Regie, Hauptrolle, Dauerregen

Diese kuriosen Parallelen gibt es zwischen den „Annie“-Inszenierungen 1999 und 2024 im Naturtheater Heidenheim

Die Spielzeit für „Annie“ im Naturtheater Heidenheim ist fast vorüber. 1999 wurde das Musical dort schon einmal aufgeführt – mit einigen kuriosen Parallelen zur heutigen Inszenierung.

Wer sich dieser Tage gar dringend nach einem kühlenden Regenschauer sehnt, dem sei folgender Tipp gegeben: Warum nicht kurzerhand eine Premiere des Musicals „Annie“ auf die Beine stellen? Wie die Erfahrung zeigt, scheint das nämlich ein Garant für prasselnden Dauerregen zu sein.

Als das Naturtheater Heidenheim 1999 erstmals „Annie“ aufführte, hatte das Stück kaum begonnen, da musste es direkt unterbrochen werden. Die Waisenkinder, die am Anfang des Stücks in ihren Betten liegen, waren bei Aufführungsbeginn so durchnässt, dass ein unplanmäßiger Abstecher ins Maskenressort unausweichlich war. Und auch 2024 hatte das Naturtheater am Premierenabend von „Annie“ ähnlich viel Unglück: Regen, Regen und noch mehr Regen prasselte auf das Ensemble ein. Es ist nicht die einzige Parallele, welche die beiden Inszenierungen, zwischen denen 25 Jahre liegen, verbindet.

Oliver von Fürich führte 1999 bei „Annie“ Regie und war die Zweitbesetzung der Rolle des Oliver Warbucks. 2024 schlüpft er erneut in diese Rolle. Foto: Markus Brandhuber

Da ist natürlich Oliver von Fürich. 1999 führte er bei dem Stück Regie und schlüpfte – notgedrungen – in die Rolle des Oliver Warbucks. Genau den verkörpert er auch in der diesjährigen Spielzeit. „Wolfgang Weiss hat die Rolle damals dankenswerterweise übernommen, allerdings konnte ich keine Zweitbesetzung finden“, erzählt von Fürich. Letztlich spielte er selbst an acht von 30 Aufführungsabenden den Warbucks, „obwohl ich damals mit 28 Jahren definitiv zu jung für die Rolle war.“

Einer, der ebenfalls in sehr jungen Jahren zu „Annie“ gefunden hat, ist Max Barth. Im Alter von sieben mimte er in dem Musical einen Straßenjungen – 25 Jahre später führt er bei seiner ganz eigenen Inszenierung von „Annie“ Regie. „Der Straßenjunge war eine recht überschaubare Rolle“, erinnert sich Barth. „Überhaupt wurde damals viel über die Bühne flaniert, bei meiner eigenen Inszenierung gibt es sozusagen mehr zu tun.“

Größerer Fokus auf Choreografie bei „Annie“ 2024

Eine Ansicht, der Oliver von Fürich nur beipflichten kann. Zwar konnte das Musical 1999 mit einem rund 45-köpfigen Live-Orchester aufwarten. Tänzerisch sei „Annie“ 2024 jedoch viel anspruchsvoller, die Choreografie noch präsenter. „Man muss aber dazu sagen, dass Lichteffekte heute an die 40 Prozent der Choreografie ausmachen. Wir haben das auf die Hundertstelsekunde getaktet. Sowas unterstützt das Tänzerische total“, ergänzt Max Barth.

Am Stück „N.Y.C.“ merkt man laut Oliver von Fürich am deutlichsten, wie unterschiedlich die beiden an ihre Inszenierungen herangegangen sind. Während das Loblied auf New York City 1999 mehr flanierend und von Oldtimer-Autos begleitet zelebriert wurde, mutet die 2024er-Version bunter, größer und gewollt überladener an. Geschuldet ist das nicht zuletzt der Tatsache, dass es heute viel mehr Naturtheater-Mitglieder gibt, die an den Sommerproduktionen beteiligt sein wollen. Zudem hat sich mit der Musical-Company innerhalb des Vereins eine Sparte gebildet, die bewusst mehr Musicals auf die Bühne bringen möchte. So viel Musical-Zuspruch hat es auf dem Schlossberg wahrlich nicht immer gegeben.

Max Barth (vorne) spielt als Siebenjähriger bei „Annie“ mit, 25 Jahre später inszeniert er das Stück selbst. Foto: Markus Brandhuber

Zwar standen 1988 mit „Anatevka“ und 1989 mit der „Dreigroschenoper“ zwei Musicals auf dem Naturtheater-Programm, die sich über hohe Publikumszahlen freuen konnten. „Den Aufwand für ein Musical, der natürlich größer als beim klassischen Sprechtheater ist, wollte damals aber trotzdem niemand betreiben“, berichtet Oliver von Fürich. Durch Zureden und der Ausrichtung einer Musical-Gala – gewissermaßen als Probelauf –, konnten die Weichen letztlich doch in Richtung „Annie“ gestellt werden.

„‚Annie‘ war für mich immer das Musical schlechthin fürs Naturtheater“, so von Fürich. Der praktisch immerwährende Mädchenüberhang innerhalb des Theaters kam der Inszenierung gelegen, schließlich handelt es sich bei dem Waisenhaus in „Annie“ um eine reine Mädchenunterkunft.

Unmut über neue Textfassung von „Annie“

Gelegen kommt Max Barth vermutlich auch, dass er mit Oliver von Fürich einen Warbucks hat, der diese Rolle bereits kennt – „obwohl ich mich 1999 nicht selbst besetzt hätte, hätte ich eine andere Wahl gehabt“, wie von Fürich selbst zugibt. Seinerzeit habe er eher versucht, Wolfgang Weiss‘ Interpretation nachzuahmen. Heute sieht von Fürich sich sowohl in Sachen Alter und Stimmlage als auch aufgrund der Tatsache, dass er inzwischen selbst Familienvater ist, deutlich besser für die Rolle des Warbucks geeignet.

Unterschiedliche Vorstellungen zwischen dem heutigen und dem damaligen Regisseur scheint es nicht zu geben. „Unbewusst frage ich manchmal vielleicht nach Rat. Ich profitiere sicherlich davon, dass ich Oliver von Fürich diese Rolle nicht erst erklären musste“, ist sich Max Barth sicher.

Oldtimer standen bei der „Annie“-Inszenierung 1999 im Fokus. Foto: Naturtheater Heidenheim

Und noch etwas eint die beiden: Ein leiser Unmut über die aktuelle, vom Verlag vorgegebene Textfassung des Musicals. „Die neue Übersetzung ist teilweise etwas fragwürdig“, findet Oliver von Fürich. Der Song „Easy Street“ muss inzwischen mit „Leichter Weg“ übersetzt werden – tatsächlich gibt es in New York eine Straße mit dem Namen „Easy Street“. Einen „Leichten Weg“ jedoch nicht. „Arg übertrieben übersetzt“, urteilen da die beiden.

Auch das Ende hätten sie gerne anders inszeniert. 1999 kulminierte „Annie“ in einer wilden Verfolgungsjagd, 2024 wird stattdessen schlichtweg Weihnachten gefeiert. „Für die dramaturgische Spannung wäre das Ende der alten Fassung sicher besser gewesen“, findet Barth. Vielleicht dann ja bei der nächsten Inszenierung. In 25 Jahren. Bei prasselndem Regen.

Nur noch zweimal „Annie“ im Naturtheater Heidenheim

Die beiden finalen Aufführungen von „Annie“ im Naturtheater finden am kommenden Freitag, 16. August, und Samstag, 17. August, statt. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr. Karten gibt es unter anderem im Pressehaus in Heidenheim sowie unter laendleevents.de.

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