Angeklagter verurteilt

Wie ein Drogen-Großtransport nach Heidenheim zufällig aufflog

Zehntausende von Konsumeinheiten an Drogen schmuggelte ein Heidenheimer im Juni aus den Niederlanden nach Heidenheim. Wie die Polizei dem Mann und seinem Beifahrer auf die Schliche kam und warum das Schöffengericht keine Gnade walten lassen konnte.

Wie ein Drogen-Großtransport nach Heidenheim zufällig aufflog

Zu drei Jahren und fünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilte das Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil einen 33-jährigen Heidenheimer, der kiloweise Amphetamin, Marihuana und Kokain aus den Niederlanden nach Heidenheim transportiert hatte. Die Verteidigerin des Mannes hatte zwar auf eine mildere Strafe plädiert, um dem Mann im März eine Suchttherapie zu ermöglichen.

Doch dafür waren die Drogenmengen mit einem Verkaufswert von mindestens 200.000 Euro viel zu groß: In den sieben Jahren, die er dem Schöffengericht vorsitze, habe er keinen Fall verhandelt, mit einer Drogenmenge annähernd in dem Bereich wie dieser, sagte Richter Feil. Es ging um 8,5 Kilogramm Marihuana, 8 Kilogramm Amphetamin und 245 Gramm Kokain, das laut Gutachten des Landeskriminalamtes eine auffallend gute Qualität hatte und allein je nach Streckungsgrad mehr als 50.000 Euro an Verkaufswert hatte.

Heidenheimer Rentnerin vermutet Einbruch und wählt den Notruf

Kommissar Zufall ist es zu verdanken, dass der Polizei am 21. Juni dieser bedeutende Schlag gegen die Heidenheimer Drogenszene gelang. Kommissarin Zufall war in diesem Falle eine wachsame Rentnerin, die mitten in der Nacht durch einen aufheulenden Motor eines heranfahrenden Fahrzeuges aus dem Schlaf gerissen wurde. An groß angelegte Drogengeschäfte dachte sie nicht, als sie aus dem Fenster blickte, einen parkenden Transporter und die hell erleuchtete Schulbaustelle auf dem Mittelrain sah. Weil sie einen Einbruch vermutete, wählte sie die Notrufnummer 110.

Die anrückenden Polizisten waren ebenso überrascht wie die Drogenhändler selbst, als sie die Türe zum Transporter öffneten. Statt dem vermuteten Zeitungszusteller fanden sie Drogenpäckchen in rauen Mengen sowie zwei junge Männer vor sich, die den Stoff gerade aus dem präparierten Versteck im Boden des Transporters fischten und zum Weitertransport in Sporttaschen packten. Der Mann und sein Freund wurden verhaftet. Beide sitzen seitdem wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft.

Krebsdiagnose der Mutter war der Beginn der Drogenlaufbahn des Heidenheimers

Wie war der Heidenheimer auf die schiefe Bahn geraten? Verlesen ließ er seine Geschichte über seine Verteidigerin Sophie Bechdolf-Reif. Das erste Mal in Kontakt mit Marihuana gekommen sei er als 14-Jähriger nach der Krebsdiagnose seiner Mutter, die kurz darauf verstarb. „Ich fand es so ungerecht, dass es sie traf.“ Unter Drogen sei er wieder selbstbewusst und sorgenfrei gewesen. Auf Druck der Familie sei er wieder losgekommen. Doch nach dem Tod des Großvaters habe er wieder regelmäßig konsumiert. „Ohne Wirkung der Drogen kam ich nicht mehr klar.“ Er habe seine Ausbildungsstelle verloren und sei mit den falschen Leuten in Kontakt gekommen.

Dann kam das verlockende Angebot: Er wäre seine Schulden von 2.000 Euro los und bekäme 100 Gramm Marihuana für den Eigengebrauch, wenn er nach Holland fahre und dort Drogen abhole. Er habe den Vito seines Bruders ausgeliehen, habe seinen Freund um Begleitung gebeten unter dem Vorwand, dort gemeinsam den Geburtstag nachzufeiern. In Holland habe er den Transporter abgegeben und ihn präpariert samt Drogen zurückbekommen. Er habe gewusst, dass es sich um einige Kilogramm des Stoffes handele, doch vom Kokain habe er nichts gewusst. Den Freund habe er erst kurz vor Heidenheim eingeweiht, der nehme ihm das Ganze bis heute übel. Dennoch habe dieser dann in Heidenheim beim Umpacken geholfen, wo sie dann von der Polizei überrascht wurden.

