandel als auch im Hinblick auf die Biodiversität müsse der Flächenfraß gestoppt werden. Und Andreas Mooslehner, BUND-Regionalgeschäftsführer, ergänzt: „Naturschützer und Landwirte sind sich in vielen Bereichen nicht einig, aber bei diesem Thema sitzen wir alle einfach in einem Boot und wir treten als eine Front gegen die Politik an.“

Täglicher Flächenverbrauch in Baden-Württemberg: 6,2 Hektar pro Tag

Hintergrund des Volksantrags ist folgender: Der tägliche Flächenverbrauch lag nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Baden-Württemberg im Jahr 2021 bei 6,2 Hektar pro Tag – das war mehr als die durchschnittlich 5,4 Hektar im Jahr zuvor. In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die grün-schwarze Landesregierung zwar, den Flächenverbrauch auf zunächst 2,5 Hektar pro Tag zu begrenzen und bis 2035 auf Netto-Null zu reduzieren. „Aber es gibt keine politischen Initiativen, um dahin zu kommen“, sagt Mooslehner.

Auch für Kucher sind das nur Lippenbekenntnisse. „Das sind noch zwölf Jahre, als politisches Ziel kann ich das nicht ernst nehmen. Man muss sofort etwas tun. Der Flächenverbrauch ist ja nicht rückläufig, sondern er steigt.“ Mit jeder neu versiegelten Fläche gingen Böden für die Lebensmittelproduktion, Landschaften, seltene Lebensräume und Biotope unwiderruflich verloren.

40.000 Unterzeichner werden für den Volksantrag benötigt

Neben gesetzlich verankerten Obergrenzen fordern die Verbände einen besseren Schutz für fruchtbare Böden. Außerdem müssten Gewerbebrachen, Leerstände und Baulücken genutzt werden, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. „Und es muss in die Höhe und Tiefe gebaut werden. Es kann es doch nicht sein, dass man einen Lebensmittelmarkt baut und daneben einen Parkplatz, der drei Mal so groß ist wie die Verkaufsfläche. Der Parkplatz muss unter den Laden, auf den Laden müssen Büros und Wohnungen und auf das Dach gehört eine PV-Anlage.“ Mooslehner sieht ebenfalls die Industrie in der Pflicht. „Derzeit ist es ja so, dass in Punkto Gewerbegebiete, einfach das umgesetzt wird, was die Industrie an Bedarf anmeldet.“ Ziel des Antrags sei es, die gesellschaftliche Diskussion über das Thema zu eröffnen und gemeinsam einen Weg zu entwickeln. Insgesamt werden 40.000 Unterzeichner benötigt, damit der Landtag über den Volksantrag berät und die Initiatoren anhört.

Es gehe um die künftigen Generationen, darin sind sich Kucher und Mooslehner einig. „Wir können nicht einfach alles zubetonieren und immer neue Baugebiete auf der grünen Wiese ausweisen. Jeder will sein Einfamilienhaus vorne mit Steingarten und hinten mit Mähroboter. Das geht nicht mehr. Wir müssen umdenken“, so Kucher. Tatsächlich sei ja Wohnraum vorhanden. „Wie viele Wohnungen in Städten und Gemeinden stehen leer?“

„Ostwürttemberg ist keine Wachstumsregion“

Das sieht Andreas Mooslehner genauso. Den Bau von Einfamilienhäusern zu verbieten, sei nicht das Anliegen des BUND, erklärt er. „Aber ohne Einschränkungen wird es nicht gehen.“ Der ungeheure Flächenverbrauch sei abgekoppelt vom Bevölkerungswachstum. Die Region Ostwürttemberg sei in den vergangenen 20 Jahren kaum gewachsen, dazu komme die alternde Bevölkerung. „Es braucht keine neuen Wohngebiete auf der grünen Wiese, sondern preiswerte und seniorengerechte Angebote in jeder Gemeinde und in jedem Stadtviertel, damit es den Menschen im Alter möglich ist, sich zu verkleinern und dennoch in der gewohnten Umgebung und ihrem gewohnten Viertel zu bleiben.“ Wenn Senioren eine komfortable Alternative zu ihrem Eigenheim geboten würde, wäre im Umkehrschluss genügend Wohnraum für junge Familien vorhanden.

Den Flächenfraß zu stoppen, sei eine riesige gesellschaftliche Herausforderung, so Mooslehner. „Und die müssen wir annehmen.“ Der ehemalige Ministerpräsident Günther Oettinger habe schon im Jahr 2006 gesagt, dass man beim Flächenverbrauch auf null kommen müsse. „Das waren alles nur Sonntagsreden.“ Als Teil der Lösung könne sich der BUND Flächenzertifikate vorstellen, ähnlich wie beim Emissionshandel. „Flächenschutz ist jedenfalls das Zukunftsthema.“ Mehr Infos zum Volksantrag gibt es auf laendle-leben-lassen.de

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