Sechzehn Kilometer Luftlinie: Heidenheim ist für sie eigentlich immer in Reichweite. Denn Olga Busuioc wohnt in Unterkochen. Da kann man auch einfach mal so vorbeikommen. Um das Schloss zu besichtigen. Zum Beispiel. Und tatsächlich hat das Olga Busuioc auch getan. Vor fünf Jahren, als sie nach Unterkochen zog, unternahm ihr Mann mit ihr einen Ausflug nach Heidenheim, zeigte ihr auch den Rittersaal und erzählte von den Opernfestspielen. Selbstverständlich. Denn Olga Busuioc ist Opernsängerin. Fünf Jahre später ist Olga Busuioc wieder in Heidenheim. Diesmal freilich nicht als Tagestouristin, sondern als Titelheldin der Opernfestspiele. Olga Busuioc ist Heidenheims Butterfly.
Die in Moldau geborene und aufgewachsene Sopranistin ist abonniert auf die großen Partien: Tosca, Mimi, Elisabeth (Don Carlo), Desdemona, Tatjana, Manon (Massenet und Puccini) und nicht zuletzt Cio-Cio-San, also Madama Butterfly. Die hat Olga Busuioc heuer auch vor Heidenheim schon ein paar Mal gesungen. In einer Produktion des Prager Nationaltheaters. In großen Partien auf großen Bühnen anzutreffen ist die Sängerin aber beispielsweise auch in Paris, Madrid, Neapel, Amsterdam, Valencia oder Los Angeles.
Italien, Spanien, Stuttgart
Nach Heidenheim gekommen ist Olga Busuioc in gewisser Weise aber über Stuttgart. Das war ihre erste Station in Deutschland. Ihr erstes Festengagement überhaupt. Und das wiederum war eigentlich nicht zu erwarten gewesen. „Dass ich nach Deutschland kommen würde, hatte sich zuvor in keiner Weise abgezeichnet“, erzählt Olga Busuioc. „In Moldau spricht man rumänisch, dementsprechend hat es mich von zu Hause aus zunächst einmal dorthin gezogen, wo ich mich aller Voraussicht nach aufgrund der Sprache rasch zurechtfinden würde.“
Das erste Ziel war Italien, Modena, wo sie mit einem Stipendium, das ihr der Sieg bei einem Gesangswettbewerb eingebracht hatte, bei der großen Mirella Freni studierte. Daheim, in Moldau, hatte sie zuvor die Musikakademie in Chișinău absolviert. Von Italien ging es nach Spanien. Und dort ereilte Olga Busuioc der Lockruf der Staatsoper Stuttgart. „Ich konnte kein Deutsch, von daher hatte ich Bedenken. Auf der anderen Seite aber war mir bekannt, dass Stuttgart ein hoch angesehenes, bestens organisiertes Haus ist.“ Sie ging das Abenteuer ein und sagte in Stuttgart zu. Dass sie in Deutschland bleiben würde, hätte sie allerdings nie gedacht. „Ich komme bald wieder“, so hatte sich Olga Busuioc damals in Spanien verabschiedet.
Corona und die Ruhe
Stuttgart also. Herbst 2019. Und dann kam Corona. Keine schöne Zeit für Künstler. „Ich fand und finde noch, dass man uns nicht fair behandelt hat“, sagt die Sängerin. Etwas Gutes aber hatte das Ganze dann doch. „Ich kam zum ersten Mal zur Ruhe.“ Sie lernte ihren Mann kennen, der bei einem ziemlich genau zwischen Aalen und Heidenheim angesiedelten Weltkonzern arbeitet. Sie zog nach Unterkochen. Und sie wurde Mutter einer Tochter, die inzwischen drei ist und manchmal auch mit zu den Proben nach Heidenheim kam.
Dass sie einmal beinahe in Sichtweite ihres Zuhauses dem Beruf nachgehen kann, empfindet Olga Busuioc als höchst angenehm. Wie sich Oper in Heidenheim anfühlt, hatte sie bereits im vergangenen Jahr getestet. Im Publikum, als Besucherin einer Vorstellung von „Don Carlo“. Damals war schon sicher gewesen, dass sie 2024 selber im Rittersaal auf der Bühne stehen würde, denn Marcus Bosch plant gern weit voraus und hatte sie längst als Butterfly verpflichtet. „Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet, umso mehr habe ich mich darüber gefreut.“
Oper und Eltern
Dafür übrigens, dass ihr, im Nachhinein betrachtet, ja doch bereits an der Wiege gesungen ward, dass sie einmal auf der Opernbühne stehen würde, ist Olga Busuioc eine Spätberufene. „Ich bin ja, wenn man so will, eigentlich in der Oper aufgewachsen.“ Die Mutter: eine Mezzosopranistin. Der Vater: ein Tenor. Beide Opernsänger. „Keiner von beiden aber hat versucht, mich in Richtung Oper zu lenken.“ Eher sogar im Gegenteil. Weshalb die Tochter den Eltern auch erst einmal nichts davon erzählte, dass sie beschlossen hatte, auf ihren Spuren zu wandeln.
Da war Olga Busuioc allerdings schon 16. „Ich habe im Schulchor gesungen, und eines Tages war da plötzlich eine Mädchenstimme, die ich so faszinierend fand, dass ich mir sagte: So will ich auch singen können.“ So ging’s los. „Ich habe mich, ohne dass meine Eltern es wussten, an der Musikschule angemeldet.“ Erst mit 20, da war sie schon an der Musikakademie, hat sie dann zu Hause gebeichtet, dass sie Opernsängerin werden wolle. „Da war es für Mutter und Vater zu spät, es mir zu verbieten“, erzählt Olga Busuioc lachend. Die Eltern fügten sich in ihr Schicksal – und nahmen die Ausbildung ihrer Tochter mit in die Hand.
Und die ging dabei durchaus durch eine harte Schule. „‚Wir kommen aus Moldau“‘, pflegte meine Mutter immer zu sagen, „‚da reicht Talent nicht aus, da hilft nur harte Arbeit'“. Olga Busuioc hat es geschafft. Und ist diesen Sommer in Heidenheim, wo man es ganz gerne hört, wenn die Festspiele, was die Atmosphäre angeht, als „schwäbisches Glyndebourne“ bezeichnet werden. Im echten Glyndebourne hat Olga Busuioc selbstverständlich auch schon gesungen. Wen oder was? Madama Butterfly.
Noch vier „Butterfly“-Vorstellungen
Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ steht bei den Heidenheimer Opernfestspielen noch am 13., 19., 26. und 27. Juli jeweils ab 20 Uhr auf dem Spielplan. Eintrittskarten gibt es im Vorverkauf im Ticketshop des Pressehauses. Sollte eine Vorstellung aufgrund unsicherer Witterung vom Rittersaal ins Festspielhaus verlegt werden (Wettertelefon ab 18 Uhr: 07321.327-4220), sind dort zusätzlich noch 80 Schlechtwetterkarten an der Abendkasse erhältlich.