Drogen-Duo sprengt Kontoauszugsdrucker und Geldautomat in Heidenheim und Böbingen
Eine Straftat ist immer eine schlechte Idee. Eine Straftat nach Anleitung eines Tiktok-Videos ist dazu noch eine sehr dumme Idee. Zwei junge Männer in Geldnot erkannten das zu spät und mussten sich jetzt vor dem Heidenheimer Schöffengericht verantworten. Im Februar hatten die beiden zunächst versucht, in einer Böbinger Bankfiliale an Geld zu kommen. Dafür hatten sie sich in der Firma des Bruders des 31-jährigen Angeklagten nicht nur den Transporter, sondern auch eine Sackkarre, einen Schweißbrenner und Gasflaschen „ausgeborgt“. Recht schnell schafften es die beiden den vermeintlichen Geldautomaten zu knacken. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei jedoch lediglich um den mit Papier gefüllten Kontoauszugsdrucker. Ohne Beute zogen die beiden wieder ab und hinterließen einen Schaden von mehreren zehntausend Euro.
Der 24-Jährige hatte die Nase voll und wollte nach Hause, sein Kumpel chauffierte ihn nach Heidenheim. Doch anstatt selbst auch zurück zu seiner Familie zu gehen, beschloss der Mann in der Filiale der Kreissparkasse an der Giengener Straße einen weiteren Versuch zu starten. Er sei auf Entzug gewesen und habe dringend Geld gebraucht, gab er vor Gericht an. Diesmal sollten ein Akkuschrauber und eine mit Spiritus gelegte Spur zum Erfolg führen. Doch auch dieser Versuch scheiterte, dafür nahm die Polizei den Angeklagten direkt vor der Tür in Empfang. Ein Zeuge hatte Verdacht geschöpft und sie alarmiert.
"Wir haben uns angestellt wie Deppen"
Vor Gericht gaben beide Angeklagte die ihnen zur Last gelegten Taten zu. Beide haben ein massives Drogenproblem. An diesem Abend hätten sie gemeinsam getrunken und dabei Videos angeschaut. Zufällig hätten sie auch einen Film über eine Geldautomatensprengung gesehen und die spontane Idee gehabt, das selbst auszuprobieren. Das böse Erwachen folgte schnell und auch eine gewisse Einsicht. „Wie dumm muss man sein, wir haben uns angestellt wie Deppen,“ hatte der 31-Jährige nach der Festnahme zu einem der Beamten gesagt. Der Hauptsachbearbeiter des Falles, ein Polizist aus Aalen, sagte vor Gericht als Zeuge aus. Nach seinem Eindruck befragt, musste der Mann lachen. Er entschuldigte sich beim Angeklagten: „aber das kam mir vor wie Dumm und Dümmer“.
Im Prozess wurde schnell klar, dass Dreh-und Angelpunkt der Tat bei beiden Angeklagten die massive Drogensucht und die daraus resultierenden Geldprobleme sind. Der 31-Jährige gab an, rund 18.000 Euro Schulden zu haben. Als Achtjähriger war der Angeklagte von der Oma in der Türkei zu seinen Eltern nach Deutschland geholt worden, die er bis dahin nur von Besuchen kannte. Er fand sich schnell zurecht und machte den Realschulabschluss und eine Lehre als Industriemechaniker. Doch mit 16 ging es los mit Drogen: Cannabis, Ecstasy und Kokain bestimmten sein Leben. 2020 erfolgte eine Entgiftung, Mitte des letzten Jahres ein Rückfall. Wegen der jetzigen Geschichte habe er familiäre Probleme und lebe von seiner Frau und den beiden Kindern getrennt, berichtete er. Er habe aber seit einigen Wochen wieder eine gute Arbeitsstelle. In der Firma des Bruders war ihm wenige Tage vor der Tat wegen des Drogenkonsums gekündigt worden. Er hoffe auf eine ambulante Therapie, um den neuen Job nicht zu verlieren.
Aufgrund seiner Vorstrafen erschien das jedoch zweifelhaft. Insgesamt sieben Einträge im Bundeszentralregister hat der Mann seit 2015 angesammelt, vom Handel mit Betäubungsmitteln, über Betrug bis zum Fahren ohne Führerschein. Dabei war er immer mit Geldstrafen davongekommen, doch die letzte Verurteilung aus 2022 (wieder Trunkenheit und Fahren ohne Führerschein sowie Beleidigung) führte zu einer Bewährungsstrafe.
Beide Angeklagte haben bereits Vorstrafen
Auch der 24-jährige Angeklagte berichtete von seiner Drogensucht. Der Vater sei alkoholabhängig gewesen und er selbst habe schon früh Alkohol konsumiert. Später seien Cannabis, Kokain und weitere Betäubungsmittel dazu gekommen, was auch zum Abbruch seiner Lehre geführt habe. Eine Erkrankung seines Vaters und dessen Tod hätten ihn schließlich ganz aus der Bahn geworfen und er habe täglich Drogen konsumiert. Seit der Tat habe er mehrere Anläufe genommen, um zu entgiften. Seit etwa sechs Wochen sei er drogenfrei.
