Konzert

So interpretierte der Junge Kammerchor Ostwürttemberg im Heidenheimer Konzerthaus das Thema „Zeit“

Der Junge Kammerchor Ostwürttemberg bescherte seinem Publikum im vollbesetzten Konzerthaus mehr als eine gute Zeit

Zeit kann man beispielsweise so verbringen: Minutenlang stehend, applaudierend. Wenn man zuvor, wie am Sonntagabend im Konzerthaus geschehen, die Zeit damit verbracht hat, den Gesang des Jungen Kammerchors Ostwürttemberg zu genießen, dann bedarf es dazu gar keiner aktiven Entscheidung, sondern ist einfach die logische Folge. Und das ist auch nur möglich, weil zuvor die Sängerinnen und Sänger im Alter zwischen 15 bis 27 Jahren aus dem Kreis Heidenheim und dem Ostalbkreis ihre Zeit damit verbracht haben, Preziosen aus der Chorliteratur auszugraben, einzustudieren und eindrucksvoll zu Gehör zu bringen.

„Zeit“ war das Thema und der Titel des Konzerts, und unter diesem Begriff verbarg sich eine ganz erlesene Auswahl an Liedern. Sie reichte von der Renaissance bis zu zeitgenössischen Liedern, von sakraler Anmutung bis zu poppigen Anklängen, von Englisch über Lateinisch, Französisch, Schwedisch und Deutsch bis hin zum Kärntner Dialekt oder auch nur Vokalisen, und sie beleuchtete das Thema „Zeit“ aus vielen Perspektiven.

Pulsschlag und das Ticken der Uhr

Abend und Nacht, Konstanz und Vergänglichkeit, Schöpfung und Natur wurden besungen. Aber auch Hektik und Stress der heutigen Gesellschaft kamen hervorragend zum Ausdruck in Jennifer Lucy Cooks „Time“, in dem das Ticken der Uhr, geschnalzt von den Chormitgliedern, immer wieder vorantrieb. Klatschen und Stampfen und eine sehr organische Choreographie begleitete „Pulse“ von Robert Gibson, das gleich zu Beginn den Pulsschlag, den ureigensten Zeitmesser des Menschen, der rund 400 Zuhörer vor Freude ansteigen lassen konnte. Rilke-Gedichte, Bibeltexte in Vertonung mit Donnerschlag, das bekannte „Geh aus, mein Herz“ mit schwedischem Text und neuer Melodie und ungewöhnlicher Melodieführung, Brahms, Debussy und Schwanengesang – es ist schon beeindruckend, welches Spektrum geboten war. Und auch, wie immer wieder das Besondere hervorgehoben wird: Marie Schwarz’ Komposition „Die Zeit“ in der Begleitung von zwei Wassergläsern sei hier beispielhaft erwähnt.

Der Junge Kammerchor Ostwürttemberg überzeugte stets voll und ganz in jeder Beziehung: Präzision und Harmonie, klare Stimmführung und Intonation, Zartheit und große Strahlkraft gleichermaßen entfaltend. Der Genuss an diesem Vortrag war so groß, dass oftmals gar nicht gewagt wurde, Schönheit und Brillanz des Vortrags mit schnödem Klatschen zu erwidern, zu groß war der Respekt vor der gesamten Chorleistung.

Besondere Augenblicke

Diese Leistung zu erreichen, dafür hatten die Sängerinnen und Sänger gar nicht mal so viel Zeit: Die letzte Woche ihrer Winterferien hatten sie geopfert, um das lange und durchweg anspruchsvolle Programm zu erarbeiten. Und dabei hatten sie auch noch Zeit gefunden, sich in unterschiedlichsten Ensembles in der Größe von fünf bis elf Sängerinnen und Sängern zusammenzufinden – das waren ganz besondere Konzertaugenblicke, in denen das Können der Einzelnen noch stärker zum Ausdruck kam. Darüber hinaus verfügt der Chor über eine große Anzahl an Solisten, deren Stimmen das Publikum zum zweimal Hinhören einluden.

Welche Freude die Mitglieder des Jungen Kammerchors Ostwürttemberg an ihrem gemeinschaftlichen Gesang und Konzert haben, das lässt sich auch daran ablesen, wie viel über den Gesang hinaus aus den eigenen Reihen gestemmt wurde. Christian Glass beispielsweise ist zu nennen, der neben seiner sängerischen Leistung auch mit einer Moderation voll Kompetenz und Esprit begeisterte, die Abstecher zu Beach Boys und Lucky Luke machte und für den zweiten Teil „einen gewissen Ernst“ ankündigte. Der war sicherlich in den Texten anzufinden, aber auch am Dirigentenpult fand sich „die gewisse Ernst“ ein: Maddalena Ernst hatte die Chorleitung nach der Pause, während Thomas Baur den ersten Teil übernommen hatte. Das Einstudieren mit den Ensembles hatte Andreas Klippert übernommen, der selbst auch in Chor und Ensembles singend anzutreffen war. Und neben ihren Gesangsleistungen sorgten Jonas Imhof für Stimmbildung und Kevin Blata für die Lichttechnik an diesem Konzert.

Respekt und Anerkennung vor dieser Gesamtleistung zollte das Publikum wie schon erwähnt mit langem Schlussapplaus, der sogar – auch das fast schon überobligatorisch nach den großen Leistungen, aber doch ein feiner Zug – mit einer Zugabe belohnt wurde. Und das Publikum war sicher einmal mehr darin bestärkt, dass ein Konzertbesuch beim Jungen Kammerchor Ostwürttemberg immer bestens verbrachte Zeit ist.

Junger Kammerchor im Radio

Ein Winter- und ein Sommerprojekt führen die Sängerinnen und Sänger des Jungen Kammerchors Ostwürttemberg seit 2006 zusammen. Das nächste Konzert wird in Heidenheim am Samstag, 20. September, ab 19 Uhr in der Pauluskirche stattfinden. Bereits im Januar aber gibt es erneut Gelegenheit für ein Wiederhören: Am Sonntag, 26. Januar, strahlt SWR Kultur im Rahmen seines Mittagskonzerts ab 12.30 Uhr das Konzert „Libera me“ des Jungen Kammerchors Ostwürttemberg aus.

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