Heidenheimer Ermittler entdecken seltsamen Zufall

Dass Freund und Familie unbeteiligt waren, dem hatten die polizeilichen Ermittler keinen Glauben geschenkt. Der als Zeuge geladene Kripo-Beamte war auf eine merkwürdige Spur gestoßen. Die Sporttaschen, in die die Drogen verpackt wurden, hätten neu ausgesehen. Deshalb habe er bei einem Sportgeschäft in den Schloss-Arkaden nachgefragt, ob jemand hier solche Taschen in letzter Zeit gekauft habe. Beim Centermanager habe er Videomaterial der Überwachungskamera gesichtet. Wie es der Zufall so will: Darauf sah man den Bruder des Angeklagten mit Freundin, wie er am Tag vor der Hollandfahrt mit Sporttaschen das Geschäft verlassen habe. Ob es sich jedoch genau um die Drogentaschen gehandelt hatte, habe man nicht nachweisen können, so der Beamte.

Angesichts des langjährigen Drogenkonsums fiel der Auszug aus dem Strafregister klein aus. 2017 wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe wegen unerlaubten Drogenbesitzes verurteilt. Die zweite Straftat, gefährliche Körperverletzung, beging der Angeklagte gemeinsam mit seinem Bruder. Sie hatten vier Männer, die zu einem FCH-Spiel angereist waren, getreten und geprügelt, weil sie sich durch diese provoziert fühlten. Die Fußballfans waren auf den Reutenen unterwegs, hatten den Brüdern Handzeichen wegen deren rasanter Fahrweise gemacht, waren in ihr Auto gestiegen und dort dann von den Brüdern gestellt worden. Gegen das Urteil hatte der Angeklagte Berufung eingelegt. Was Richter Feil dem Angeklagten ankreidete: Noch während das Berufungsverfahren am Landgericht Ellwangen lief, beging er die Drogen-Straftat.

Ich bin da in etwas hineingeraten, das mich eindeutig übersteigt.

Angeklagter

Von den Drogen will der Angeklagte loskommen. Dem Gericht hatte er einen Therapieplan vorgelegt, der von der Rentenversicherung genehmigt war. Während der U-Haft hatte er zudem schon an 30 Therapiesitzungen teilgenommen. „Ich bin da in etwas hineingeraten, das mich eindeutig übersteigt“, sagte der Angeklagte. Er wolle ein „ganz normales Leben“ führen, seine Verlobte heiraten, die ebenso wie Familienmitglieder zur Verhandlung gekommen waren, wolle eine Familie gründen, eine Ausbildung machen und Geld verdienen.

So viel das Urteil am Amtsgericht Heidenheim aus

Mit den drei Jahren und fünf Monaten Haft war das Schöffengericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von vier Jahren Freiheitsstrafe geblieben. Dennoch kann der 33-Jährige im Frühjahr nicht in Therapie. Denn das Gesetz ermöglicht nur dann einen Therapieantritt, wenn zu diesem Zeitpunkt die Restfreiheitsstrafe nicht mehr als zwei Jahre beträgt, klärte Richter Feil auf. „Es ist nur ein Aufschub, sie sollten von ihrem Weg nicht abzweigen“, ermutigte Feil den Angeklagten.

Gegen den Freund des Angeklagten, der in Holland mit dabei war, wird in der kommenden Woche gesondert verhandelt. Auch hier lautet die Anklage auf Handel und Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge."

Cannabis-Legalisierung und die Folgen für Urteile

In der Wohnung des Angeklagten hatte die Polizei bei der Durchsuchung rund 40 Gramm Marihuana gefunden. Dieser Anklagepunkt wurde jedoch im Vorgriff auf die voraussichtlich im Frühjahr in Kraft tretende neue Cannabis-Legalisierung für den privaten Gebrauch fallengelassen. Richter Feil verwies auf die Empfehlung, von der Verfolgung dieser Straftaten in bestimmten Fällen abzusehen im Hinblick auf die im Gesetz enthaltene Rückwirkungsklausel. Diese habe zur Folge, dass viele Urteile überarbeitet werden müssen. Wenn die Täter zum Zeitpunkt des Inkrafttretens in Haft seien, müssten diese Verfahren eingestellt und neue Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden. „Das wird für uns ein Riesenberg an Arbeit werden.“

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