Doch auch dieser Angeklagte hat bereits ein Vorstrafenregister: Betrug, Trunkenheit im Verkehr und das Führen eines verbotenen Butterfly-Messers verlas Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil. Außerdem hatte der Mann Polizeibeamte angegriffen und verletzt. Erst Im Sommer hatte er dafür eine Geldstrafe kassiert. Auch der 24-Jährige drängte aufgrund seiner Arbeitsstelle, die er vor einer Woche angetreten habe, auf die Möglichkeit einer ambulanten Therapie.
Staatsanwältin Wahl sah den angeklagten Sachverhalt im Wesentlichen als bestätigt an. Der ältere Angeklagten habe sich des zweimaligen versuchten Diebstahls im besonders schwerem Fall und der Sachbeschädigung strafbar gemacht. Dass der Mann ein Geständnis abgelegt hatte und „die Tat alles andere als professionell“ gewesen sei, wertete sie positiv. Sie habe auch den Eindruck, dass der Angeklagte seine Tat wirklich bereue. Die Anklagevertreterin betonte aber auch, einen hohen Grad an Gefährlichkeit aufgrund der eingesetzten Werkzeuge und zudem den hohen Sachschaden. Dann auch noch einen zweiten Versuch zu wagen, zeuge von krimineller Energie. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.
Auch der Tatbeitrag des 24-jährigen Angeklagten sei jedoch nicht zu unterschätzen und auch er sei vorbestraft. Staatsanwältin Wahl forderte für ihn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Zudem soll ihm eine Bewährungshilfe zur Seite gestellt werden und eine stationäre Drogentherapie auferlegt werden. Zusätzlich forderte sie eine Geldstrafe in Höhe von 2500 Euro.
Der Verteidiger des 31-Jährigen, Uwe Böhm, sah die Situation anders. Er plädierte auf verminderte Schuldfähigkeit seines Mandanten, der ja offensichtlich nicht mal mehr einen Geldautomaten von einem Kontoauszugsdrucker habe unterscheiden können. Sein Mandant wolle „reinen Tisch machen“ und die Chance auch in Bezug auf seine Familie nutzen. Er sollte deshalb nochmal die Möglichkeit einer Bewährung mit einer ambulanten Therapie und Drogenscreenings als Auflagen bekommen.
Rechtsanwalt Robert Bäumel verwies darauf, dass sein Mandant zur Tatzeit unter Alkohol und Drogen gestanden habe und zudem die Schadenshöhe von Seiten der Banken nie genau beziffert worden sei. Die Strafe sollte nicht mehr als ein Jahr betragen und eine Therapie zur Auflage gemacht werden, forderte er.
Einer der Täter geht erst einmal in Haft
Das Urteil fiel für beide Angeklagte dann aber doch höher aus als erhofft. Der 24-jährige Angeklagte bekam mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten nochmal die Chance einer Bewährung (drei Jahre). Allerdings muss er sich in eine stationäre Therapie begeben.
Der 31-Jährige muss dagegen in Haft. Zwei Jahre und drei Monate lautetet das Urteil des Schöffengerichts. Eine Bewährungsstrafe sei nicht möglich gewesen, da der Angeklagte zur Tatzeit bereits unter Bewährung gestanden habe, führte Richter Feil aus. Dass beide unter Alkoholeinfluss gestanden hatten und Geld für Drogen brauchten, habe das Gericht berücksichtigt. So betrunken, dass eine Schuldminderung angenommen werden konnte, sei der 31-Jährige aber nicht gewesen. Die Tat habe ein komplexes Vorgehen und das Hantieren mit schwerem Gerät erfordert. Das ehrliche Geständnis und auch die Reue, habe man dem Angeklagten geglaubt, aber er habe seine letzte Chance der Bewährung nicht genutzt. „Sie müssen mit dem Drogenkapitel völlig abschließen“, ermahnte Feil den Angeklagten. Er bekomme jetzt die Chance, aus der Haft in den Maßregelvollzug zu gehen und eine stationäre Therapie zu machen, die ihm auf die Haftzeit angerechnet werde. Wenn alles gut laufe, bestehe die Möglichkeit anschließend auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden.
"Überall Fachkräftemangel", witzelte ein Verteidiger
Das nicht gerade professionelle Vorgehen der beiden Täter sorgte trotz der ernsten Angelegenheit im Gerichtssaal auch für einige Schmunzler. Vor allem als zur Sprache kam, dass die beiden den Kontoauszugsdrucker mit dem Geldautomaten verwechselt hatten. "Fachkräftemangel gebe es eben überall", witzelte einer der Verteidiger.
Er habe es sehr interessant gefunden, dass man sich von einem Video zu einer solchen Tat inspierieren lasse, erklärte Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil. Die Banden, die im großen Stil Geldautomaten sprengen, bezeichnete er als ein großes Problem.