Vor dem Landgericht Ellwangen hat am Donnerstag der Prozess gegen drei junge Männer aus Syrien begonnen. Sie sollen für eine Messerstecherei in einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenheim verantwortlich sein. Bei der Auseinandersetzung wurden zwei Männer erheblich verletzt. Eines der beiden Opfer schwebte nach einem Messerstich in die Brust gar in Lebensgefahr, der Mann überlebte knapp.
Der Vorfall hatte sich im November des vergangenen Jahres ereignet. Die Ellwanger Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die drei Männer im Alter zwischen von 21 und 27 Jahren ihr Opfer gezielt in der Flüchtlingsunterkunft aufgesucht und dann attackiert haben. Dabei soll zunächst Pfefferspray zum Einsatz gekommen sein, danach ein Messer.
Von Anfang an gab es Ungereimtheiten
Zum Prozessauftakt am Donnerstag versuchte das Gericht den genauen Tatablauf und das Motiv zu ergründen. Was sich schwierig gestaltete. Schon als es um die Angaben zur Person ging, taten sich erste Ungereimtheiten auf – trotz der neuen Simultanübersetzungstechnik, die erstmals im Ellwanger Landgericht zum Einsatz kam.
So saßen auf der Anklagebank zwei Brüder; ihre Nachnamen waren aber nicht identisch. Dem Landratsamt sei bei seiner Registrierung ein Fehler unterlaufen, ließ der ältere der beiden Brüder, ein 27-jähriger Dachdecker aus Damaskus, das Gericht wissen. Der Mann steht im Verdacht, bei dem Angriff der Rädelsführer und Haupttäter gewesen zu sein.
Er verlas eingangs der Verhandlung – mit tränenerstickter Stimme – eine Stellungnahme, in der er sich zur Tat äußerte. Darin beteuerte der 27-Jährige, dass er nicht mit Vorsatz gehandelt habe. Vielmehr sei eines der beiden Messeropfer sein Dealer gewesen. Der Mann hätte ihm „schlechtes Koks“ verkauft. Deshalb sei es am Telefon zunächst zu einem verbalen Streit gekommen, in dessen Verlauf der Dealer Drohungen gegen die Verlobte und die kleine Tochter des 27-Jährigen ausgesprochen haben soll. „Meine Tochter war da doch gerade erst ein Jahr alt“, schluchzte der Angeklagte in gebrochenem Deutsch. Er sei wegen dieser Aussage „total panisch“ gewesen und habe deshalb seinen Dealer zur Rede stellen wollen. Allerdings nicht alleine. Sondern gemeinsam mit seinem 21-jährigen Bruder. Begleitet von drei weiteren Bekannten sei man schließlich zu der Flüchtlingsunterkunft nach Heidenheim gefahren, wo die Situation komplett eskalierte.
Mit Pfefferspray, Tritten und Schlägen
Wie der 27-Jährige versicherte, sei der Angriff dabei aber nicht von ihm ausgegangen. Vielmehr hätte man ihn und seinen Bruder, der an dem Tatabend stets an seiner Seite geblieben war, in der Unterkunft sofort mit Pfefferspray, Tritten und Schlägen empfangen. Er habe in der Not nach einem Küchenmesser gegriffen, das auf dem Boden lag, und damit „wild“ um sich gestochen. „Ich hatte sonst keine andere Möglichkeit, aus dieser Situation zu entkommen“, gab der 27-Jährige zu Protokoll. Nachdem er einen der Angreifer getroffen hatte, sei die Schlägerei beendet gewesen. Er und sein Bruder haben fliehen können. Ruhe sei danach aber nicht eingekehrt. Wenig später tauchten Verwandte und Freunde des Dealers, rund 15 Personen, vor dem Wohnhaus des 27-Jährigen und dessen Familie auf. Die herbeigerufene Polizei konnte eine weitere Eskalation der Gewalt offenbar gerade noch verhindern.
Wie der Syrer betonte, bereue er seine Tat zutiefst. Er wisse, dass er einen Fehler begangen hat; und er habe noch heute „große Angst“ um seine Familie, die mittlerweile an einen „sicheren Ort“ umgezogen ist. Wo genau, wollte der 27-Jährige, der sich aktuell in U-Haft befindet, dem Gericht nicht sagen. Er selbst habe vor, das Gefängnis so schnell wie möglich zu verlassen. „Damit ich wieder für meine Kinder und meine Frau da sein kann.“ Die beiden Mitangeklagten, der 21-jährige Bruder und ein 24-jähriger Monteur, ebenfalls ein syrischer Staatsangehöriger, bestätigten diese Aussage, machten dabei aber widersprüchliche Angaben.
Der Prozess wird voraussichtlich am 8. Mai fortgesetzt. Es sind insgesamt sieben Verhandlungstage angesetzt. 19 Zeugen sind geladen.
undefinedundefined