Höchstfahrt im Lokschuppen

Kabarettist Nektarios Vlachopoulos unter Volldampf auf der Heidenheimer "Kulturschiene"

"Das Problem sind die Leute", behauptete der Kabarettist Nektarios Vlachopoulos im Lokschuppen in Heidenheim. Zu erleben, wie recht er hat, war ein Hochgenuss.

Kabarettist Nektarios Vlachopoulos unter Volldampf auf der Heidenheimer "Kulturschiene"

Nektarios Vlachopoulos. Was für ein Name! Der geht runter wie Honig, Und das tut auch seine Show. Wer hätte das gedacht? „Das Problem sind die Leute." Genau.

„Das Problem sind die Leute“ heißt das Programm, mit dem Nektarios Vlachopoulos am Donnerstagabend auf der „Kulturschiene“ im Heidenheimer Lokschuppen vorstellig wurde. Und Nektarios Vlachopoulos, um das mal gleich klarzustellen, heißt übrigens wirklich so.

Nektarios Vlachopoulos? Nie gehört. Ehrlich. Gesehen schon. Auf den sein Kommen kündenden Plakaten. Selbstverständlich macht man sich da so sein Bild. Und man erwartet sich wen oder was? Eine Art Freddie Mercury aus den frühen Achtzigern vielleicht. So mit oberarmfreiem Feinrippunterhemd. Nicht singend, schon klar, obwohl er das dann auch tut. Eher Witze reißend. Einen auf Gaga machend. Blabla verbreitend.

Kein Pfau und kein Radio

Tja, und dann merkt man doch sehr schnell: Der Mann ist kein Radio. Und ein Comedian ist er auch nicht. Gott sei Dank. Den immerhin mehrere Stufen darüber kletternden Schwadroneur, der radschlagend viel, aber unnütz umhertrompetet, hat er auch nicht nötig. Ein Pfau also ist er auch nicht. Nektarios Vlachopoulos fliegt höher und ist ein, zumindest für heutige Verhältnisse, ziemlich rarer Vogel.

Ein Räsoneur im allerbesten Sinne des Wortes ist er. Einer der sich wortreich, sprachlich sehr hochstehend und dabei tiefschürfend zu den Dingen äußert, bei dieser Gelegenheit allerdings den Zuhörern nicht seine Wahrheit in die staunend aufgesperrten Münder stopft, sondern die Gedankengebilde derart elegant im Raum schweben lässt, dass ein Stein, ein dummer noch dazu, sein müsste, wer das alles nicht als Einladung dazu auffasst, selber mal über so manches nachzudenken und zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen.

Der Titan im Waisenhaus

Die Geschichten, scheinbar zusammenhanglos und doch so hintergründig miteinander verknüpft, mit denen Nektarios Vlachopoulos sich immer beinahe etwas schüchtern anschleicht, sind allesamt dem schnöden Alltag abgeschaut. Allerdings trifft diese Feststellung, so wahr sie ist, nicht den Kern dessen, was hinter den Alltagsgeschichten des Nektarios Vlachopoulos steckt, der übrigens für alle Fälle eine selbstverfasste Rezension des Abends dabeihat, die er gleich mal vorliest. Und wenn der Grieche aus dem Kraichgau so erzählt, dann kann einem durchaus auch klarwerden, welches die Stoffe sind, aus denen wir unsere Alltage weben oder aus denen sie für uns gewoben werden.

WhatsApp, Internet, Dates, Freunde, Beruf, Familie. Solche Sache. Oder Literatur. Zum Beispiel Oliver Kahn im Waisenhaus, ein echter Knaller des Programms. Oliver Kahn, der Torwart, in einem Waisenhaus à la Charles Dickens, das uns Nektarios Vlachopoulos so plastisch schildert, dass es mit all seinen Schrecken, Plagen, Ungerechtigkeiten so stabil wie aus Stein gebaut vor unseren Augen steht und in dem nun, arm, geflickt, aber reinlich, die Waisenkinder eines nach dem anderen eben gegen Oliver Kahn zu einem karitativen Elfmeterschießen antreten, das ihnen für jeden Treffer einen mildtätig verwendbaren Geldbetrag für weitere Zukunft in Hoffnung in Aussicht stellt, aber am Ende doch so ausgeht, dass Oliver Kahn, der Titan, nicht aus seiner Haut kann und jeden Schuss pariert, ja manchen Ball sogar noch im Fluge mit den Zähnen zerfetzt. Es gibt Alltagsgeschichten, die sind so gut, dass man – Nektarios Vlachopoulos inklusive  – gar nicht wissen möchte, ob sie überhaupt wahr sind.

Keine Parallelwelten

Keine Politik übrigens. Nektarios Vlachopoulos fischt nicht im wohlfeil Trüben von Parallelwelten. Er beobachtet keine Ablenkungsmanöver und bleibt deshalb auch mit seinen Gedanken nicht an den üblichen Leimruten kleben. Nektarios Vlachopoulos beobachtet dort, wo es wirklich etwas zu sehen gibt.

Und er beobachtet genau. Und damit nun nicht nur er sehen kann, was er bei dem auf die Beobachtungen folgenden Nachdenken um zig Ecken herum geistreich zu Tage fördert, zupft er sehr charmant, sympathisch und unterhaltsam solange an seinen Fundstücken herum, bis die nach und nach eine etwas größere Form annehmen. Es ist die alte Geschichte. Unterm Mikroskop sieht man entscheidende Kleinigkeiten einfach besser. Mikroskopoulos! Intelligenter ist uns auf der Kleinkunstbühne schon lange keiner mehr gekommen. Besser geht’s nicht. Höchstens anders.

Beim nächsten Mal gibt's Jazz

Die nächste Ausfahrt auf der „Kulturschiene“ im Heidenheimer Lokschuppen unternimmt am Donnerstag, 30. November, ab 20 Uhr der Jazz-Trompeter Axel Schlosser mit seiner Band. Eintrittskarten sind im Vorverkauf im Ticketshop des Pressehauses erhältlich.

undefinedundefined
Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar