Mörderisches Geplauder

So war’s mit Dietmar Bär, Denis Scheck und Tom Kraushaar in der Heidenheimer Stadtbibliothek

Das „Golden Age of Crime“ und Dietmar Bär als Publikumsliebling sorgten für volle Ränge in der Stadtbibliothek. Ein Literaturkritiker, ein Verleger und ein Schauspieler unterhielten sich über den britischen Wohlfühlkrimi.

Es gibt sie ganz offensichtlich doch noch: Menschen, die lesen, die gern Geschichten hören und die sich für Literatur interessieren. Im voll besetzten Saal der Stadtbibliothek herrschte eine gespannte Vorfreude, nicht zuletzt wegen drei Herren, die den literarischen Abend gestalteten. Schon beim Betreten der Bühne gab’s großen Applaus, vor allem für den bekannten Schauspieler Dietmar Bär, aber auch für Literaturkritiker Denis Scheck und den geschäftsführenden Verleger der Verlagsgruppe Klett-Cotta, Tom Kraushaar. Thema des Abends war „The Golden Age of Crime“ – das goldene Zeitalter des Verbrechens beziehungsweise die Ära der britischen „Wohlfühlkrimis“ aus den 1920er-, 30er- bis zu den 50er- und 60er-Jahren. An diesem Abend ging es vor allem um die Reihe „Cosy Crimes“ aus der Verlagsgruppe Klett-Cotta.

Die bekannten Kriminamen nur am Rande gestreift

Die großen britischen Autorinnen und Autoren – so zumindest zählt sie die britische Tageszeitung „The Guardian“ auf – allen voran Agatha Christie, Margery Allingham, Caroline Graham, PD James, wurden nur am Rande gestreift oder gar nicht erwähnt. Trotzdem war es ein gemütlicher, ein „cosy“ Abend und Scheck führte das Gespräch kenntnisreich. Scheck und der vor allem durch den Kölner „Tatort“ bekannte Dietmar Bär, der seit 28 Jahren an der Seite von Klaus J. Behrendt ermittelt, wohnen beide in Köln und kennen sich gut. Scheck stellte launige Fragen: „Herr Bär, träumen Sie vom Oscar?“ – die Antwort war ein klares Nein – oder an Tom Kraushaar, den Verleger aus Stuttgart: „Kann man mit Krimis Geld verdienen?“, was bejaht wurde. Kraushaar erklärte, warum der britische Kriminalroman nichts von seiner Faszination verloren habe. Die Menschen wollen sich wohlfühlen, sie wollen mit amüsanten Romanen unterhalten werden und wissen: Am Ende wird die Ordnung wiederhergestellt. Ordnung war ein wichtiges Stichwort.

Herr Bär, träumen Sie vom Oscar?

Denis Scheck, Literaturkritiker

Krimiliteratur in Zeiten des Umbruchs besonders gefragt

Entstanden sind diese Kriminalromane in großen gesellschaftlichen Umbruchzeiten nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, in denen es vielen Menschen wirtschaftlich schlecht ging und das britische Empire seine Größe verloren hatte. Da kamen die Krimihandlungen, meist an einem abgeschlossenen Ort und in der bürgerlichen Oberschicht spielend – mit entsprechenden Abgründen der Figuren – gerade recht. Man kann miträtseln, häufig handelt es sich bei den Figuren um Laienermittler, meist mit einem nicht ganz so klugen „Sidekick“, einem Inspektor oder einem Dr. Watson, und diese stellen nach einer amüsanten, oft überraschenden Ermittlung den Täter: Die Ordnung ist wiederhergestellt.

Dietmar Bär las mitreißend und mit Witz

Denken Sie daran, in 317 Tagen ist Weihnachten. Sie wollen doch nicht ohne Geschenk dastehen!

Denis Scheck, Literaturkritiker

Höhepunkte des Abends waren die Lesungen durch den 64-jährigen Dietmar Bär. Der erste Schauplatz war ein Kreuzfahrtdampfer („Mord auf der Kreuzfahrt“ von Nicholas Blake), wo Meisterdetektiv Nigel Strangeways und Bildhauerin Clare Massinger über einen Mordfall stolpern. Das Publikum lauschte hingerissen. Auch der zweite Schauplatz eines Verbrechens war beschaulich: ein Londoner Antiquariat. Der Roman „Mord in der Charing Cross Road“ von Henrietta Hamilton überzeugte mit einer großartigen Sprache, von Bär herrlich mit Witz gelesen. Der dritte Roman „Das Geheimnis der Weihnachtstage“ von C. H. B. Kitchin spielte dann ganz klassisch auf einem Landsitz. Am Schluss rief Scheck zum Bücherkauf auf: „Denken Sie daran, in 317 Tagen ist Weihnachten. Sie wollen doch nicht ohne Geschenk dastehen!“ Mit großem Gelächter ging ein gemütlicher Abend zu Ende.

Verlag mit langer Geschichte

Die Cotta’sche Verlagsbuchhandlung wurde 1659 in Tübingen gegründet und befand sich bis 1889 im Besitz der Verlegerfamilie Cotta, danach bis 1956 bei der Verlegerfamilie Alfred Kröner. 1977 wurde der Verlag Teil der Verlagsgemeinschaft Ernst Klett–J.G. Cotta’sche Buchhandlung und ist heute unter dem Kurznamen Klett-Cotta bekannt. Klett-Cotta dürfte vielen Leserinnen und Lesern durch die Hobbit Presse und Fantasy-Epen wie „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien oder „Die Königsmörder-Chronik“ von Patrick Rothfuss bekannt sein. In der Reihe „Cosy Crimes“ gibt es Kriminalgeschichten für jede Jahreszeit.

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